Ghost’s I-IV von Nine Inch Nails ist das meistverkaufte Album im MP3-Store von Amazon.com. Das Besondere ist die Nutzung einer remixfähigen Creative Commons Lizenz, die das weiterbearbeiten und weiterkopieren zu nicht-kommerziellen Zwecken ausdrücklich erlaubt. Die Käufer hätten sich das Album auch kostenfrei und legal aus den gängigen Tauschbörsen ziehen können. Zu den Verkäufen im (Online-)Handel kommen noch die Sonderaktionen zum Release dazu. In der ersten Woche wurden durch Massnahmen wie einer Limited Edition im Wert von 300 $ 1,6 Millionen Dollar eingenommen.
Vielleicht sollte das mal einer dem Chef-Lobbyisten der Musikindustrie, Dieter Gorny, erzählen. Dieser tönte noch zuletzt im elektrischen Reporter, er kenne niemanden, der erfolgreich Creative Commons Lizenzen einsetze. Nine Inch Nails beweisen das Gegenteil. Und auch in Deutschland würden mehr Künstler von Creative Commons Lizenzen profitieren, wenn die GEMA ihre Nutzung erlauben würde.
Ghosts I-IV von Trent Reznor ist bei der GEMA unter der Werknummer 10345979-001 registriert. Verlegt vom ASCAP-Verlag Form And Texture Inc.
Markus, kannst Du bitte mal erläutern, welche Folgen dies für die deutschen CC-Lizenznehmer von Reznor hat? Kann die GEMA bei denen abkassieren oder nicht?
Und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die im Legal Code der CC-Lizenz enthaltene Bestimmung zu den Non-Waivable Compulsory License Schemes?
Gibt es davon eine deutsche Version? Ich habe nur das hier gefunden: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode, Punkt 3, e, i
“Non-waivable Compulsory License Schemes. In those jurisdictions in which the right to collect royalties through any statutory or compulsory licensing scheme cannot be waived, the Licensor reserves the exclusive right to collect such royalties for any exercise by You of the rights granted under this License”
Danke!
Die Antwort auf die Fragen interessiert mich auch. Ich habe sie mal an unseren CC-Juristen weitergegeben und hoffe, dass er sie zeitnah beantwortet.
Ich gehe davon aus, dass Trent Reznor nicht Mitglied der GEMA ist, sondern die GEMA nur im Rahmen der internationalen Kooperation der Verwertungsgesellschaften tätig werden könnte. Sie kann hierzulande die exklusiven Rechte im Auftrag wahrnehmen, die Reznors (eventuelle) Haus-VG oder sein Verlag hat. Die über CC-Lizenz jedermann eingeräumten Rechte kann der Verlag nicht haben (und damit auch die GEMA nicht wahrnehmen). Ich wüsste daher nicht, wie die bei lizenzgerechter Nutzung rechtmäßig abkassieren sollten – was nicht heißt, dass sie es nicht trotzdem versuchen.
Den Text der deutschen Lizenzportierung findet man – wie jeden anderen CC legal text auch – per link von der Deed aus (oder man ergänze einfach nach der Versionsnummer ein /de, also http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/legalcode). Der dürfte soweit selbsterklärend sein. Rechtsverbindlich ist allerdings nur die tatsächlich gewählte Portierung der Lizenz, und das dürfte bei NIN wohl eher nicht die deutsche sein (?).
@John
Vielen Dank für die Antwort.
„Ich gehe davon aus, dass Trent Reznor nicht Mitglied der GEMA ist, sondern die GEMA nur im Rahmen der internationalen Kooperation der Verwertungsgesellschaften tätig werden könnte“
Ja, aber macht das einen Unterschied? Ein wesentliches Prinzip der „internationalen Kooperation der Verwertungsgesellschaften“ ist doch das „Inländerprinzip“, das heißt die GEMA muss ausländische Rechteinhaber genauso behandelt wie ihre Mitglieder. Daraus ergibt sich, dass es keinen Unterschied macht, ob Reznor Mitglied der GEMA ist oder ob diese die Rechte „nur“ im Rahmen der internationalen Kooperation wahrnimmt.
„Die über CC-Lizenz jedermann eingeräumten Rechte kann der Verlag nicht haben (und damit auch die GEMA nicht wahrnehmen).“
Diese Aussage passt nicht zu der oben von mir zitierten Klausel des „legal codes“ der amerikanischen CC-Lizenz. Dort heißt es doch ausdrücklich,
dass CC-Lizenzgeber (Reznor) in Bezug auf Länder, in denen die Rechte kollektiv von Verwertungsgesellschaften wahrgenommenen werden (in Deutschland in Bezug auf die von der GEMA wahrgenommen Rechte) nicht auf den Anspruch auf Tantiemeneinzug verzichten können („In those jurisdictions in which the right to collect royalties through any statutory or compulsory licensing scheme cannot be waived“) und,
dass CC-Lizenzgeber sich das Recht auf den Einzug von Tantiemen vorbehalten („the Licensor reserves the exclusive right to collect such royalties“) und zwar – wieder ausdrücklich – genau für die Rechte, die mit der CC-Lizenz eingeräumt werden: “for any exercise by You [CC-Lizenznehmer] of the rights granted under this License [CC-Lizenz]”.
