Wieviel geben politische Akteure für Werbung auf Facebook und Instagram aus? Lange Zeit konnten man darüber nur spekulieren. Weder die Parteien noch die Plattformen wollten Transparenz schaffen. Nach erheblichem Druck hat Facebook jetzt eingelenkt. Wenige Tage vor der EU-Wahl hat das Unternehmen am vergangenen Freitag einen „Ad Library Report“ veröffentlicht, in dem man die Werbebudgets nachlesen kann.
Seitdem wissen wir: SPD und Union geben deutlich mehr Geld für Werbung auf den Plattformen des Datenkonzerns aus als andere Parteien. Mit etwas Abstand vorne liegen dabei die Sozialdemokraten. Im Mittelfeld liegen Grüne und Liberale. Deutlich weniger Geld für die Verbreitung der eigenen Posts investiert die Linkspartei – und am wenigsten die AfD. Das zeigt unsere Analyse des Werbereports für den Zeitraum vom 19. April bis 18. Mai.
Chance auf ein umfassenderes Bild
Kurz nach Veröffentlichung des Berichts hatte Bild Online bereits einen ersten Blick auf die Zahlen geworfen, sich allerdings vor allem die Ausgaben der Accounts der Bundesparteien angeschaut. Das Problem: So ein Bild bleibt unvollständig. Denn nicht nur diese Haupt-Accounts geben Geld für Anzeigen aus, sondern auch Kreisverbände, Landtagsfraktionen und einzelne Politiker:innen.
Wir haben uns deshalb die Arbeit gemacht, alle 2.257 Werbetreibenden aus dem Report genauer anzuschauen, fehlerhafte Einträge auszusieben und den Rest nach politischen Familien zu sortieren. Die nach Parteien und Ausgaben sortierte Liste veröffentlichen wir hier auch als CSV-Datei, damit andere damit weiterarbeiten können. Wir haben uns dabei auf die Accounts aus dem Feld der größeren Parteien konzentriert, weil die Werbeausgaben von Piraten, ÖDP, die Partei und anderen in den letzten 30 Tagen kaum ins Gewicht fielen.
Eine Schwierigkeit in der Berechnung der Gesamtsummen ergibt sich dadurch, dass Facebook für Anzeigen, die unter 100 Euro gekostet haben, keinen exakten Wert angibt. Stattdessen gibt es hier nur die Info, dass die Anzeige weniger als oder genau 100 Euro gekostet hat. Da dies auf dutzende Anzeigen zutrifft, können sie nicht einfach ausgeklammert werden. Wir haben stattdessen mit einem Schätzwert gerechnet: Da die Promotion von Posts bei Facebook oft schon für geringe Beträge zu haben ist, haben wir für diese Anzeigen einen eher niedrigen Wert angesetzt: 25 Euro. Die tatsächliche Summe für die einzelnen Parteien könnte dadurch um einige tausend Euro abweichen, insbesondere bei SPD und Union, die jeweils mehrere hundert dieser kleinen Anzeigen zu verzeichnen haben.
Zahlen, bitte
Nach unseren Berechnungen ergibt sich durch die Zusammenzählung aller Anzeigen von Vertreter:innen einer Partei ein anderes Bild, als wenn man nur auf den Hauptaccount schauen würde. So gaben CDU und CSU von Mitte April bis Mitte Mai zwar wesentlich mehr Geld (162.541 Euro) über die Accounts der Bundesparteien aus als die SPD (133.489 Euro). Da die Sozialdemokraten allerdings deutlich mehr Anzeigen von Regionalverbänden und Einzelpolitiker:innen wie der EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley gebucht hatten, liegen sie in der Gesamtsumme mit 213.892 Euro vor CDU/CSU (insgesamt 196.810 Euro).
Auch bei FDP und Grünen wird das Bild durch die Gesamtbetrachtung differenzierter. Beide Parteien gaben für Werbung auf ihren Bundes-Accounts knapp 80.000 Euro aus. Zählt man die Anzeigen einzelner Politiker:innen und von Regional-Accounts dazu, liegen die Grünen mit 133.702 Euro jedoch deutlich vor der FDP (107.387 Euro).
