Politisches Microtargeting: In Deutschland und Österreich nichts Neues

Während in den USA Bewegung in die Debatte um zielgerichtete Wahlwerbung auf Basis von Facebook-Daten gekommen ist, wollen die Parteien hierzulande lieber nicht darüber sprechen. Ob Facebook Informationen über die politischen Präferenzen der Nutzer überhaupt rechtmäßig nutzen darf, ist umstritten.

– Alle Rechte vorbehalten David Paschke

Facebook wird im deutschprachigen Raum inzwischen von fast allen Parteien als zentrales Werkzeug im Online-Wahlkampf genutzt. Politisches Microtargeting, also das zielgerichtete Ausspielen von Wahlwerbung an spezifische Gruppen aufgrund ihrer Datenprofile, ist jedoch hochumstritten. Während in den USA derzeit über ein Gesetz beraten wird, das Parteien und Plattformen zu mehr Transparenz über politische Online-Anzeigen verpflichten würde, ist es nach den Wahlen in Österreich und in der Bundesrepublik wieder stiller um das Thema geworden. In mehreren Artikeln machen futurezone.at und der Tagesschau-Faktenfinder nun wieder auf die Problematik aufmerksam.

Parteien sagen weiter lieber nichts

Der Faktenfinder biss sich jedoch an der Geheimniskrämerei der größeren deutschen Parteien die Zähne aus – wie schon wir und andere Medien während des Bundestagswahlkampfes. Auf einen Fragenkatalog haben die im neuen Bundestag vertretenen Parteien demnach überwiegend vage oder gar nicht geantwortet. Konkrete Zahlen habe keine Partei genannt.

Da ist die Informationslage über die Rolle von Online-Plattformen im Wahlkampf in den USA besser. Das ist vor allem Untersuchungen des Kongresses zu verdanken, die über den Einfluss Russlands auf den Wahlkampf aufklären sollen. Das Problem von Dark Ads wird dadurch jedoch nicht gelöst. Als Dark Ads bezeichnet man Anzeigen, die ausschließlich an die ausgewählte Zielgruppe ausgespielt und von niemandem sonst nachvollzogen werden können. Sie eignen sich besonders, um den politischen Gegner gezielt zu diskreditieren oder unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Ziele zu suggerieren.

Eine Lösung könnten Transparenzpflichten sein, wie sie im Interview mit netzpolitik.org auch US-Rechtswissenschaftler Frank Pasquale forderte. Facebook experimentiert laut eigener Aussage derzeit zudem selbst damit, Nutzern mehr Informationen über seine Anzeigenkunden zu geben. Beim Faktenfinder heißt es dazu:

In Kanada testet Facebook dazu gerade eine neue Funktion: Wer eine Anzeige zu sehen bekommt, für die bezahlt wurde, der kann durch einen Klick herausfinden, wer für die Anzeige bezahlt hat – und kann zudem alle anderen Anzeigen sehen, die die Firma oder Person ausgespielt hat.

Sensible Datengrundlage

Auf futurezone.at gibt Barbara Wimmer unterdessen einen Einblick in spezifisch datenschutzrechtliche Streitfragen zum politischen Microtargeting. Die Parteien in Österreich hatten die Möglichkeiten der zielgerichteten Wahlwerbung – auch in Form von Dark-Posts – im Vergleich zu denen in Deutschland ungleich stärker genutzt.

Ein datenschutzrechtlicher Knackpunkt ist dabei, dass Likes für Parteiseiten und Reaktionen auf Posts von Parteien durchaus als Informationen über die politische Meinung der Betroffenen angesehen werden können. Diese sind laut österreichischem (und auch deutschem) Datenschutzgesetz besonders sensibel und schutzwürdig:

Laut der Einschätzung des IT- und Datenschutz-Spezialisten, Axel Anderl von DORDA Rechtsanwälte, handelt es sich beim Facebook-Like einer Partei definitiv um ein „sensibles Datum“ im Sinne der Datenschutzgesetze. „Schließlich geht aus dieser Information in der Regel die politische Meinung des betroffenen Facebook-Users hervor“, sagt Anderl.

Die Verarbeitung dieser Daten unterliegt daher strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen: Betroffene müssen ihre politische Meinung entweder selbst veröffentlichen oder ihre ausdrückliche Einwilligung geben. In dem Fall von Facebook-Likes trifft laut Anderl weder das eine, noch das andere zu. „Ein Like einer politischen Partei ist eingeschränkt auf den eigenen Online-Freundeskreis des Betroffenen und ist daher in den meisten Fällen lediglich teilöffentlich. Eine ausreichend konkretisierte Einwilligung der Nutzer zur Verarbeitung sensibler Daten wird von Facebook aktuell gerade nicht eingeholt. Daher haben einige europäische Datenschutzbehörden auch bereits Geldstrafen gegen Facebook verhängt“, erklärt Anderl.

Caspar: Politische Parteien tragen Facebooks Rechtsbruch mit

Der gleichen Meinung ist laut einem weiteren Artikel des Faktenfinders auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Er bemängelt, dass Facebook sich bislang weigert, deutsches Datenschutzrecht anzuwenden und die Zuständigkeit der deutschen Datenschutzaufsicht anzuerkennen. Dessen müssten sich auch die Parteien bewusst sein, die trotz laufender Verfahren gegen das Unternehmen auf seine Werkzeuge für datengetriebenes Microtargeting setzen:

Die „datenschutzrechtliche Verantwortung“ liegt laut Caspar allerdings auch bei den Parteien, „die diese Form der Datenverarbeitung durch Facebook nutzen“. Folgt man dieser Argumentation partizipieren die Parteien, die eigentlich eine tragende Säule innerhalb des demokratischen Rechtsstaats sein sollten, an einem offenen Rechtsbruch.

Caspar weist in dem Zusammenhang noch auf ein weiteres Problem hin. Weder die Parteien noch die Öffentlichkeit seien in der Lage, zu überprüfen, ob sich Facebook tatsächlich neutral verhalte und nicht aus Eigeninteresse Einfluss auf die politische Meinungsbildung nehme. Beim Faktenfinder heißt es dazu weiter:

Zum Beispiel wäre denkbar, dass Facebook denjenigen zu mehr Reichweite verhilft, die mehr bezahlen. Bezogen auf einzelne Posts handhabt Facebook dies nämlich genauso: Je mehr man in einen Werbe-Post investiert, desto mehr Personen wird er angezeigt. Die technischen Details und Hintergründe der Facebook-Algorithmen liegen weitgehend im Dunkeln, der Konzern betrachtet sie wie alle IT-Unternehmen als Geschäftsgeheimnis. Und auch die meisten Parteien zeigten sich auf Nachfrage des ARD-Faktenfinders nicht gerade gesprächig.

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