Offenbar kann Reznor über CC die Verbreitung seiner Werke erlauben und gleichzeitig die GEMA mit dem Einzug von Gebühren für die Vervielfältigung beauftragen (sonst würde es ja auch keinen Sinn machen, die Songs bei der ASCAP und den angeschlossenen Verwertungsgesellschaften anzumelden), das heißt deutsche Nutzer dürfen zwar „Ghosts I-IV“ zum Download oder Stream anbieten, müssen dafür aber die entsprechenden GEMA-Gebühren zahlen.
Das ist doch genau die Kompatiblität zwischen CC-Lizenz und GEMA, die Markus oben auch für deutsche Komponisten gefordert hat.
Kannst Du Deine Rechtsauffassung mit entsprechenden Paragrafen, Fachaufsätzen, Urteilen etc. belegen. Welche Rechte hat Reznor mit der CC-Lizenz genau übertragen, welche Rechte kann er Deiner Meinung nach nicht an die GEMA übertragen?
Vielen Dank.
Hallo Dieter,
die GEMA darf die Mitglieder der Kooperationsgesellschaften nicht gegenüber den eigenen benachteiligen, das heißt aber nicht, dass sie so tun darf, als hätten NIN einen GEMA-Wahrnehmungsvertrag inkl. ausschließlicher Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte unterschrieben. Sofern sie die CC-Lizenz nicht missbräuchlich einsetzen, haben NIN das auch ggü. ihrer eigenen VG nicht getan, bevor sie das Material unter CC ins Netz gestellt haben.
Ergo kann die GEMA nicht für Zweitverwertung kassieren, die mit der von NIN gewählten CC-Lizenz konform geht (nicht kommerziell vor allem).
Was die „licensing schemes“ angeht, geht es um die Frage „waivable“ oder „non-waivable“. Das Einzige, was in Deutschland faktisch immer anfällt, sind Leermedienabgaben. Damit die dank CC-Material hier entstehenden Einnahmen nicht einfach auf die Konten derjenigen Künstler fließen, die sich einen feuchten Kericht um freie Lizenzen scheren, gibt es die Vorbehaltsklausel in der Unported-Lizenz, die du zitiert hast.
Die bei NIN relevante CC-US-Lizenz dagegen ist anders:
—————8<—————-
4.
(…)
e) For the avoidance of doubt, where the Work is a musical composition:
i. Performance Royalties Under Blanket Licenses. Licensor reserves the exclusive right to collect whether individually or, in the event that Licensor is a member of a performance rights society (e.g. ASCAP, BMI, SESAC), via that society, royalties for the public performance or public digital performance (e.g. webcast) of the Work if that performance is primarily intended for or directed toward commercial advantage or private monetary compensation.
ii. Mechanical Rights and Statutory Royalties. Licensor reserves the exclusive right to collect, whether individually or via a music rights agency or designated agent (e.g. Harry Fox Agency), royalties for any phonorecord You create from the Work („cover version“) and distribute, subject to the compulsory license created by 17 USC Section 115 of the US Copyright Act (or the equivalent in other jurisdictions), if Your distribution of such cover version is primarily intended for or directed toward commercial advantage or private monetary compensation.
f. Webcasting Rights and Statutory Royalties. For the avoidance of doubt, where the Work is a sound recording, Licensor reserves the exclusive right to collect, whether individually or via a performance-rights society (e.g. SoundExchange), royalties for the public digital performance (e.g. webcast) of the Work, subject to the compulsory license created by 17 USC Section 114 of the US Copyright Act (or the equivalent in other jurisdictions), if Your public digital performance is primarily intended for or directed toward commercial advantage or private monetary compensation.
—————8 Inkompatibilität. Es kann auch schlecht Sinn der Sache sein, allen Leuten zu raten „Geht alle zur KODA nach Dänemark“.
Grüße,
John
[wurde abgeschnitten:]
(…)
siehe auch http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/us/legalcode
Auch dort geht es nur um den Vorbehalt bzgl. kommerzieller Verwendung, was die GEMA dann natürlich auch wahrnehmen kann. Ansonsten gilt das mit der „cover version“ bei uns übers UrhG auch (aber wieder nur bei kommerzieller Nutzung).
