Hallo,
das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 soll kommen. Schon wieder. Bereits im April 2019 veröffentlichten wir einen ersten Referentenentwurf, der vorsah, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu einer Hackerbehörde mit neuen Befugnissen zu machen. Über den Vorschlag konnte sich die Große Koalition nicht einigen. Im Mai dieses Jahres haben wir die zweite Version eines Referententwurfs veröffentlicht. Dieser konkretisierte die Hacker-Pläne der Bundesregierung – und lag dann wieder auf Eis. Jetzt scheint es bald eine dritte Version zu geben, wie das Handelsblatt vermeldet. Der Referentenentwurf müsste kommenden Monat fertig sein, wenn die prognostizierte Kabinettsbehandlung im November stattfinden soll.
Die Große Koalition hat sich demnach darauf geeinigt, die Nutzung von Huawei-Komponenten beim Aufbau von 5G-Netzwerken stark einzuschränken. Argumentiert wird mit Sicherheitsbedenken, dass chinesische Sicherheitsgesetze dortige Unternehmen zu einer Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zwingen. Das Argument kann ich nachvollziehen. Aber nach der Logik müssten eigentlich auch US-Unternehmen vom Aufbau ausgeschlossen oder ebenso eingeschränkt werden.
Die ganze Debatte um Huawei und 5G hat wenig mit klassischer Netzpolitik und mehr mit Außen- und Wirtschaftspolitik zu tun. Auf letzterem Spielfeld scheinen sich viele wohler zu fühlen als sich durch Details des IT-Sicherheitsgesetzes zu wühlen. Auch weil viele Politiker:innen und Journalist:innen ohne Kenntnisse der technischen Materie noch ihre traditionell gelernten Schablonen aus der Zeit des Kalten Krieges verwenden können.
Es steht aber zu befürchten, dass diese Frage eine weitere fundierte Debatte um ein zukunftsfähiges und sinnvolles IT-Sicherheitsgesetz weiter überlagern wird. Und in der öffentlichen Wahrnehmung und im politischen Berlin IT-Sicherheit nur noch unter der Frage „Huawei oder Nein“ diskutiert wird. Wir haben größere Probleme in der IT-Sicherheit, für die es dringend Lösungen braucht. Das BSI zu einer Hackerbehörde umzubauen ist weiterhin eher keine sinnvolle Strategie, um mehr Vertrauen und IT-Sicherheit zu schaffen. Darüber müsste viel mehr diskutiert werden. Wir bleiben dran.
Neues auf netzpolitik.org
Charlotte Pekel und Alexander Fanta schreiben über die Pisa-Sonderauswertung: Deutsche Schulen schwächeln bei digitaler Ausstattung.
Schulen in Deutschland liegen beim digitalen Lernen immer noch unter dem internationalen Durchschnitt, das zeigt eine neue Pisa-Studie. Nicht einmal die Hälfte der Schüler:innen hat demnach Zugang zu Online-Lernplattformen.
Apropos: Was wurde eigentlich aus der versprochenen Bildungsflatrate, die Deutsche Telekom und Forschungsministerium für „zum Ende der Sommerferien“ angekündigt hatten? In Berlin beginnen in zehn Tage schon die Herbstferien.
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Marie Bröckling analysiert unterschiedliche Strategien der Bundesländer bei der Reform der Polizeigesetze: Berlin und Bremen sind besser als Bayern.
In Berlin und in Bremen soll die Polizei neue Überwachungs-Werkzeuge an die Hand bekommen. Mit dem exzessiven Aufrüsten der letzten Jahre haben diese Gesetze wenig zu tun. Sie schlagen einen anderen Weg ein.
Kurze Pausenmusik:
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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl unterstützt.
Was sonst noch passierte:
In Baden-Würtemberg regt sich Protest gegen die Pläne des Kultusministeriums, die Schul-Infrastrukturen auf Microsoft-Produkte umzustellen. Sowohl der Landeselternbeirat, die Arbeitsgemeinschaft Gymnasialer Elternvertreter (Arge) sowie der Philologenverband Baden-Württemberg wenden sich gegen die Überlegungen, wie Heise-Online berichtet: Massiver Protest gegen Bildungsplattform mit.
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Eine gute und verständliche Analyse, warum Donald Trump nicht so einfach TikTok in den USA verbieten darf, hat Heise-Online auf Basis der Urteilsbegründung der jüngsten gerichtlichen Entscheidung veröffentlicht: Warum TikTok in den USA weitermachen darf. Kurz: Auch mit den aktuellen Notstandsgesetzen bleibt TikTok ein Dienst zur Übertragung von Information und ist dadurch besonders geschützt (zumindest vor Donald Trump).
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In den USA fand die erste TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden statt. Ich hab mal rein geschaltet, aber der destruktive und diskursvernichtende Stil von Trump war nicht lange auszuhalten. Eine gute Zusammenfassung hat die New York Times. Hier gibt es das Video auf Youtube. Und hier ein deutlich entspannteres Transkript, das die Inhalte aber auch nicht besser macht. OMG.
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Mit den vielen EU-Institutionen und dem NATO-Hauptquartier ist Brüssel beliebt bei internationalen Spionen. Ein weiterer Bonus ist die Rechtslage, die es schwer macht, gegen Spionage vorzugehen, wie Politico beschreibt: Belgium’s spy problem.
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Viele Apps tracken intransparent Nutzer:innen, weil App-Entwickler:innen zu wenig nachdenken und auf fertige Bauteile zurückgreifen. Mobilsicher.de beschreibt die Hintergründe bei Android: App-Module – Wie Apps Sie verfolgen.
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Die Süddeutsche Zeitung berichtet über Steuertricks im Immobiliengeschäft und eine interessante Studie des grünen EU-Abgeordneten Sven Giegold dazu: Wenn die Miete auf den Cayman Islands landet.
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Das NDR-Medienmagazin ZAPP geht der Frage nach, wo die Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus verlaufen. Aktuell gab es die Fälle, dass sowohl der Stern als auch die Bewegungs-erprobte Taz mit Aktivist:innen von Fridays for Future mehr oder weniger kooperiert haben: Medien im Klimawandel – Aktivismus oder Journalismus?
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Der Kulturjournalist Tobias Rapp hat DJ Tanith über Subkultur und Hedonismus vor und während Corona für die Jungle-World interviewt: »Die Tanzfläche ist ein Ort der Katharsis«.
Audio des Tages: Ólafur Elíasson
In der aktuellen Ausgabe des „Alles gesagt“-Podcasts von Zeit-Online ist der Künstler Ólafur Elíasson zu Gast bei Jochen Wegner und Christoph Amend. Das Gespräch geht über sein Leben und Werk, aber vor allem um Kunst und auch Aktivismus. Mit 4:28 Stunden ist der Podcast nicht kurz, dafür bleibt er konstant interessant und mit 1.5 Geschwindigkeit kann man ihn immer noch entspannt hören.
Video des Tages: Wir Ostdeutsche in der Anstalt
Die ZDF-Kabarett-Sendung „Die Anstalt“ hat in ihrer gestrigen Ausgabe das Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange ausführlich thematisiert.
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„Wir Ostdeutsche – 30 Jahre im vereinten Land“ ist eine interessante ARD-Dokumentation über Identitäten von Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind.
Dazu passt auch das Essay von Christian Bangel im Rahmen einer Debatte der Bundeszentrale für politische Bildung: Es gibt keine wirkliche Ostdebatte.
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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl
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