Nach zwei Jahren werden am Donnerstag am Verwaltungsgericht Lüneburg die Verhandlungen im Fall „Podcast-Bus“ starten. Grundlage des Verfahrens ist die Beschlagnahmung des Podcastbusses von Metronaut und „Radio Freies Wendland“ im Rahmen des Castor-Transportes 2011. Die Polizei hatte damals unter dem Vorwand der “gegenwärtigen Gefahr” einer potentiellen Störung des Polizeifunks und der Koordination gewalttätiger Proteste einen VW-Bus mit Audio-Equipment sichergestellt aus dem Metronaut berichten wollte. Wir haben Hans Gift interviewt, einer der betroffenen Reporter. Er schildert das Vorhaben von Metronaut:
Wir hatten den Bus mit einer halben Bierbank samt Mischpult, Mikrofonen und Headsets ausgerüstet und sind damit immer dorthin gefahren, wo etwas los war. Dann haben wir Aktivistinnen und Aktivisten in den Bus eingeladen und mit ihnen Interviews gemacht. Andere Interviews oder das Einfangen der Atmosphäre gingen einfach mit Handheld-Recordern draußen vor Ort. Abends haben wir uns dann an die Rechner im Bus gesetzt und das Material geschnitten und auf metronaut.de gepackt oder zu Radio Freies Wendland geschickt. Mehrfach haben wir auch live per Telefon bei Radio Freies Wendland berichtet. Auf diese Art wollten wir den ganzen Castor-Transport und die Proteste dagegen journalistisch aufarbeiten, leider hat dann die Polizei am Samstag des Transportes alles Audio-Equipment und den Bus beschlagnahmt.
Metronaut hatte in Folge aufgrund “Einschränkung der Pressefreiheit durch Sicherstellung eines KfZ nebst mobilen Tonstudio” geklagt und konnte dafür 2000 Euro Spenden sammeln. Im Rahmen des Verfahrens kam es zu einigen Ungereimtheiten, beispielsweise zweifelhaften Polizeiprotokollen oder der nachträglichen Konstruktion von Vorgängen wie einem Schlichtungsversuch. Vor allem die Existenz einer realen akuten Gefahr ist hochgradig implausibel, denn das Podcast-Bus-Team wurde von der Polizei beim Frühstück überrascht. Eigene Versuche, die Lage zu klären, schlugen fehl:
Wir versuchten den Beamten die technischen Geräte zu erklären und herauszufinden, was das Problem war. Doch darauf gingen sie nicht ein. Der Ton war sehr ruppig und es gab keine Möglichkeit klarzumachen, dass im Bus nur stinknormales Aufnahmeequipment ist. Das interessierte die Polizei auch nicht mehr. […] Ein vor Ort von uns eingeschalteter Anwalt versuchte die Polizei dann zu überzeugen mildere Mittel einzusetzen, nämlich die angeblich gefährlichen Gegenstände/Geräte zu beschlagnahmen und nicht den Bus und alles – aber auch darauf ging die Polizei nicht ein. […] Wir wurden da behandelt wie Kriminelle, obwohl wir nur vom Castor-Transport berichten wollten.
Aber diese Art von Berichterstattung scheint nicht erwünscht zu sein, stattdessen wollte die Polizei Presseausweise sehen. Dass das eine antiquierte Sichtweise auf Journalismus ist und vor allem viele Blogger als zweitklassige Journalisten degradiert, haben wir in der Vergangenheit schon öfter zu spüren bekommen, zum Beispiel bei Akkreditierungsversuchen im Bundestag. Auch Metronaut hat darunter zu leiden:
Sie fragten zuerst nach Personalausweisen und dann nach Presseausweisen. Da wir damals keine Presseausweise hatten, haben wir die Polizisten mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ausübung der Pressetätigkeit und die Wahrnehmung der Pressefreiheit nicht an den Besitz eines Presseausweises gebunden ist. Das ist auch sehr richtig so, denn wenn Journalismus an einen Presseausweis gebunden wäre, dann erhöht man die Eintrittsschwelle für Journalismus enorm: damit wären alle Blogger, alle Bürgerjournalisten, alle Podcaster direkt raus. Ein Presseausweis ist ein Nachweis für eine hauptberufliche journalististische Tätigkeit, der die Arbeit von Journalisten erleichtern soll. Er darf aber keine Vorraussetzung sein, um Berichterstattung zu machen. Das würde der Pressevielfalt und damit der Demokratie schaden.
Beim Castor versucht das niedersächsische Innenministerium ja sogar, die Presseausweise zu entwerten, indem sie „Offizielle Akkreditierungen“ vergibt. Auch das ist gegen die Pressefreiheit gerichtet.
Wir drücken dem Metronaut-Team die Daumen und hoffen, dass die Richter erkennen, dass solche willkürlichen und repressiven Maßnahmen gegen zivilgesellschaftlichen Protest und die Pressefreiheit eine massive Gefährdung einer vermeintlich demokratischen Gesellschaft darstellen. Und das muss eigentlich jeder und jedem ins Auge springen:
Unser Gefühl war während der ganzen Polizeimaßnahme und auch heute noch: Das ist so dermaßen illegal, das ist eine so himmelschreiende Ungerechtigkeit, die da passiert, das kann doch wohl nicht wahr sein, wie die Polizei hier mit Grundrechten und Pressefreiheit umgeht. Das trifft einen ja schwer in seinem Vertrauen auf den Rechtsstaat, wenn sowas passiert.
0 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.