Und: Ja, es ist „GEMA-kompatibel“, wenn die Künstler bei ausländischen VGs sind, die Jedermannlizenzen zulassen. Bei der GEMA selbst ist das leider nicht der Fall -> Inkompatibilität. Es kann auch schlecht Sinn der Sache sein, allen Leuten zu raten „Geht alle zur KODA nach Dänemark“.
Grüße,
John
Hallo John,
vielen Dank für die Erklärungen und den Hinweis, dass der Legal Code für jede CC-Lizenz anders ist. Das war mir gar nicht aufgefallen. Als Nicht-Jurist war ich davon ausgegangen, dass es sich bei dem Legal Code um eine für alle CC-Lizenzen einheitliche Basis handelt.
Sicher kannst Du noch etwas mehr Licht in die Sache bringen:
Reznor/ASCAP
Verstehe ich Dich richtig: Du gehst davon aus, dass Reznor die Rechte an seinen Kompositionen zwischen CC und ASCAP aufgeteilt hat? Also dass die ASCAP Rechte hält, die in der CC-Lizenz nicht enthalten sind?
Nach meinem Verständnis nimmt die ASCAP auch Rechte wahr, die in der CC-Lizenz enthalten sind. (Wie das genau funktioniert, ob und wie die ASCAP zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung unterscheidet, ist eine Frage des US-Rechts).
Und selbst wenn die ASCAP – in Amerika – nur einen Teil der Rechte wahrnimmt, könnte es doch trotzdem möglich sein, dass sie berechtigt ist, alle relevanten Rechte an andere Verwertungsgesellschaften (GEMA) zur Auswertung zu übertragen?
GEMA
Ich kann nirgendwo einen Hinweis darauf finden, dass die GEMA Unterschiede macht zwischen den Werken, die über einen Wahrnehmungsvertrag direkt von ihren Mitgliedern eingebracht werden (Übertragung aller relevanten Rechte) und Werken, die im Rahmen von internationalen Verträgen in den Katalog kommen (eventuell nur teilweise Übertragung der relevanten Rechte).
Worauf beruht Deine Einschätzung? Kannst Du bitte die Rechte auflisten, die die GEMA Deiner Meinung nach an den von Reznor unter CC-Lizenz veröffentlichten Songs hat und welche nicht?
Sicher ist, dass die GEMA nicht zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung unterscheidet. Können sich deutsche CC-Lizenznehmer gegenüber der GEMA auf amerikanische CC-Lizenzbedingungen berufen? Oder ist die Erlaubnis für die kostenlose private Nutzung (der in Deutschland von der GEMA wahrgenommenen Rechte) wegen des Territorialprinzips in Deutschland unwirksam?
Waivable/non-waivable:
Die Klauseln bezüglich der Vergütungsansprüche verstehe ich so, dass sich amerikanische CC-Lizenzgeber vorbehalten, in Territorien, in denen auf die Vergütungsansprüche nicht verzichtet werden kann, anfallende Lizenzgebühren von den in diesen Territorien jeweils tätigen Verwertungsgesellschaften (GEMA in Deutschland) einziehen zu lassen. (Die Klausel macht nur Sinn für CC-Lizenzgeber, die Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind).
Für Deutschland wäre dann zu klären, auf welche Lizenzansprüche verzichtet werden kann. Ich gehe davon aus, dass in Bezug auf die von der GEMA wahrgenommenen Rechte nicht auf eine Vergütung verzichtet werden kann. Und da die GEMA nicht zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung unterscheidet, müssen auch private Webseitenbetreiber, die CC-lizenzierte Musik, die gleichzeitig im GEMA-Werkkatalog auftaucht, zum Download anbieten, streamen, in Podcasts verwenden oder auf CD pressen, Lizenzgebühren zahlen. Oder?
Coverversionen:
Darüber haben wir ja schon mal diskutiert. Nach dem deutschen Urheberrecht (§ 23 UrhG) kann von jedem legal veröffentlichten Song eine Coverversion produziert und kommerziell veröffentlicht werden. Daran ändert auch eine CC-Lizenz nichts, die nur die nicht-kommerzielle Nutzung erlaubt.
Fragen zu den Leistungsschutzrechten an den Aufnahmen, GVL und Zweitverwertung, vergessen wir (vorerst) besser … :)
Vielen Dank für Deine Mühe!
beispiele wie nin oder radiohead sind in der urheberrechtsdiskussion wenig hilfreich … mit der realität durchschnittlicher independent-musiker hat das so garnichts zu tun …
deshalb: es mögen sich endlich musiker aufraffen, eine genossenschaftliche alternative zur gema zu gründen …