Im Protokoll verfangen

Gestern war ich zum Datenschutzdialog beim Innenminister Thomas de Maizière geladen. Und noch einige Menschen mehr: zwei Professoren, Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club, Patrick Breyer vom AK Vorrat, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und dann noch diverse Institutionen- und Verbandsvertreter.

De Maizière hatte gleich zu Beginn der Veranstaltung gesagt, man würde nun vom Netz lernen wollen und daher auch solch ein „für das BMI“ neues Format ausprobieren. Nehmen wir einmal an, der Bundesinnenminister wollte das wirklich. Und er wollte ernsthaft über Datenschutz im Internet diskutieren. Dann lief das weitgehend schief. Wenn ein Minister lädt, kommen nämlich nicht die Fachleute. Sondern die Vorstände. Das nennt man Protokoll – Minister reden in der Regel nicht auf Fachebene, und Vorstände wollen gerne mit Ministern reden.

Bitkom hatte statt seines Präsidenten (der stand ursprünglich auf der Liste), immerhin seinen Geschäftsführer geschickt, eine ganz gute Wahl aus fachlicher Sicht. Ein tolles Beispiel für dieses Problem aber war das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: dessen Präsident redete von organisierter Internetkriminalität. Die soll zwar auch noch Thema in einem der nächsten Dialoge des BMI sein. Aber dieses mal ging es um Datenschutz und Datensicherheit, über die Michael Hange kein Wort verlor.

Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband redete von Virenscannern, Autos, Datenladendiebstahlsmentalität und Nutzern, die es mit dem Urheberrecht ja auch nicht so genau nehmen. Und Michael Rotert vom Internetverband Eco sprach eigentlich auch nie von Datenschutz. Dafür von Netzneutralität – die Provider hätten kein Interesse daran, diese abzuschaffen. Abgesehen von Ausnahmen. Da kann man die Stirn gar so viel in Falten legen, wie man möchte. Sie würde eine Hexentreppe.

Thomas de Maizière kann einem leid tun. Wenn er wirklich in einen Dialog eintreten will, muss er vom Internet nämlich noch etwas lernen: formaler Status ist irrelevant. Wenn er als Minister ernsthaft in die Diskussion um Datenschutz im Internet und andere Fragen einsteigen will, muss er seinen Ministerposten vergessen. Und sich mit denen unterhalten, die Verstand statt Vorstand mitbringen.

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28 Ergänzungen

  1. Jojo, wo ich Urheberrecht gelesen hab wusste ich schon worum es geht…

    „Blabla, ja, wir haben doch mit der Netzgemeinde gesprochen und die neuen Gesetze und so haben ja auch deren Wünsche/Vorstellungen berücksichtigt. Die neuen Gesetze sind notwendig damit die armen Verwerter nicht pleite gehen, das verstehen sie doch alle. Ausserdem gehts gegen Terrorismus und Kinderpornographie, blabla…“

    Ich denke es kommt wie befürchtet: Scheineinladung für nette Bilder mit hübschem Grinsen.

  2. Danke für deinen Einsatz und das Berichten, hier und per twitter!
    Sollte von dem Dialog nicht auch ein Video online gestellt werden? Hat jemand einen Link dazu oder kommt noch einer?

  3. Bin auch eher skeptisch was das Ergebniss angeht.

    Trotzdem: Die Teilnahme war richtig und wichtig!

    Bin gespannt was es da noch so für Reaktionen und Ankündigungen im Zusammenhang mit der Konferenz geben wird… An denen kann man ja die „Fahrtrichtung“ ablesen.

  4. „Wenn er als Minister ernsthaft in die Diskussion um Datenschutz im Internet und andere Fragen einsteigen will,“ — dann muß er ins Internet kommen. Ganz einfach.

    Ei wo isser denn?

    Gruß, Frosch

  5. Auch diesem Post kann ich leider nicht zustimmen, wie in letzter Zeit häufiger bei netzpolitik. Wenn man einläd, lädt man doch logischerweise die ranghöchsten Leute ein, die man bekommen kann. Denn im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass dies die kompetentesten Leute sind und auch die Leute, die dann Entscheidungen anstoßen könnten.
    Natürlich kommt es vor, dass Vorstände ausschweifen und fachlich nicht so versiert sind, aber wer garantiert dir denn, dass das auf Abteilungsleiterebene anders ist? Und noch viel gravierender, woher soll de Maiziere denn wissen, wer von eco jetzt der beste Ansprechpartner wäre? Da kann man dann höchsten von eco sich wünschen, dass sie jemanden anders schicken, so wie es Bitkom getan hat.

    Im übrigen versteh ich die Äußerungen auch nicht so ganz in der Hinsicht, dass du dich selbst diskreditierst wenn du als Teilnehmer sagst, man sollte \Verstand statt Vorstand\ einladen. Verstand war also nicht anwesend – Aha, interessant…

    1. @Dirk: Ich teile nicht die Meinung, dass die ranghöchsten Personen in einer Organisation auch die kompetentesten sind. Bei dem Dialog gestern konnte man gut beobachten, dass dies in der Realität nicht zutrifft.

