Das Thema Netzneutralität ist keineswegs neu und doch ist es in Deutschland zur Zeit heiß diskutiert. Grund sind die Ankündigungen der Deutschen Telekom ab dem Jahr 2016 die Internetgeschwindigkeit ab einem gewissen Volumen, das vom Kunden verbraucht wurde, zu drosseln, bestimmte Dienste gegen Zahlung aber von dieser Drosselung auszunehmen. Dieses Vorgehen verstößt gegen die Netzneutralität, da es den Unternehmen die zu einer Zahlung bereit sind einen Wettbewerbsvorteil gegen andere Unternehmen verschafft, welche keine Zahlungen an die Deutsche Telekom leisten (ein aktuelles Video zu dem Thema findet hier). Solche Zahlungen von Unternehmen an die Internetprovider scheinen jedoch in den USA schon seit Längerem bewährte Praxis zu sein, wie das Wall Street Journal berichtet.
Verschiedene große Internetunternehmen, darunter Google, Microsoft und Facebook, sollen demnach regelmäßig Zahlungen an die amerikanischen Internetprovider überweisen um einen schnellen Zugang zu ihren Internetdiensten zu gewährleisten. Unternehmen die schnelle Verbindungen zu ihren Diensten haben wollen sind scheinbar auf diese Zahlungen angewiesen, wie auch das Beispiel Netflix zeigt:
Netflix Inc.,though, has held out—so far. For a year it has been trying to directly connect specialized technology to the networks of broadband providers as a way to improve the quality of its video streaming, avoiding the stops and sputters common to Web video. But some of the biggest U.S. cable and phone companies have asked Netflix to pay for that access.
Nach Meinung der Federal Communications Commission (FCC) ist diese Praxis in den USA dabei keineswegs illegal. Wichtig hierfür sei, dass die „letzte Meile“, also das letzte Stück der Internetleitung von den Provider zu den Nutzern, durch jene Zahlung unangetastet bliebe. Die Unternehmen würde einzig für eine direkte Anbindung ihrer Server an die jeweiligen Provider zahlen, was nach Ansicht der FCC auch die Netzneutralität verstößt.
Once inside the broadband providers‘ networks, however, all content faces the same traffic travails along the last miles of pipe connected to homes.
Dennoch scheint die FCC Bedenken zu haben, besonders kleinere Start-Ups zu benachteiligen:
If broadband access providers require payment from Web publishers, the FCC warned in a court filing last fall, it will „increase barriers to entry of new services and would make it more difficult to attract the necessary financing for startup Internet ventures. The next Google or Facebook might never begin,“ the commission said in the filing, responding to a pending Verizon lawsuit that challenges the regulator’s „open Internet“ rules.
Die großen Internetprovider in den USA sehen ebenfalls nicht anstößiges in den Zahlungen. Sie berufen sich darauf, dass sie die Einzigen seien die die Kosten für den Netzausbau tragen würden. Die Unternehmen daran zu beteiligen sei nur fair. Besonders da der gesamte Traffic im Internet immer weiter zunimmt, besonders durch das Streamen von Videos. So gibt einerseits Cisco an, dass sich bis zum Jahr 2017 die Übertragungsmenge von Videos verdoppeln werde. Und andererseits sagt der Internetprovider Comcast, dass sie jedes Jahr einen Zuwachs von 55% an Traffic in ihren Leitungen verzeichnen würden.
Über die Höhe der Zahlungen gibt es keine genauen Informationen. Comcast gibt lediglich an jährlich insgesamt 25 bis 30 Millionen US-Doller von den Unternehmen zu erhalten. Time Warner Cable spricht nur von einem zweistelligen Millionenbetrag. Keines der Unternehmen, weder Diensteanbieter noch Internetprovider, waren zu einer Stellungnahme bereit.
Ob diese Zahlungen tatsächlich notwendig sind um den Betrieb großer Internetdienste wie Youtube zu gewährleisten lässt sich von außen nicht beurteilen. Microsoft gibt jedoch an, auf die Zahlungen angewiesen zu sein:
If Microsoft stopped paying Comcast „tomorrow,“ said a person familiar with the matter, its Web performance would „go downhill and the pages wouldn’t load as fast.“
Die Frage ist wie man aus diesem Dilemma herauskommt. Solange die großen Unternehmen bereit sind zu Zahlen und die Provider die Zahlungen dankend annehmend wird sich sicherlich nicht so schnell etwas ändern. Es sind einfach diese großen Unternehmen die den Markt beherrschen. Und solange auch kleinere Dienste nicht komplett vom Internet abgeschnitten werden oder schlicht nicht mehr nutzbar sind, werden auch diese sich nicht beschweren. Vielleicht muss es erst zum großen Knall kommen bis die Politik reagiert.
Was ist da genau der Unterschied zu einem Transit-Dienst? Wenn ich eine Glasfaserstrippe nehme und zu einem Knoten des Backbones der Telekom trage und die Telekom dafür bezahle, dass sie meine Strippe bei sich einstöpselt und Daten draufroutet, wäre das ein Verstoß gegen die Netzneutralität? Schließlich habe ich ja dadurch eine schnellere Anbindung an die Telekom-User als meine Konkurrenz.