Wesentlich weniger Geld für den Wahlkampf in den Sozialen Medien haben Linkspartei und AfD ausgegeben. Über den Bundes-Account gab die Linkspartei 12.098 Euro aus, während die AfD mit 3.987 Euro weit dahinter liegt. Rechnet man die Ausgaben kleinerer Accounts hinzu, holt die AfD etwas auf: Die Linkspartei zahlte insgesamt 24.554 Euro für Werbung auf Facebook und Instagram, die AfD insgesamt 12.336 Euro.
Die AfD braucht keine Sponsored Posts
Mit dem Werbebericht kann sich die Öffentlichkeit erstmalig ein Bild von den Möglichkeiten und Schwerpunkten der Parteien im Online-Wahlkampf machen. So können wir zum Beispiel erkennen, dass Union und FDP stärker auf die Accounts ihrer Bundesparteien setzen als SPD und Grüne. Im Vergleich dazu spielen bei diesen die vielen kleineren Accounts von einzelnen Kandidatinnen und Regionalverbänden eine größere Rolle.
Gleichzeitig sollten die Budgets für Anzeigen auf Facebook und Instagram nicht mit der Bedeutsamkeit von Social Media für die Kommunikationsstrategien der einzelnen Parteien verwechselt werden. Die AfD etwa gibt nicht deshalb wenig Geld für Anzeigen aus, weil sie die Sozialen Medien missachtet. Im Gegenteil: Die jetzt veröffentlichen Zahlen scheinen andere Untersuchungen zu bestätigen, nach denen die AfD mit Abstand am besten darin ist, sogenannte organische Reichweite zu erzielen. Dass diese Weiterverbreitung ihrer Inhalte durch Nutzer:innen zum Teil auf Sockenpuppen-Accounts und koordinierte Social-Media-Aktionen zurückgeht, zeigt gerade eine gemeisame Recherche von netzpolitik.org und t-online.de. So oder so ist klar: Um Reichweite zu erzielen, muss die AfD schlicht weniger Geld an Facebook zahlen, als andere Parteien.
Auch an anderer Stelle ist bei der Interpretation dieser Zahlen Vorsicht geboten: Nicht alle in den letzten Wochen geschalteten Anzeigen der Parteien haben einen Bezug zum Europawahlkampf. Schließlich stehen in mehreren Regionen Kommunalwahlen an. Die beachtlichen Facebook-Budgets – mehr als 800.000 Euro allein im letzten Monat – zeigen jedoch, wie hoch die Relevanz der Sozialen Medien als Austragungsorte der politischen Öffentlichkeit inzwischen insgesamt ist. Tatsächlich haben die Parteien bereits in den Tagen nach unserem Untersuchungszeitraum (19. April bis 18. Mai) weitere zehntausende Euro nachgelegt.
Rechtlich und moralisch umstritten
Rechtlich und moralisch sind die Ausgaben der politischen Akteure für Facebook-Werbung aber durchaus umstritten. Nicht erst seit dem Skandal um Cambridge Analytica, den zahlreichen Folgeskandalen und der fortwährenden Ignoranz gegenüber Politik und Nutzer:innen steht der Datenkonzern in der Kritik. Jeder trotzdem investierte Werbeeuro der Parteien trägt gewissermaßen zur Legitimation von dessen Geschäftsmodell bei. Wenn sie Werbung auf Facebook schalten, würden die Parteien an einem „offenen Rechtsbruch“ partizipieren, konstatierte deshalb der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar.
Besonders interessant ist deshalb die Frage, ob die Parteien auch jene Targeting-Werkzeuge einsetzen, die von Datenschutzbehörden bereits kritisiert oder verboten wurden. Das gilt vor allem für jene Werbetools, bei denen Werbetreibende eigene Daten mit Facebook teilen. Dazu zählt etwa die Custom-Audience-Funktion, bei der Werbetreibende eigene Datenbanken mit Kontaktdaten ihrer Zielgruppe bei Facebook hochladen, um genau die Menschen mit zielgerichteter Werbung zu erreichen, die bereits ihre Newsletter abonniert oder in ihrem Online-Shop bestellt haben.
Das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hatte im vergangenen Jahr klargestellt, dass dies nicht ohne die explizite Einwilligung der Betroffenen erlaubt ist. Ähnliches gilt für das sogenannte Pixel-Tracking, bei dem die Nutzer:innen einer Website oder einer App auf Facebook wiedergefunden werden. Immer wieder wurden Parteien in Europa dabei erwischt, wie sie diese umstrittenen Methoden einsetzten.
