Am Montag findet in Potsdam der erste „IT-Gipfel“ der Bundesregierung statt. Nach der Zivilgesellschaft hatten auch die Grüne Bundestagsfraktion und die mittelständische Wirtschaft den Gipfel kritisiert, der sehr abgeschottet und nur unter Beteiligung großer Firmen vorbereitet wurde und wohl auch durchgeführt wird. Nun hat sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in den anschwellenden Chor der Kritiker eingereiht:
Schaar übte scharfe Kritik an dem am Montag in Potsdam stattfindenden IT-Gipfel, an dem Datenschutzbeauftragte seines Wissens nicht beteiligt seien. Die Frage der Wahrung von Bürgerrechten in der Informationsgesellschaft scheine dort „keine wichtige Rolle zu spielen“, sagte Schaar. Dabei müsse auf dem Gipfel darüber diskutiert werden, wie „die Informationsgesellschaft demokratisch gestaltet und verhindert werden kann, dass sie zu einer elektronischen Überwachungsgesellschaft wird“. Ferner müsse auch die Stärkung der Betroffenenrechte thematisiert werden.
Auf unseren offenen Brief an Angela Merkel haben wir übrigens bis heute keine Antwort erhalten.
Update: Der heutige Video-Podcast von Merkel befasst sich mit dem IT-Gipfel. Man bekommt einen ersten Eindruck, was dort am Montag beschlossen werden soll. Kurz gesagt, es ist zum Heulen:
Zur Vorbereitung dieses IT-Gipfels haben bereits Arbeitsgruppen getagt, und sie haben sehr konkrete Resultate erarbeitet: Wir werden eine Qualitätsoffensive für Call-Center starten, um Nutzer besser zu informieren. Wir werden beschleunigt daran gehen, die Barcodes auf Produkten in Supermärkten durch Radiochips zu ersetzen. Und wir werden eine neue Suchmaschine entwickeln, damit auch Deutschland hier besser an die Spitze kommt.
Was kriegen wir also? „Bessere“ Call-Center-Warteschleifen, Schnüffelchips für alle, und eine Suchmaschine, die von einer unfähigen Firma entwickelt werden soll, die den Zuschlag in einer nicht-öffentlichen Ausschreibung bekommen hatte.
Update (von Markus):
Passend zur Nicht-Beteiligung der Zivilgesellschaft dieses Zitat aus dem Podcast:
“Wir müssen in den einzelnen Bereichen dafür sorgen, dass auch die rechtlichen Bedingungen so stimmig sind, dass Nutzer und Entwickler, dass Politiker und diejenigen, die ein Interesse an neuen Produkten haben, die richtigen Rahmenbedingungen vorfinden. Das können wir nur schaffen, wenn wir miteinander im Gespräch sind.”
Halleluja.
Ja, es ist zum Heulen.
Andererseits erfreut es mich immer wieder, wenn sich Spitzenpolitiker als komplett ahnungslose Marionetten selbst-darstellen.
Halleluja. Christdemokratische Netzpolitik….
Passend zur Nicht-Beteiligung der Zivilgesellschaft dieses Zitat aus dem Podcast:
„Wir müssen in den einzelnen Bereichen dafür sorgen, dass auch die rechtlichen Bedingungen so stimmig sind, dass Nutzer und Entwickler, dass Politiker und diejenigen, die ein Interesse an neuen Produkten haben, die richtigen Rahmenbedingungen vorfinden. Das können wir nur schaffen, wenn wir miteinander im Gespräch sind.“
Gerade gefunden: Ein Artikel bei Heute.de zum Thema:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/4/0,3672,4091396,00.html
Sehr durchwachsener Artikel. Einerseits sehr ausführlich und am Ende wird sogar euer offener Brief erwähnt. Andererseits wurde auch das Lobby-Gequatsche der wenigen IT-Großkonzerne ohne weitere redaktionelle Erläuterungen als Kopie in den Artikel reingequetscht:
*Würg*
Ich bin mittlerweile soweit zu sagen, dass hinter dieser Politik nicht Inkompetenz, sondern Absicht steht. Fehlende Breitbandzugänge und eGovernment-Angebote wären auch Bürger-Ermächtigungsmittel. Die Stärkung der Zivilgesellschaft sieht man – so meine These – hierzulande jedoch trotz der Sonntagsreden nicht gerne. Man sehe sich nur die anderen Themen bei diesem „IT-Gipfel“ an: Der Verbraucher und Konsument wird hier immer noch als unmündiges Wesen behandelt. Die Lobby-Politik der Großkonzerne spiegelt genau diese Haltung auch wider. Quaero – eine Suchmaschine, nicht für den Verbraucher/Bürger. DRM – eine Technik, die gegen den Verbraucher gerichtet ist und ihn verarscht. Biometrie – eine Technik, die im Zweifelsfall zur Überwachung des Verbrauchers/Bürgers eingesetzt wird.
Kein Wunder, dass die Zivilgesellschaft und Datenschützer da nicht willkommen sind. Es geht also gar nicht um die Verbesserung der IT-Lage, sondern um das Absahnen von Projektgeldern auf Seiten der wenigen Großkonzerne und um das Kleinhalten des Bürgers. Leider für unsere deutschen, reichweitenstarken Medien alles viel zu kompliziert.
Aber es gibt ja die BBC, die z.B. den Schily-Schwachsinn namens „RFID-bestückte E-Passports“ darstellt, indem sie diejenigen deutschen Experten zu Wort kommen lässt, die in Deutschland kein Gehör in den Medien fanden: http://www.bbcworld.com/content/clickonline_archive_50_2006.asp?pageid=666&co_pageid=2
Dass Schily mittlerweile genau bei den Firmen arbeitet, deren Projekte er als Innenminister gefördert hat, dürfte ja bekannt sein.
Fazit: In Deutschland werden vermutlich die Großkonzerne mit Steuergeschenken und ihnen genehmen Gesetzen überhäuft, aber die spannende IT-Zukunft wird wie bisher in den USA und in der Open-Source-Community stattfinden. Vielleicht, weil da häufig tatsächlich gilt, dass der Kunde König ist und er im Mittelpunkt steht und nicht die Interessen von Großkonzernen der Deutschland AG.
Das übliche Spiel, große Firmen und unsere tollen Politiker, die uns verkauft und verraten haben, wollen unter Ausschluss des Volkes über dessen IT-Zukunft entscheiden.