    2. @Dirk (8): ranghöchst = kompetentest – das fände ich toll! Wo kann ich dafür spenden?

      Aber Du hast schon auch recht – wen soll er denn einladen? Medienwirksam. Ohne daß sich wichtige(re) Freunde auf den Schlips getreten fühlen.

      @markus: sehr gut, hingehen, nett sein, Meinung sagen und nicht einlullen lassen.

  6. Stimme Markus auch hier zu.

    Wenn man danach geht müsste ja Frau Merkel in der Politik in ALLEN Bereichen die höchste Kompetenz vorweisen, denn sie ist ja die Kanzlerin.

    Und ich glaube nicht das in Firmen die „Chefs“ kompetenter sind als alle „Untergebenen“. Vorstände, Manager, Geschäftsführer haben zwar wichtige Aufgaben, aber das ein Filialleiter einer Bank kompetenter ist im Bereich EDV als ein EDV-Angestellter wage ich zu beweifeln, auch wenn es natürlich Ausnahmen geben wird.

    Was ich sagen will: Chefs usw haben viele Kompetenzen, aber nicht in allen Bereichen und nicht zwangsläufig mehr als andere Angestellte.

  7. Meiner Zählung nach waren es vier Professoren (zumindest laut offizieller Teilnehmerliste). Wie haben die sich denn geschlagen??

    1. @Jens: Unterschiedlich. Prof. Holznagel erzählte irgendwann, dass seine Studenten nichts mehr von Datenschutz halten und es ihnen egal sei, welche Daten von ihnen im Netz kursieren, weil sie ja alles selbst eingegeben hatten. Fand ich eine merkwürdige Bemerkung. Ein anderer Professor war der Moderator. Prof. Rotert hab ich oben genannt. Seine Aussage zu Netzneutralität fand ich spannend, wenn auch nicht zum Thema passend. Aber wenn diese in der Videoaufzeichnung auftaucht, kann man dies sicherlich noch mal in der Netzneutralitätsdiskussion verwenden, um den Einsatz von Deep-Packet-Inspection durch deutsche ISPs zu beleuchten. Aber zu Datenschutz hat er nicht viel gesagt.

  8. Man ist enttäuscht, aber nicht überrascht.

    Zum Thema Kompetenz-Kompetenz: Es ist in verschiedenen Lebensbereichen immer wieder zu beobachten: Die Entscheider haben leider viel zu wenig Sachverstand. Da es um ein Orientierungstreffen ging (niemand hat wohl verbindliche Aussagen erwartet), kann es nur von Weisheit zeugen, wenn eine Institution den inhaltlich kompetentesten, nicht den hierarchisch wichtigsten Mitarbeiter entsendet.
    Niemand erwartet omnipotentes Wissen von einem Manager, wohl aber das Gespür für Personalfragen.

  9. Wie hätte es denn anders kommen sollen? Ein solches Gespräch zwischen Politikern, Vorständen und Geschäftsführern endet immer in einem medienwirksamen Spektakel, das innerhalb weniger Tage wieder in der Versenkung verschwunden ist. Vielleicht sollte man sich lieber darüber Gedanken machen, anstatt sich über die „Ergebnisse“ zu wundern.

  10. Ihr redet so häufig negativ. Wie wäre für euch denn ein Ergebnis gewesen, das gut und richtig gewesen wäre.

    Wie sollten die Politiker über das Internet denken. Wie sollte es ihnen näher gebracht werden?

  11. Habe auch nicht wirklich was erwartet, aber so ganz ergebnislos scheint es ja nicht gewesen zu sein.

    Und das der eine Professor gesagt hat, dass Datenschutz ja egal ist, weil die Studenten die Daten freiwillig eingegeben hatten ist ja wohl ein Witz oder? Was ist denn wenn man als Schüler irgendwo irgendeinen scheiß unter seinem echten Namen ablässt, dann aber mit der Zeit (z.B. bei Bewerbungen) merkt, dass es doch nicht so eine gute Idee war? Datenschutz bedeutet auch, dass man selbst Herr über seine Daten ist.

  12. @Dirk:

    Wenn du ernsthaft meinst das die kompetentesten Leute ganz oben sitzen dann solltest du dringend etwas Realität schnuppern. Ab einer gewissen Hirachie-Stufe würde ich eher vom Gegenteil sprechen, ganz besonders im IT Sektor.

  13. @16 (gunnar):

    es hätte vielleicht über den austausch von allgemeinplätzen hinaus und mehr um das verabredete thema „datenschutz“ gehen sollen. und ein ergebnisoffenes, kompetentes fachgespräch wäre vermutlich auch nicht schlecht gewesen.

    .~.

  14. Meiner Erfahrung nach findet man in großen Organisationen häufig ab einer bestimmten Position eher Leute, die sich auf Ihre Karriere konzentrieren als aufs Fachliche.

    Dass der BIM versucht, das Gespräch aufzunehmen, ist löblich. Genau das ist seine Aufgabe. Dass Verständnis nichts ist, was spontan entsteht, ist klar.

    Ich bin gespannt, ob sich hier ein Dialog entwickeln lässt -der Anfang ist gemacht, wenn auch nicht mehr als ein Anfang.

    VB.

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