Europaparlament: Was hat denn der Snowden mit dem Überwachungsbericht zu tun?

Morgen Mittag stimmt das Plenum des Europaparlaments über den Überwachungsbericht ab, der vor kurzem im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres angenommen wurde. Anders als bei der Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz herrscht bei diesem Dokument weitgehend Einigkeit. Nur die Fraktion der Europaskeptiker, die von den britischen Tories dominiert wird, lehnt den Bericht ab. Heute fand die der Abstimmung vorgelagerte Debatte im Plenum des Europaparlaments statt.

In der Diskussion ging es vor allem um drei mögliche Konsequenzen aus der Untersuchung der Massenüberwachung: Die Frage nach dem Asyl für Snowden, die Aussetzung der verschiedenen Abkommen mit den Vereinigten Staaten wie SWIFT, PNR und die Safe-Harbour-Vereinbarung, und die angedachte Ausweitung der Unabhängigkeit der europäischen IT-Infrastruktur.

Schengen-Netz?

Zum Thema IT-Infrastruktur findet sich folgende Forderung im Überwachungsbericht:

Entwickeln einer europäischen Strategie für eine größere Unabhängigkeit im IT-Bereich (eines „Digital New Deal“, einschließlich der Bereitstellung angemessener Ressourcen sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf EU-Ebene) zur Förderung des Wachstums der IT-Branche, das es europäischen Unternehmen ermöglicht, den Wettbewerbsvorteil der EU bei der Privatsphäre auszunutzen;

Vor allem Abgeordnete der konservativen Fraktionen haben wiederholt eine Schengen-Cloud und europäisches Routing gefordert. Deutlichen Widerspruch für diese Pläne formulierte die britische Liberale Baroness Ludford, laut der der Bericht Spuren von Protektionismus enthält. Wichtiger als eine EU-Cloud seien wettbewerbsfähige Anbieter in Europa.

Welche Abkommen sollen ausgesetzt werden?

Im Bericht wird für die Aussetzung von SWIFT-Abkommen und Safe-Harbour-Vereinbarung plädiert und die Überprüfung weiterer Abkommen zum Datentausch gefordert.

In Bezug auf Safe Harbour stimmen auch die Christdemokraten dieser Forderung zu. Allerdings nicht beim SWIFT- bzw. TFTP-Abkommen. Dieses dürfe nicht aufgehoben werden, weil es die Balance zwischen Datenschutz und Sicherheit beschreibe, meinte etwa der CDU-Abgeordnete Axel Voss. Auf die Nachfrage von Jan Philipp Albrecht (Grüne), der bemerkte, dass man nicht von einer Balance sprechen könne wenn man es mit dem Bruch von Recht zu tun habe, ging er nicht ein.

Timothy Kirkhope von den GCHQ-Tories nannte die Vorschläge des Berichts unverantwortlich. Man könne nicht wichtige internationale Abkommen aufkündigen, wenn man doch weiterhin Terroranschläge verhindern wolle. Deswegen werde er ebenso wie seine Fraktion gegen den Bericht stimmen.

Asyl für Snowden – Phantomdebatte?

Der Austausch über die vor allem von den Grünen, aber auch von einigen Linken und Sozialdemokraten unterstützte Empfehlung, die Mitgliedstaaten aufzufordern, Edward Snowden Asyl anzubieten, erhitzte sich, als Hubert Pirker von den österreichischen Christdemokraten die Angelegenheit als „Phantomdebatte“ bezeichnete. Ulrike Lunacek von den österreichischen Grünen widersprach, Edward Snowden sei kein Phantom, man müsse seine Leistung anerkennen und seine Rechte schützen. Pirker entgegnete, es sei gar nicht Aufgabe der Politik, über Asylangelegenheiten zu bestimmen, dafür gebe es die Einwanderungsbehörden.

Lunacek erinnerte ihn daran, dass durchaus auch Regierungen die Möglichkeit haben, Schutz zu gewähren. Sophie in’t Veld schloss sich dieser Meinung an und ergänzte, dass auch Zeugenschutz eine Möglichkeit sei. Die niederländische Regierung habe diese Möglichkeit negiert und angekündigt, Snowden unverzüglich an die USA auszuliefern, wenn er auf die Idee komme, in das Land einzureisen. Pirker entgegnete, dass er Snowden nicht empfehlen könne, nach Europa zu kommen, da nicht nur die Niederlande sondern auch alle anderen Staaten Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten hätten. Anschließend diskutierte er auf Nachfrage die Möglichkeit, dass Snowden in den Vereinigten Staaten gefoltert werden würde.

Zuvor hatte bereits der CDU-Abgeordnete Axel Voss behauptet, dass Snowden mit dem Bericht nichts weiter zu tun habe. Es handele sich um ein individuelles Schicksal, wer sich dafür interessiere solle einen anderen Initiativantrag ins Plenum einbringen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

2 Ergänzungen

  1. Man könne nicht wichtige internationale Abkommen aufkündigen, wenn man doch weiterhin Terroranschläge verhindern wolle.
    Er hat „Terror“ gesagt.

    Völlig egal, daß diversen Evaluationen nach der ganze Überwachungswahnsinn für diesen Zweck absolut untauglich ist.

    Das nie belegte, aber seit einem Jahrzehnt immer wieder heruntergebetete „Argument“, man müsse wegen des vermeintlich allgegenwärtigen Terrors überwachen, Bürgerrechte einschränken, etc. pp. wird anscheinend nie alt.

    Alternativen, um terroristischen Bedrohungen zu begegnen, die auf einer Analyse fußen, weshalb überhaupt Menschen Anschläge durchführen, werden noch nicht einmal angedacht.

    Die Abermillionen, die in Überwachungstechnik gesteckt werden, könnten sehr leicht z. B. Hunger- oder Infrastrukturprobleme lösen und damit Brandherde für Verzweiflungstaten überhaupt erst nicht entstehen lassen.

    Doch was rede ich. Der militärisch-industrielle-digitale Komplex will gefüttert werden.

  2. Die EVP hat sich im Ausschuss enthalten, eventuell stimmen sie im Plenum sogar dagegen. Also alles noch recht spannend.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.