GHCQ: Namen der kooperierenden Telekommunikationsfirmen veröffentlicht

Die neue GCHQ-Zentrale in Cheltenham, Gloucestershire. CC BY-SA 2.0, via flickr/UK Ministry of Defence
GCHQ-aerial
Quelle: wikipedia

Edward Snowden sagte bereits zur Veröffentlichung des Überwachungsprogramms Tempora des britischen Geheimdienstes GHCQ, dass die Briten „schlimmer seien als die USA“. Was er damit meinte, kommt nun langsam ans Licht. Erst gestern veröffentlichte der Guardian neue Informationen, die belegen, dass der amerikanische Geheimdienste NSA Zahlungen an den GHCQ leistet und sich bestimmte Dienste erkauft. Heute berichten der NDR und die Süddeutsche Zeitung übereinstimmend über die enge Zusammenarbeit zwischen dem GCHQ und privaten Telekommunikationsunternehmen.

Demnach arbeitet der GCHQ mit sieben großen Telekommunikationsunternehmen zusammen, wie aus geheimen Dokumenten hervorgeht, die der NDR und die Süddeutsche Zeitung einsehen konnten. Der NDR schreibt:

Das Dokument, bei dem es sich um eine interne Präsentation aus dem Jahr 2009 handelt, nennt neben den internationalen Telekommunikationsunternehmen British Telecom, Verizon und Vodafone auch die Netzwerkbetreiber Level 3, Global Crossing (inzwischen von Level 3 gekauft), Interoute und Viatel als Schlüsselpartner der GCHQ.


Die genannten Unternehmen gehören zu den wichtigsten Betreibern des globalen Internets. Sie sind im Besitz von einem Großteil der weltweit verlaufenden Glasfaserkabel und Unterseekabel und betreiben ihre eigenen Backbones, die als Rückgrat des Internets dienen. Die Firmen Level 3, Interoute und Global Crossing betreiben auch Hardware in Deutschland, womit das GCHQ auch Zugriff auf Internetverkehr in Deutschland hat.

Wie der NDR berichtet, ging die Kooperation zwischen dem britischen Geheimdienst und den Telekommunikationsunternehmen aber sogar über den reinen Zugang zu den Netzen hinaus:

Einige der Firmen sollen eigens Computerprogramme entwickelt haben, um den GCHQ das Abfangen der Daten in ihren Netzen zu ermöglichen. Ihren Abhör-Rundum-Service hätten sich die Firmen dann von dem Geheimdienst bezahlen lassen. Das hieße, das GCHQ also einen Teil seiner Schnüffelarbeit faktisch an private Unternehmen überträgt, die dann wiederum gegen Geld ihre eigenen Kunden bespitzeln.

Die Telekommunikationsunternehmen äußern sich zu diesen Vorwürfen nur sehr spärlich. Lediglich das Unternehmen Viatel widerspricht laut der Süddeutschen Zeitung „Zugang zu Infrastruktur oder zu Kundendaten“ preisgegeben zu haben. Interoute antwortete auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung beispielsweise:

Wie alle Telekommunikations-Anbieter in Europa sind wir verpflichtet, die europäischen und nationalen Rechte einschließlich solcher zu Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung zu erfüllen. Von Zeit zu Zeit erhalten wir Anfragen von Behörden, die durch unsere Rechts- und Sicherheitsabteilungen geprüft und wenn sie rechtlich einwandfrei sind, entsprechend bearbeitet werden.

Auch die restlichen Unternehmen berufen sich darauf, nach Recht und Gesetz zu handeln. Vodafone gab darüber hinaus an, dass „Fragen der nationalen Sicherheit eine Angelegenheit der Regierungen, nicht der Telekommunikationsunternehmen“ seien. British Telecom äußerte sich zu den Vorwürfen gar nicht, wie auch schon vor rund einem Monat als bekannt wurde, dass das von British Telecom betriebene Unterseekabel TAT-14 vom GCHQ angezapft wird.

Neben den Kooperationen mit den Privatunternehmenm enthalten die Dokumente ebenso Einblicke in der generellen Methoden des GCHQ und sein Selbstverständnis mit dem diese umgesetzt werden:

Trojanersoftware, gezielte Desinformation der Gegner, Eindringen in Netzwerke – das ganze Programm zum virtuellen „Schutz der nationalen Sicherheit“.

Zum ersten Mal scheinen die Dokumente nun auch zu belegen, dass der britische Geheimdienst scheinbar auch Wirtschaftsspionage betrieben hat, wie der NDR berichtet:

Gleichzeitig solle der Dienst sich laut der Snowden-Unterlagen ausdrücklich auch für das „wirtschaftliche Wohlergehen“ des Landes einzusetzen – bei vollem Zugriff auf den Datenverkehr theoretisch ein Freibrief zur Wirtschaftsspionage.

Nach den Enthüllungen des gestrigen Tages, dass die NSA sich die Dienste des GCHQ erkauft, dürfte auch klar sein, dass das GCHQ nicht alleiniger Nutznießer dieser Kooperation mit den Telekommunikationsunternehmen ist. Es ist stark davon auszugehen, dass die gewonnen Daten mit anderen Geheimdiensten geteilt werden. Die Süddeutsche fast die Entwicklung treffend zusammen:

Nun scheint eine neue Stufe erreicht zu sein. Aus der gemeinsamen Überwachung ist die totale Überwachung geworden.

