Sir Tim Berners-Lee, Erfinder des World Wide Web, sprach letzte Woche mit der Washington Post über Netzneutralität und Überholspuren im Internet. Diese werden nicht nur in den USA, sondern auch in Europa seit Anfang des Jahres heiß diskutiert.
Neelie Kroes schlug im September 2013 eine EU-Verordnung vor, um die Netzneutralität in europaweit zu sichern. Paradoxerweise wollte die niederländische EU-Kommissarin für die Digitale Agenda gleichzeitig Überholspuren (aka Spezialdienste) im Netz legalisieren. Prominente Beispiele sind Spotify-Tarife bei der Telekom, Facebook 0 oder auch Wikiepdia Zero. Im August berichteten wir, dass Wikipedia Deals mit Internetanbietern in Entwicklungsländern abschließt, um Nutzern einen priorisierten, gebührenfreien Zugang zu Wikipedia-Inhalten anzubieten. Die Wikimedia-Stiftung sieht dabei keinen Konflikt mit dem Prinzip der Netzneutralität – obwohl hiermit für viele Nutzer der Internetzugang auf die Inhalte der Internetgiganten begrenzt wird.
In der Washington Post beschrieb Berners-Lee nun den Kern der Debatte ziemlich passend:
Wir brauchen Regeln. Wenn Unternehmen sich hier niederlassen möchten und hier statt in Europa oder Brasilien oder Australien starten wollen – dann schauen sie sich um und gehen sicher: ‚Oh, bleibt der Strom an?‘ Und dann schauen sie sich andere Dinge an: ‚Ist das Internet offen?‘ Werden sie die Internetanbieter effektiv bestechen müssen, um einen neuen Dienst zu starten? So sieht es nämlich von außen aus. Es ist Bestechung.
Und genau das ist der Punkt: Wir brauchen Regeln und diese Regeln gewährleisten ein offenes Internet und sorgen für einen Markt mit gesundem Wettbewerb. Spezialdienste hingegen haben eine langfristige negative Wirkung auf Innovation und Wettbewerb im Netz: Konkurrenten solcher Dienste erreichen potentielle Kunden, die in den Spezialdiensten eingeschlossen sind, einfach nicht mehr. Und auch in Europa stellen sich Start-Ups genau diese Fragen, während Zugangsanbieter die Idee verfestigen wollen, dass Webdienste zusätzlich bezahlen sollten, um ihre Kunden zu erreichen. Das EU-Parlament hatte dies im April erkannt und die problematischen Stellen des Kommissions-Vorschlags behoben. Die Abgeordneten beschlossen, dass Internetanbieter einzelne Dienste nicht zum Schaden anderer Angebote bevorzugen dürfen. Im Moment beraten die Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union über den Verordnungsvorschlag – danach kommt er in zweiter Lesung zurück ins Parlament. Der Kampf für eine EU-weite Sicherung der Netzneutralität ist noch lange nicht gewonnen.
Wenn ich also in einem Versandhaus meine Sachen schneller bekommen möchte, besteche ich es für eine Express-Zustellung?! Na ja, niemand hat behauptet IT-Gurus würden sich mit Marktwirtschaft auskennen.
Steffen, Ihr Vergleich passt nicht. Mit einer Express-Zustellung wird die Warenbereitsstellung im beauftragten Unternehmen beschleunigt, Abfertigung, Verpackung, Versand. Aber : auf der Autobahn fahren dann alle Laster ohne Vorteile.
Und um diese Infrastruktur geht es : Stellen Sie sich vor, die Bundesregierung schlägt Amazon vor, gegen eine feste Pauschale , alleine der linke AB-Spur nutzen zu können. Grotesk ? Genau so ist es aber. Und der Auswirkung ist : Alle anderen werden benachteiligt.
S geht es w irklich nicht.
Nein, bei der Netzneutralität geht um Priorisierungen auf dem Übertragungsweg. Bei der Expresszustellung ebenfalls. Die gesamte Logistikkette ist so abgestimmt, dass meine Ware, da ich mehr bezahle, schneller transportiert wird. Strom und Licht ließen nicht schneller durch die Leitung, ebenso fährt der LKW schneller auf der Autobahn, nur weil er Express-Pakete befördert.
Autobahnen werden vom Bund, also dem Staat, betrieben, Hier gelten selbstverständlich andere Regelungen. Netzinfrastruktur wird in Deutschland aber nicht in nennenswerten Umfang durch den Staat betrieben. Es sind private Anbieter. Und natürlich bekomme ich bei einem Privatunternehmen für mehr Geld auch mehr Leistung.
Und wenn cih eine private, mautpflichtige Autobahn benutze, kann es durchaus sein, dass ich die „Express Lane“ benutzen darf, wenn ich mehr Maut zahle.
So ganz kapier ich das Ganze noch nicht. Abgesehen mal von den im Moment exisitierenden Netzneutralitätsregeln (die ja erstmal nichts mit Wikipedia selbst zu tun haben), wären die nicht könnte im Prinzip doch sowieso jedes beliebiges Telekomunternehmen den Wikipediazugang (oder den Zugang zu irgendwelchen anderen Seiten) umsonst machen ohne Wikipedia überhaupt zu fragen. Oder nicht???? Wieso muss Wikipedia da ein „Programm“ für Firmen wie Orange aufziehen?
Aus dem Wikimedia Blog Eintrag:
Preisfrage: was is teurer für einen Telkom – die Wikipediaverbindungskosten für einige Teilnehmer oder das Gewinnen von (späteren) internetaffinen, wissensorientierten Kunden ohne Wikipedia-Angebot? Und je nach Antwort was bedeutet das für Wikimedia in Hinblick auf die Funktion eines Werbeträgers?