Innenminister Wolfgang Schäuble hat gestern in München einen Auftritt gehabt, und es ging klassisch CSU-dreikönigsmäßig zu. Außerdem ist in Bayern im März Kommunalwahl, und die CSU will „Innere Sicherheit“ zum Schwerpunktthema machen. Schäuble hat nach Presseberichten die üblichen herben Statements gebracht: Verteidigung der VDS, erneut der Ruf nach Bundeswehr im Innern, und so weiter. Außerdem hat er behauptet, dass die jugendlichen Schläger, die vor Weihnachten durch die Medien gingen, aufgrund der Vorratsdatenspeicherung gefasst worden seien. Die war da allerdings noch gar nicht in Kraft, die Festnahmen kamen durch Zeugenaussagen und die Ortung eines gestohlenen Handys zustande. CSU-Oberbürgermeister-Kandidat Josef Schmidt forderte unter anderem eine flächendeckende Videoüberwachung.
Zum Glück waren sie nicht allein. Aus der Pressemitteilung des AK Vorrat:
In München haben am heutigen Sonntag 750 besorgte Bürger gegen die Vorratsdatenspeicherung als Totalprotokollierung ihrer Telekommunikationsdaten und gegen weitere Überwachungsbefugnisse demonstriert. Während bundesweit die Kritik an den Plänen zur Errichtung eines Überwachungsstaates nicht abreißt, bauen Politiker der Regierungsparteien ihre Machtphantasien weiter aus. So traf sich die Leitfigur des informationellen Absolutismus, Wolfgang Schäuble, am 6. Januar 2008 unter dem Motto „Was zählt ist Sicherheit“ mit dem CSU-OB-Kandidaten Josef Schmid in München zum Dreikönigstreffen.
Vor der Kongresshalle an der Theresienhöhe versammelten sich daher etwa 750 Bürger, um unter dem Gegen-Motto „Was zählt ist Freiheit“ gegen die immer weitergehenden Überwachungspläne des Innenministers Schäuble und der schwarz-roten Bundesregierung in Berlin zu demonstrieren. Auf der friedlichen Veranstaltung sprachen Redner vom AK Vorratsdatenspeicherung, Jimmy Schulz von der FDP, Jerzy Montag von den Grünen und Luca Zampetti vom Verein „Mehr Demokratie e.V.“
Im Anschluss an die Veranstaltung wollte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Wolfgang Schäuble in seiner eigentlichen Funktion als Verfassungsminister einen Sarg als Symbol für den Verlust der Privatsphäre überreichen. Der so genannte „Bundessarg“ wurde letzte Woche auf einem Trauermarsch von Hamburg aus über Kassel, Frankfurt und Ulm nach München getragen. Bundesweit nahmen hunderte von Menschen die Gelegenheit wahr, Abschied von der Privatsphäre zu nehmen. Die Bürgerrechtler konnten Schäuble den Sarg allerdings am heutigen Tage nicht übergeben, da der Innenminister von Sicherheitsleuten gut abgeschirmt war. Es sei nun geplant, die Übergabe in Berlin durchzuführen.
Bei dem Sarg wird im AK Vorrat gerade überlegt, ihn vor der Übergabe an Schäuble auf Deutschlandtournee zu schicken.
Drinnen im Saal war zusätzlich noch eine Aktion, die unabhängig vom AK Vorrat vorbereitet worden war, wie ddp berichtet:
Rund zehn Personen unterbrachen die Rede Schäubles mit lautstarker Kritik an der Vorratsdatenspeicherung. So riefen sie in Sprechchören: «Freiheit stirbt mit Sicherheit.» Ordner drängten die Leute nach kurzem Gerangel aus dem Saal.
Ein Teilnehmer an der Veranstaltung berichtet per Mail:
Es handelte sich um 3 kleine Gruppen, die nacheinander Transparente ausbreiteten. (…) Sie fanden von kritischen jungen Zuhörerern Jubel und tosenden Beifall.
Das Medienecho ist bislang recht gut, die Demo war sogar in der Tagsschau (Video hier). Lesenswerte Kommentare gibt es unter anderem bei heul nicht, Markus Pachali, FreiheIT, tutsi.
Hmm. Die Überschrift passt meines Erachtens nicht. Es wurde laut Pressemitteilung gegen die „Vorratsdatenspeicherung als Totalprotokollierung ihrer Telekommunikationsdaten und gegen weitere Überwachungsbefugnisse“ demonstriert und nicht gegen eine einzelne Person.
mir gefällt diese schäuble-fixierung auch nicht. das wirkt irgendwie, als ob nur der typ alleine eine bedrohung für die grundrechte wäre. nicht umsonst enthält die parole-font auch weitere gesichter.
Die Demo fand aus aus Anlass des Auftritts von Wolfgang Schäuble direkt am Veranstaltungsort vor der Tür statt. Insofern finde ich die Überschrift nicht ganz falsch.
Dass Schäuble nur die Spitze des Eisberges ist, ist doch klar und wird hier und anderswo auch vielfach dokumentiert. Dass es ein grundsätzliches Problem mit der herrschenden Sicherheitspolitik gibt, das nicht mit einem Rücktritt des Innenministers gelöst wäre, darüber sind wir uns einig.
In München gibt es offensichtlich eine Tradition im „hinausdrängeln“
(gefunden bei Wikipedia
Bilder von der Demo:
http://flickr.com/photos/diskostu/sets/72157603650224833/