Brüsseler ArbeitsprogrammEU-Kommission will ausfegen

Der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen liegt die Wettbewerbsfähigkeit der EU besonders am Herzen. In einem Arbeitsprogramm legt sie nun näher dar, welche Richtung sie bei der Netz- und Digitalpolitik einschlagen will.

In einem Arbeitsprogramm gibt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Richtung vor, die sie bei der Netz- und Digitalpolitik einschlagen will. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ABACAPRESS

In einem gestern vorgestellten Arbeitsprogramm legt die EU-Kommission ihre Schwerpunkte für das laufende Jahr fest. Zugleich gab die im Vorjahr in ihrem Amt bestätigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt, welche bisherigen Digital-Ziele sie nicht mehr weiter verfolgen will: Sowohl den fast zehn Jahre alten Vorschlag einer ePrivacy-Verordnung als auch die ebenfalls feststeckende AI Liability Directive, die Haftungsfragen rund um Künstliche Intelligenz klären sollte, lässt ihr Kabinett in der bekannten Form fallen.

Im Mittelpunkt des Programms für die nächsten Jahre, das zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stehen. Erreichen will das die Kommission weniger mit neuen Regeln, sondern mit der Entschlackung bestehender Vorschriften. „Die europäischen Unternehmen sollten weniger Zeit und Ressourcen für Bürokratie aufwenden müssen“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis.

Dauerbaustelle digitale Infrastruktur

An teils weitreichenden Gesetzentwürfen dürfte es jedoch auch in den kommenden Jahren nicht mangeln. Netzpolitisch relevant wird der lang erwartete Digital Networks Act (DNA) werden, den der inzwischen aus der Kommission ausgeschiedene Thierry Breton auf den Weg gebracht hatte. Bis Ende des Jahres will die Kommission eine Folgenabschätzung sowie einen Gesetzentwurf vorstellen.

Geprägt war die bisherige Debatte über den DNA von einer angedachten Deregulierung des Sektors, einer angeblichen Kostenbeteiligung von Online-Diensten wie Facebook am Breitbandausbau und letztlich einem konsolidierten EU-Binnenmarkt für Telekommunikation. Die Vorschläge, die vor allem in einem Weißbuch im Detail erläutert wurden, mussten jedoch geharnischte Kritik aus der Zivilgesellschaft sowie weiten Teilen der Telekommunikationsbranche einstecken.

Wie viel aus dem großindustriefreundlichen Weißbuch am Ende übrig bleibt, muss sich noch zeigen. Aus der gestrigen Ankündigung geht hervor, dass das Gesetz „Möglichkeiten für den grenzübergreifenden Netzbetrieb und die Bereitstellung von Diensten schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie steigern und die Frequenzkoordination verbessern“ soll.

„Digital Package“ soll Mehrgleisigkeiten abstellen

Auf gesetzlicher Ebene will die Kommission mit einem „Digital Package“ genannten Bündel eine Reihe an Digitalgesetzen überarbeiten. Auf den Prüfstand will sie den im Jahr 2019 verabschiedeten Cybersecurity Act stellen. Derzeit gebe es, verstreut über diverse Regelwerke, zu viel Mehrgleisigkeit etwa bei Berichtspflichten, erläutert die Kommission in einem Begleitpapier.

Die geplante Entschlackung soll Teil einer umfassenderen Bewertung von EU-Regeln im ersten Jahr der neuen Kommission sein. Angehen will Brüssel bei der Gelegenheit auch eine „European Data Union Strategy“. Diese soll einen „vereinfachten, klaren und kohärenten Rechtsrahmen“ für Unternehmen und Verwaltungen beim möglichst „nahtlosen“ Datentransfer schaffen.

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Vorerst nicht den gesetzlichen Hebel umlegen will die Kommission beim „AI Continent Action Plan“, den sie noch im ersten Quartal vorstellen möchte. Dies gilt auch für die Strategie zu Quantencomputing, die in den Monaten darauf folgen soll. Ebenfalls im laufenden Jahr will sie außerdem Initiativen für eine Stärkung europäischer Demokratien sowie der Zivilgesellschaft präsentieren.

Umfassender Digitalcheck

Evaluieren und sogenannten Fitness-Checks unterziehen will die EU-Kommission zudem sämtliche Digitalgesetze. Damit will sie bis Ende des Jahres fertig sein. Darüber hinaus sollen mehrere EU-Gesetze näher unter die Lupe genommen werden. Dazu zählen die Regeln zum Geoblocking, das Herkunftslandprinzip sowie einen vor sich hindarbenden Vorstoß für eine EU-weite Digitalsteuer.

Endgültig beerdigt hat die Kommission hingegen die ePrivacy-Verordnung, wie wir bereits am Dienstag berichteten. Ebenfalls nicht weiterverfolgen will sie die AI Liability Directive. Die hätte eigentlich Haftungsfragen klären sollen, wenn KI-Systeme Schaden verursachen. Hierbei sei keine politische Einigung absehbar, begründet die Kommission ihren Schritt. Allerdings will sie erkunden, ob sie einen neuen Gesetzentwurf einbringt oder sich ein anderer Weg anbietet.

Dass aus der Richtlinie nichts wird, kommt etwa bei der Digital-NGO Center for Democracy & Technology nicht gut an. Trotz berechtigter Kritik am vorliegenden Vorschlag sei es ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, heißt es in einem Blogbeitrag. In ihrem Bemühen, den bürokratischen Aufwand für den privaten Sektor zu reduzieren, habe die Kommission zu diesem „fehlgeleiteten“ Mittel gegriffen, beklagt die NGO.

Transparenz landet auf dem Abstellgleis

Auf der Strecke bleibt außerdem eine Verordnung, welche die Nutzung sogenannter standardessenzieller Patente vereinfachen sollte. Auch hier stocken die Verhandlungen, weil sich der EU-Rat bis heute nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte.

Bereits seit dem Jahr 2011 hängt derweil ein Vorschlag fest, der den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des EU-Parlaments, des Rates und der Kommission hätte klären sollen. Auch diesen Anlauf will von der Leyen, deren vergangene Amtszeit nicht gerade von Transparenz geprägt war, endgültig stoppen. „Keine Einigung in Sicht – seit 2011 gab es keine Fortschritte“, heißt es lapidar.

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