14 Millionen Euro für 76 neue Spähfahrzeuge der Bundes- und Länderpolizeien

Ein BeDoKW bei einem Einsatz anläßlich linker Proteste gegen die Migrationspolitik in Berlin-Kreuzberg.
Ein BeDoKW bei einem Einsatz anläßlich linker Proteste gegen die Migrationspolitik in Berlin-Kreuzberg.

Die Bereitschaftspolizeien der Länder haben 52 neue „Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen“ (BeDoKw) beschafft. Die Fahrzeuge sollen Menschenansammlungen aus der Distanz beobachten und helfen, Personen zu identifizieren, zu verfolgen und herauszugreifen. Alle BeDoKW sind mit einem bis zu 4 Meter hoch ausfahrbaren Kameramast ausgestattet, auf dem eine bewegliche Einheit aus Videokamera mit Zoomfunktion, aber auch ein Richtmikrofon fixiert ist. Der Berliner Innensenat gibt den Stückpreis mit „zirka 179.000 Euro“ an. Die Fahrzeuge auf Basis eines Mercedes-Sprinter werden vom italienischen Rüstungskonzern Finmecchanica bzw. dessen deutschen Ableger Elettronica in Meckenheim gefertigt. „Entdecken, identifizieren und stören“ nennt der Geschäftsführer Gerhard Henselmann die Leistungsmerkmale der Elettronica-Produkte.

Ein BeDoKW soll aktuelle Lageinformationen visuell und akustisch aufzeichnen und computergestützt bearbeiten. Zwei bis drei „Operateure“ sind an einem Arbeitsplatz im Innern der Fahrzeuge entweder für Kamerabedienung, Mastbedienung und Aufzeichnung oder Video- und Bildbearbeitung zuständig.

Technische Austattung „je nach Kundenwunsch“

Die aufbereiteten Daten können an Lagezentren übermittelt werden. Jeder BeDoKW ist zusätzlich mit einem Drucker bestückt, um Bilder von unliebsamen Personen zügig an Polizeikräfte zu übermitteln, gewöhnlich per schnellem Ausdruck eines Fotos. Dann können sie von speziellen Polizeitruppen aus der Menge herausgegriffen werden. Über ein digitales „Führungssystem“ können Einheiten einer „Beweis- und Festnahmeeinheit“ auch mit dem BeDoKW vernetzt werden.

Je nach „Kundenwunsch“ werden die BeDoKW mit „individueller technischer Ausstattung“ nachgerüstet. „Im Besonderen“ liefere Elettronica „innovative Lösungen für die Einsatzprofile „Suche & Peilung“, „Beobachtung und Überwachung“, „Zielverfolgung“ und „Kommunikationsüberwachung“. Die BeDoKW sind mit einem Kommunikationssystem und Data-Links für Mobilfunknetze ausgestattet. Optional können weitere Netzwerkdienste genutzt werden, etwa „Video-Links oder WiFi“. Laut Elettronica werde das Videosignal in HD-Qualität aufgezeichnet. Im Videostream können einzelne Personen markiert werden, eine Software verfolgt diese dann selbständig. Eine ähnliche Funktion hatte ein Fraunhofer-Institut für Bundeswehr-Drohnen entwickelt.

„Verdeckt oder offen geführte Ermittlungen“

Auch Anwendungen zur Fernmeldeaufklärung (COMINT) und Signalerfassung (SIGINT) können eingebaut werden. Damit kann jede funkgebundene Kommunikation abgehört und lokalisiert werden. Auch Sensoren zum Aufspüren von Gasen werden angeboten. Die für die wunschgemäße Ausrüstung der BeDoKW zuständige Partnerfirma Medav schreibt, die Kombination der Fähigkeiten „Sehen“ und „Peilen“ könne bei „verdeckt oder offen geführten Ermittlungen und Einsatzszenarien, z. B. Demonstrationen, Versammlungen sowie Personen- und Objektsuche“ zur Anwendung kommen.

Mittlerweile hat auch die Bundespolizei 24 BeDoKW beschafft, der deutsche Gesamtbestand summiert sich also auf 76 Fahrzeuge. Wie sich diese auf die Bundesländer und die Bundespolizei verteilen, wird aus der Antwort auf ein Ersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz deutlich: Demnach werden für Berlin und Hamburg je vier BeDoKW gekauft, für Bremen zwei. Gemessen an der Bevölkerungsdichte sind die drei Städte damit besonders gut ausgerüstet.

Einwohnerinnen pro Fahrzeug (auch neu bestellte Hochdruck-Wasserwerfer sind eingerechnet). Bild: Devianzen
Aufschlüsselung EinwohnerInnen/ Fahrzeug. Auch die ebenfalls neu bestellten Hochdruck-Wasserwerfer „WaWe10000“ sind eingerechnet. Bild: Devianzen

14 Millionen Euro

Laut dem Bundesinnenministerium hatte eine Bund-Länder-Projektgruppe unter Leitung der Bundespolizei die „technisch-betriebliche Bedarfsbeschreibung“ für die Fahrzeuge erstellt und eine Leistungsbeschreibung mit dem Beschaffungsamt des Ministeriums abgestimmt. Die Beschaffungsmaßnahme sei durch das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern „realisiert“, also finanziert worden. Insgesamt gab der Bund für die neuen Spähfahrzeuge 14 Millionen Euro aus, im Schnitt also etwa 184.210 Euro. Der Berliner Senat gibt die Kosten mit rund 179.000 an. Es könnte also sein, dass sich die Ausrüstung in den einzelnen Bundesländern unterscheidet.

Elettronica spricht von weiteren „kontinuierlichen Bestellungen aus dem zivilen als auch dem wehrtechnischen Bereich“. Ein BeDoKW wurde, obwohl mit der Bundespolizei durch eine zivile Behörde entwickelt, auch auf einer „Hausmesse“ der Bundeswehr vorgestellt. Schwerpunkte der Veranstaltung waren die Themen „Elektronische Aufklärung“, „Kommunikationsaufklärung“ und „Kommunikationsstörung“. Auch auf einer der größten, weltweiten Messe für Polizei, Geheimdienste und Militär wurde der BeDoKW gezeigt.

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5 Ergänzungen

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    1. Die Open-Source Community oder die Freie-Software-Community? Letzt genanntes ist wichtiger als ersteres.

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