Wenn ich eine Leitung mit einem bestimmten Service anmiete, dann erwarte ich auch deren Einhaltung. Sprich, ich miete eine Leitung mit einer Flatrate, dann will ich auch diese Flatrate so nutzen wie ich eswill und nicht wie der Anbieter es will! Das ist Netzneutralität! Der Vermieter deiner Wohnung kommt ja auch nicht zu Dir und sagt: „Sie haben zwar eine Miete bezahlt, aber ich sage wie lange Sie sich in der Wohnung aufhalten dürfen.“
Hat also nix damit zu tun ob eine Firma oder auch Du eine dickere Leitung anmieten will.
Ich habe das ja auch aus der Perspektive des Inhalteanbieters betrachtet, nicht aus der Seite des Surfers.
Wenn ich als Inhalteanbieter (Google, Facebook, Youtube) beispielsweise die Telekom dafür bezahle, dass sie bei ihrem Backbone meine Strippe einstöpseln und Daten drüberrouten, kannst du deine Flatrate nach wie vor nutzen wie du willst. Du hast zu mir einen schnellere Verbindung als zu meiner Konkurrenz. Nicht weil ich die Telekom dafür bezahle, dass sie meine Pakete bevorzugt behandelt, sondern weil ich die Telekom dafür bezahle, dass ich eine extra Strippe bei ihnen haben darf.
Interessant wird es dann, wenn ich diese Strippe nicht selbst zum Telekom-Backbone trage, sondern eine Strippe der Telekom miete, womöglich nur in Form von garantierter Bandbreite im bestehenden Netz der Telekom zwischen mir und dem Backbone-Einstieg.
Ab wann ist da die Netzneutralität verletzt?
Die Netzneutralität wir in jedem von dir beschriebenen Fall verletzt. Die Netzneutralität gilt nicht nur aus Sicht des Surfers sondern auch aus Sicht der Anbieter. (eigentlich)
Alle Daten werden über alle Teile des Internet mit gleicher Priorität weitergeleitet. Wird es für die Anbieter, an einem Backbone zu „eng“, dann wird es Zeit ein eigenen Backbone zu bauen, der die bestehende Backbones entlastet . Das Netz ist beliebig erweiterbar. Oder wie Google das macht, eigenes Netz aufbauen und selber zum Provider werden.
Und wie soll dieser große Knall aussehen, auf den die Politik dann reagiert? Die ISPs und großen Contentprovider sind sich einig dass gezahlt wird und das war’s. Irgendwelche kleinen Internetbuden gehen dann zwar den Bach runter, aber wer interessiert sich für die? Dass aus einigen der kleinen Buden mal große geworden wären, weiß ja keiner.
Durch die Zahlungen wird einfach nur der Status Quo zementiert. Aber der Status Quo ist kein großer Knall.
Letztlich bezieht sich die gesamte Problematik doch nur auf Streaming- und Cloud-Dienste. Wer so einen Dienst auf die Beine stellen will, kann keine kleine Bude mehr sein. Dazu gehört dann halt auch, dass man Zahlungen an die ISP mit einkalkuliert. Durch den Wettbewerb im Endkundengeschäft werden diese Einnahmen auch weitergegeben werden müssen.
So lange die netze in Hand von kapitalistischen Unternehmen sind, wird sich das immer so biegen, dass der der Zahlt, Vorzug hat. Einziger Ausweg: Eigenes Netz. Wie sowas gehen kann zeigt Google Loon oder Programmiert ein P2P System indem sich Smartphones untereinander verbinden und so ein Netz bilden. Einen anderen Ausweg sehe ich da nicht. Man kann menschliche Gier nur mit technologie schlagen.
Ich verstehe immer noch nicht, warum ihr euch da so aufregt. Die Content-Anbieter zahlen die großen Provider dafür, dass die Provider ihnen erlauben, sich direkt mit dicker Leitung an die Netze der Provider anstöpseln zu dürfen. Das nennt man Transit. Eenn dabei nicht gezahlt wird heißt es Peering.
Die Netzneutralität ist nicht verletzt. Im verlinkten Artikel steht:
Wo ist da das Problem?
Es geht doch jetzt vielmehr darum, genau zu definieren, wann die Netzneutralität verletzt ist und wann nicht.
Es geht jetzt die Sorge um, das ein kleines Startup, was einen datenintensiven Dienst entwickeln will, nie vom Boden hochkommt, weil sie eben keine solche Leitung von ihrem Netz aus zu den Providern legen können. Aber was ist, wenn es einen Hoster gibt, der so eine Leitung hat? Bei dem könnte das Startup seine Server aufstellen. Was ist, wenn der Hoster nur Premium-Kunden über diese schnelle direkte Leitung routet und Standard-Kunden über Umweg?
Eine Gefahr sehe ich noch, dass es mit P2P schwieriger werden wird, da es vielleicht irgendwann so sein wird, dass alle Content-Provider und Hosting-Dienstleister dicke Leitungen zu den Access-Providern haben, die Access-Provider untereinander aber nicht. Das würde bedeuten, dass alles, was P2P ist, also auch Videotelefonie schlechter geht, zumindest, wenn es providerübergreifend ist. Nicht weil irgendwas gedrosselt wird, sondern weil die Infrastruktur für diesen Verkehr schlecht ist.