Morgen wird der NSA-Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnehmen, aber bereits jetzt fallen immer mehr Schatten auf seine zukünftige Arbeit. Am Vormittag erreichte uns zuerst die Meldung, dass die Bundesregierung auf Fragen, die sie seit Mitte letzten Jahres den USA zum NSA-Skandal geschickt hatte, bisher keinerlei Antwort bekommen hat und auch gar nicht so richtig hartnäckig an einer Antwort interessiert zu sein scheint und dann auch noch, dass sie den Inhalt von Verhandlungen zu EU-No-Spy-Abkommen unter allen Umständen geheim halten will, damit das Ansehen des BND und seiner Geheimdienstfreunde nicht beschädigt wird. Aber das sollte nicht die letzte Demonstration von Intransparenz und Aufklärungsmüdigkeit am heutigen Tag sein.
Wir haben von einer E-Mail erfahren, in der die Mitglieder des NSA-U-Ausschusses darüber aufgeklärt werden, dass es während dessen Arbeit vermutlich zur Vorlage von Verschlusssachen der Stufe „Streng geheim“ kommen werde. Streng geheim, so steht es in der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages, bedeutet:
Als streng geheim eingestuft werden VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde.
Solche Verschlusssachen dürfen in der Regel nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages eingesehen, nicht vervielfältigt oder heraustransportiert werden. Aber es gibt noch eine weitere Bedingung. Nur Personen, die eine Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü3 bestanden haben, sind überhaupt zu einer Einsichtnahme autorisiert. Eine solche Überprüfung – die „erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlung“ – stellt nach Sicherheitsüberprüfungsgesetz die höchste Prüfstufe dar. Inhalt der Prüfungen sind …
… bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü1):
- Anfragen an das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister, das Bundeszentralregister, Meldebehörden und Polizeibehörden zur betreffenden Person
- Anfragen an die Landes- und Bundesverfassungsschutzbehörden zur betreffenden Person und deren Partner
… bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü2) zusätzlich:
- Identitätsprüfung mit Pass- oder Personalausweisnummer oder durch Befragung geeigneter Personen, denen zur Bestätigung ein Foto vorgelegt wird
- Anfragen an die Bundesgrenzschutz und an örtliche Polizeibehörden rückwirkend für alle Wohnorte der Person in den letzten fünf Jahren
- Alle Maßnahmen für Ü1 auch für den Partner des Betroffenen
… und bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3) weiterhin:
- Befragung drei weiterer Referenzpersonen
- Soweit erforderlich, Konsultation „weiterer geeigneter Auskunftspersonen oder anderer geeigneter Stellen“
Bei näherem Betrachten der auszufüllenden Formulare (ab Seite 85) wird klar, welche weiteren Faktoren noch bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einer Person eine Rolle spielen. Zum Beispiel Reisen in als sicherheitskritisch eingeschätzte Staaten, darunter die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, Kuba, Vietnam und Nahost-Länder. Dabei zählt nicht nur der eigene Aufenthalt, sondern auch der von Angehörigen und „sonstige Beziehungen in einen dieser Staaten oder zu außerhalb des Gebiets dieser Staaten lebenden Vertretern eines solchen Staates“.
Faktisch wird also ein vollständiger Personenscan durchgeführt. Und man kann sich vorstellen, dass nicht jeder diese Personenüberprüfung „bestehen“ wird. Vor allem bei den Abgeordneten der Linkspartei könnte man Probleme vermuten, denn die sind dem Verfassungsschutz ja bekanntlich besonders suspekt und standen des Öfteren unter dessen Beobachtung. Und auch bei allen anderen: Wer weiß schon, ob sich in seinem Umfeld nicht zufällig eine verdächtige Person befindet, die ein Sicherheitsrisiko darstellt, sei es der chinesische Tenniskollege oder der Vater des vietnamesischen Schuldfreunds der kleinen Tochter?
Aber noch ein anderer Faktor, selbst wenn die Person eine Ü3-Prüfung bestehen würde: Wer nicht bereits eine Sicherheitsüberprüfung der Stufe 2 hinter sich hat und damit eine vorläufige Sicherheitsermächtigung für Ü3 ausgestellt bekommen kann, der muss damit rechnen, für einen längeren Zeitraum von der Einsicht in die Geheimdokumente ausgeschlossen zu werden. Denn eine solche umfassende Überprüfung des persönlichen Lebenshintergrundes lässt sich nicht in ein paar Wochen durchführen. Im Bundeswehrmagazin findet sich ein Richtwert von neun Monaten, „in Ausnahmefällen kann es auch mal länger dauern“.
Ziemlich viele Steine liegen im Weg des Ausschusses. Wir wünschen den Politikern, die sich ernsthaft für Aufklärung interessieren, viel Durchhaltevermögen, sie zu überwinden.
Aha endlich nimmt sich mal jemand des Wahlgesetzes an.
Das ist zwar nicht zum Thema, aber trotzem die Antwort hier, weil ich keine Lust habe, mich dafür bei fragdenstaat zu registrieren:
Der Gesetzgeber muss nur realistisch zu erwartende Wahlergebnisse in der Ausgestaltung des Wahlrechts berücksichtigen. Deswegen ist es nicht verfassungswidrig, auch wenn die Abgeordnetenzahl nicht nach oben beschränkt ist. Dass unser Wahlrecht und dessen letzte Reform, vorsichtig ausgedrückt, keine Meisterleistung ist, ist allgemein bekannt.