4 Ergänzungen

  1. Mhhh, wie sieht das eigentlich aus mit dem EU-Recht? Darf ein EU Staat (GB) solche massnahmen überhaubt durchführen? Nationales Recht der Britten mag das zwar erlauben (eventuel auch nicht) aber mit den EU-Verträgen sieht das bestimmt anders aus da ja hier massiv Interressen dritter Staaten und des Binnenmarkts beeinträchtigt sind.

    1. Naja, laut EU-Verträgen darf man aber auch nicht beim Beitritt schummeln oder die Richtlinie zur Neuverschuldung überschreiten.

      Mein Lieblingszitat kommt vom BND: „Wir nutzen XKeyscore nicht, wir testen es derzeit und probieren es nur aus.“ Ich habe mich dabei gefragt, ob ich abends um 20 Uhr in der Bank mit der AK-47 im Anschlag nach meiner Verhaftung auch sagen kann: „Ich nutze die AK47 nicht für einen Banküberfall, ich teste sie derzeit nur und probiere es mal aus.“ – Wohl kaum.

      Gesetze sind dazu da, dass sie von den Bürgern eingehalten werden. Die Politik und Organe des Staates haben da scheinbar eine andere Sicht auf die Dinge.

  2. Gegenseitige Spionage, selbstverständlich auch Wirtschaftsspionage, wird in breiten Kreisen als Garant für kriegsfreie Beziehungen gesehen.
    Unter der Anerkennung dessen – dass in einer Ökonomie, die sich als streng hierarchisch und kämpferisch (wenn nicht gar kriegerisch) kompetitiv versteht, ein offener und gleichberechtigter Umgang, zum Vorteil aller, je unwahrscheinlicher ist, je mehr Vorteil und je weniger Nachteil ein Umgehen der oberflächlichen Verhaltensmaxime bietet – erscheint es folgerichtig, dass, um offene (nicht mehr zeitgemäße) militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden, die Handlungsebenenen verschoben werden.
    Kurz gesagt – solange es nicht der allgemeinen Erzählung von Handlungsmaximen entspricht, dem wirtschaftlichen Gegner die Vorteile zu nehmen, in dem man seine Belegschaft tötet und sich seinen Boden aneignet – und solange (das ist nicht nur nebenrelevant) man ökonomisches nicht als kooperativ soziales begreift (also dem eingentlichen Nutzen für Menschen unterstellt), sondern lediglich als Ausbeutungsmoment zum Nutzen einzelner oder einzelner Gruppen – solange MUSS man den kriegerischen Konflikt um ökonomische Ressourcen als Normalfall betrachten.

    Selbst wenn dies nicht die offizielle Maxime der weltweiten Wirtschaftsverbände zu sein scheint – dies ist die Basis des vermeintlichen Friedens.
    Ein Frieden unter Wirtschaftsverbänden und ökonomischen Gruppierungen. Oder sagen wir, eine Vereinbarung keine Kriegswaffen zu nutzen. Eine Vereinbarung keinerlei geopferte zu erzeugen ist dies in keinem Fall.

    Ehrlich gesagt, die obigen Konflikte sind nicht meine, ich will nicht als konsumistisches Objekt, als Mehrwertbeschaffer für andere, nicht als Datenabschöpfquelle, nicht als bewusstloses, steuerbares Objekt gesehen sein.
    Ich habe keinerlei Vorteile, ausschließlich Nachteile durch eine Ökonomie die diese Erde zerstört und die Grundlagen unseres Lebens. Ich will nicht durch intelligente Propaganda gesteuert werden und wie blöde dastehen, wenn ich mal wieder keinerlei Einfluss auf mein Leben habe – ohne etwas mit anderen dagegen unternehmen zu können.
    Ich will nicht mit einer Welt umgehen müssen, in der ständig Waren hergestellt werden um Waren herzustellen, in der Menschen ihr Brot und Wasser entzogen wird, damit die Marktposition einer Produktion sich verbessert. Ich kann jeder und jede sein. Hier dort, woanders. Wenn ich jemandem die Lebensgrundlage nehme, kann ‚ich‘ ebenso ‚jemand‘ sein. Diese Kriege, deren Opfer ausschließlich die geopferten sind, müssen endlich ein Ende haben.

    Wenn sich, wie in gegebenen Fällen, und da ist sicher keine Regierung eines Landes ausgeschlossen, die über die technischen Mittel und Umsetzungsmöglichkeiten verfügen, unsere Repräsentanzen großenteils als Lobby und wesentlicher, grundlegender Teil einer kriegerisch konkurrenten Ökonomie aufführen, handeln sie in einem Sinn sicher nicht: In unserem.

  3. Mal einen Dank an die unermüdliche Redaktion von Netzpolitik.org, ohne euch würde ich irgendwann extrem uninformiert sterben.

    Es hat sich im Artikel aber ein Buchstabendreher bei der Abkürzung eingeschlichen: [G]overnment [C]ommunications [H]ead[q]uarters, nicht GHCQ

    Grüße

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.