Keine Angaben zu Tools und Zielgruppen
Facebook selbst macht in seiner Werbebibliothek keine Angaben dazu, welche Targeting-Werkzeuge die Werbetreibenden genutzt haben und nach welchen Kriterien ihre Zielgruppen zugeschnitten wurden. Wir haben deshalb bei den Parteien selbst nachgefragt. Von vier der sieben angefragten Parteizentralen erhielten wir tatsächlich Auskunft. Pressesprecher:innen von Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und Grünen verneinten den Einsatz von Pixel-Tracking und Custom-Audience mit Kontaktlisten im EU-Wahlkampf. Allerdings haben wir nur nach der Bundesebene gefragt – ob einzelne Kreisverbände oder Politiker:innen sie einsetzen, kann die Zentrale schlecht kontrollieren.
Keinerlei Auskunft erhielt wir, trotz mehrfacher – auch telefonischer – Nachfragen, von CDU und CSU. Schon im Bundestagswahlkampf 2017 gaben sich die Unionsparteien extrem verschlossen und wollten nicht darüber aufklären, wie sie Daten und Targeting für den Wahlkampf nutzen. Skandale wie der um Cambridge Analytica und die große gesellschaftliche Sorge vor Wahlbeeinflussung haben daran scheinbar nichts geändert.
Unfreiwillig ehrlich war bei diesem Thema die AfD: Bei der internen Klärung des Sachverhalts – „hierzu geben wir keine Info raus, oder?“ – ließ der Pressesprecher uns aus Versehen im E-Mail-Verteiler. Deutlicher kann man das Desinteresse an einer aufgeklärten Öffentlichkeit kaum vermitteln. Kurz darauf erhielten wir dann eine offizielle Antwort, derzufolge die AfD ebenfalls auf die umstrittenen Targeting-Tools verzichte.
Wahlkampf in der Grauzone
Der Wahlkampf in den Sozialen Medien bleibt also in doppelter Hinsicht in der Grauzone. Weder haben wir ein klares Bild davon, wie alle Parteien die Targeting-Tools der Sozialen Medien einsetzen, noch ist sichergestellt, dass sie sich dabei immer an geltendes Recht halten.
Umso wichtiger wäre es, dass die Plattformen selbst für umfassende Transparenz sorgen. Die Werbebibliothek von Facebook – ähnliches gibt es auch bei Google – ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bereits seit einiger Zeit informiert Google auch über die Ausgaben einzelner Akteure. Dass Facebook jetzt nachzog, ist wichtig.
Allerdings macht der Länderbericht eher den Eindruck einer Beta-Version als eines ausgereiften Transparenztools. Bei unserer Analyse sind wir auf diverse Accounts gestoßen, die doppelt in der Liste auftauchen. Außerdem enthält sie dutzende Accounts von politischen Akteuren aus dem Ausland – von den Niederlanden und Polen bis in die USA. Und dann sind da noch viele Accounts, die schlicht gar keine politische Relevanz haben, etwa von Sängerinnen oder Zahnarztpraxen.
Wenige Tage vor der EU-Wahl zeigen sich also zweierlei: Die Transparenz über die Budgets für politische Werbung in den Sozialen Medien, gegen die Facebook und die Parteien sich so lange gewährt haben, tut niemandem weh. Im Gegenteil: Für mündige Bürger:innen und eine Öffentlichkeit schafft das Wissen um die Ausgaben eine neue Möglichkeit, sich kritisch mit den Mechanismen der digitalen politischen Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. Langfristig kann dies das Vertrauen in die Demokratie stärken. Die zweite Erkenntnis: Bis das soweit ist, bleibt noch viel zu tun.
Seid ihr euch bzgl. der AFD-Zahlen wirklich sicher? Ich erhalte seit Wochen ausschließlich deren Werbung und habe blockiere/melde fleissig weiter.
Ich klicke immer auf die Werbung der CDU und der AfD. Die müssen nämlich per Klick an den Werbeanbieter, also Facebook oder Google zahlen. Wer also auf die Werbung klickt kostet denen richtig Geld.
Und da man darauf herum klickt bekommt man auch immer mehr Werbung angezeigt was noch viel mehr dazu verleitet darauf herum zu klicken so das es noch teuerer wird.
Ich finde, Werbeklicking ist eine legitime Form des Protestes gegen schlechte Politik !!!
Das sind die Zahlen, die Facebook rausgibt.