Union und SPD wollten mit einem gemeinsamen Antrag die Definition eines Offenen Standards gerne etwas liberaler gestalten, wie das die Linie von Microsoft entspricht. Aber alle Oppositionsfraktionen haben im Bundestag Alternativformulierungen vorgelegt. Hauptknackpunkt war die Frage, ob ein Offener Standard Geld kosten darf (Will Microsoft) oder nicht. Letzteres ist die allgemeine Formulierung eines Offenen Standards. Der Antrag der grosen Koalition wurde daraufhin zurückgezogen.
Die SPD hat nun einen neuen Versuch für einen „interfraktionellen Antrag“ gestartet. Als Alternativformulierung heisst es nun:
Standards sollen dann als „offen“ betrachtet werden, wenn sie den Austausch zwischen verschiedenen Plattformen und Applikationen ermöglichen und ausreichend dokumentiert sind. Die Schnittstellen müssen offen gelegt und die technischen Spezifikationen umsetzbar sein. Die Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen soll dabei den Vorgaben der internationalen Standardisierungsorganisationen entsprechen.
Da Microsoft ja sein eigenes Format bei der ISO unterbringen möchte, scheint das auch wieder als Kompromissvorschlag von der Microsoft-Lobby zu kommen. Die Oppositionsparteien sollten bei ihrer Ablehnung bleiben und auf eine Konkretisierung drängen. Das geht ganz einfach, z.B. durch eine solche Forumlierung:
ihre Nutzung muss für jedermann ohne Gebühren oder sonstige belastende Lizenzbedingungen erlaubt sein
Mal schauen, wie es weitergeht.
Wer sich weiter informieren möchte, wird in der NZZ fündig: „Krieg der Standards“:
Um elektronische Dokumente langfristig zu archivieren, braucht es gut dokumentierte, offen zugängliche und breit abgestützte Standards. Solche Standards gibt es, doch leider zu viele.
Weitere Infos:
8. Dezember 2005: Die kommerzielle Bedeutung von Standards.
8. Dezember 2005: Open Document Format vs Microsoft
Guter Beitrag, Markus!
Eine wichtige Frage hierbei scheint mir (mal wieder) die Lizenzierungspolitik und faktische Verbreitung zu sein. DIN- und ISO-Standards werden zur Zeit nur für Geld und nur als PDF (oder gedruckt) herausgegeben. Die Preise liegen dabei gerne zwischen 30 und 130 Euro. Wenn man in mehrere Normen reinschauen will, können da schnell mal ein paar Euro zusammen kommen. Damit wird insbesondere kleinen Unternehmen, aber auch NGOs der Zugang zu den Normen verwehrt. Besonders brisant wird das ganze dadurch, dass DIN die DIN einen Staatsvertrag hat.
Viel sinnvoller wäre es IMHO, wie mir scheint die Standards in über offene APIs zur Weiterverwertung freizulegen, um die Verwendung zu erleichtern und unter freien Lizenzen zu veröffentlichen.
Derzeit läuft eine Initiative der Bundesregierung (http://www.timekontor.de/index.php?id=15&rm=detail&nr=19) in Rahmen dessen wohl auch (mal wieder II.) ein Portal entstehen wird. Vielleicht kann es gelingen hier so eine API zu implementieren. Das Problem ist, dass dem das Geschäftsmodell von DIN und ISO entgegen steht, hier muss man also vorsichtig agieren.
Gruß
Jan
Spannende Fragen. Wir haben 1996 bei den Dokumentationswissenschaftlern schon SGML gepredigt, und 1998 war dann XML reif. Das waren Zeiten… und die akademischen Diskussionen leider nicht oft genug laut genug. Aber im Prinzip war schon alles klar: dahin muss die Reise gehen.
Schon damals hat, ich glaube zu Office 2000, Microsoft davon geredet, XML nativ zu unterstützen.. nur kam ein krudes XML mit binären Dateninseln bei heraus, das nicht mal als Default eingestellt war und anderen sauer aufstieß. Jetzt sind die Märkte konzentrierter (Corel Office fehlt faktisch, das SGML sogar nativ unterstützte), und die Spezifikation ist quasi teuer weggeschlossen oder unsinnig komplex.
Der Weg, die API verpflichtend zu machen, kann hier gut Boden gewinnen. Für Öffentliche Bibliotheken war die frei konfigurierbare Export-Schnittstelle von allegro-C damals die Rettung. Für „die Möglichkeit, sämtliche existierenden, binären Office-Dateien in einen offenen Standard überzuführen“ geht Microsoft ja eben nicht weit genug.
PS die von der NZZ mögen wohl auch ODF lieber. Der Link ist aktiv, während der zu OXML nicht klickbar ist. ;-)
Ich finde unser Bundestag hat eine merkwürdig Lobby-orientierte Auffassung von „Offenen Standards“.
Wieso werden solche Dinge trotz Protesten von „fachnahen Verbänden“ (zB CCC) immer wieder neu diskutiert, angeblich verbessert, und trotzdem am Ende total ruiniert??
MfG
Weil die Union an der Macht ist. Und die nur auf die Wirtschafts-Lobbyisten hört. Und auf Microsoft besonders.
Wo bleiben „unsere“ WirtschaftslobbyistInnen?
„Unsere“ Wirtschafts-Lobbyisten machen das fast ausschliesslich in ihrer Freizeit und meist gar nicht von Berlin aus.
@Markus — ist mir schon klar. Nur klingt das für mich so, als wäre ein tatsächlich besetztes FLOSS-Lobby-Büro in Berlin eine sehr wichtige und sinnvolle Sache …
Da bin ich mit Dir einer Meinung. Realistisch halte ich es leider noch nicht.