EU-Studie über Massenüberwachung in den Mitgliedsstaaten

In der Studie National programmes for mass surveillance of personal data in EU Member States and the compatibility with EU law für das LIBE-Komittee (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) des Europaparlaments wird die Präsenz von Massenüberwachung in Großbritannien, Schweden, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden unter die Lupe genommen. Über den Ausschuss hatten wir auch schon im Zusammenhang mit den Anhörungen im Untersuchungsausschuss zum NSA-Skandal und der EU-Datenschutzreform berichtet.

Der Bericht macht deutlich, dass Überwachung nicht nur gegenüber Datenschutzbestimmungen abgewogen werden muss, sondern im Gesamtzusammenhang bürgerlicher Freiheiten und Demokratie. Unter dieser Prämisse werden die Geheimdienstprogramme der fünf Länder untersucht. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in allen der Länder außer den Niederlanden weitreichende Abhörung durch Geheimdienste bekannt ist; Deutschland, Frankreich und Schweden sind aber den Kapazitäten und Möglichkeiten von Großbritanniens GCHQ oder auch den amerikanischen Geheimdiensten deutlich unterlegen. Es wird auch auf eine intensive Verflechtung verschiedener europäischer Geheimdienste untereinander und mit den USA hingewiesen. Das erschwert eine rechtliche Überprüfung und eine Rechtsaufsicht noch weiter, die sowieso schon durch mangelnde Kapazitäten und Regelungen voller Uneindeutigkeiten und Schlupflöcher geschwächt ist.

Aus diesen konkreten Untersuchungen formulieren die Autoren zwei Kernfragen:

  1. Was bzw. wer ist das eigentliche Ziel der ganzen Überwachungsmaschinerie?
  2. Wie werden die Daten gesammelt, verarbeitet, gefiltert und analysiert?

Als Konsequenz aus der Situation fordert die Studie die EU dazu auf, nicht untätig zu bleiben. Auch wenn Geheimdienstaktivitäten in nationaler Hand liegen, habe die EU immer noch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte, die für alle verbindlich seien. Es folgen neun konkrete Handlungsvorschläge für den LIBE-Ausschuss:

  1. Verlangen einer Erklärung von den USA und Prüfung der weitere Zusammenarbeit (z.B. Aussetzung der Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen)
  2. Ein Gesetzesrahmen für die transnationale Handhabung des Zugriffs auf europäische Daten
  3. Prüfung von Internetrouting durch vorwiegend europäische Staaten und einer European Privacy Cloud
  4. Sicherstellung, dass Kernpunkte der geplanten Datenschutzverordnung in den Verhandlungen mit dem Europäischen Rat verteidigt werden (wie z.B. Regelungen zur Weitergabe von Daten an Dritte)
  5. Bessere Richtlinien, um eine effektive Untersuchung von Geheimdienstenthüllungen zu ermöglichen
  6. Konsequente Durchsetzung der Minimalstandards aus der Europäischen Menschenrechtskonvention
  7. Effektivere Prüfung und Überwachung der EU Home-Affairs-Behörden hinsichtlich Sicherheit und Informationsaustausch
  8. Prüfung des Schutzes von Whistleblowern auf EU-Ebene
  9. Fortführung der Untersuchungen über Massenüberwachung in den Mitgliedsstaaten.

Die Studie erkennt die Bedeutung einer wirksamen Regulierung und Einschränkung der Ausspäh- und Überwachungsapparate und appelliert an die EU, tätig zu werden. Hoffen wir, der LIBE-Ausschuss zieht geeignete Konsequenzen, denn, wie ein Satz aus der Einleitung es auf den Punkt bringt:

Es ist der Zweck und das Ausmaß von Überwachung, die den Kern dessen ausmachen, was demokratische Regierungen von Polizeistaaten unterscheidet.

 

 

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2 Ergänzungen

  1. Wichtige Studie, wichtige Bürgerrechte, wichtiges Europaparlament. Gerade in Hinblick auf die anstehende Europawahl wichtig zu verstehen.
    „Nicht Brüssel ist “böse”, die Regierungen der 28 EU-Staaten spielen falsch. Je nationaler sie denken und handeln, desto weniger geht in der EU.“ (http://lostineu.eu/kopf-stinkt/)

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