De Maizière scheint für staatliche Regelung zu Netzneutralität zu sein

Bundesinnenminister Thomas de Maizière spricht im Interview mit dem Spiegel davon, dass die Wichtigkeit des Internets als kritische Infrastruktur für die Zukunft der Staatlichkeit, Freiheit und Wirtschaft (nebenbei bemerkt: interessante Trias) auch eine Gewährleistungsfunktion des Staates begründen könnte. Interpretiert man den recht verklausulierten relevanten Absatz, kommt man auf die Idee, dass sich de Maizière dafür ausspricht, dass der Staat verstärkt regelnd eingreifen könnte. Beispielsweise auch, um Netzneutralität sicherzustellen oder um das Internet als Universaldienst festzuschreiben.

„Aus meiner Sicht muss der Staat eine Verantwortung für die Integrität der internationalen Kommunikation übernehmen.“

Das ist durchaus interessant. Was das Spezifikum der Kommunikationsintegrität im internationalen Raum ist, muss Thomas de Maizière bei Gelegenheit nochmal erläutern. Klar ist aber: wenn damit Netzneutralität gemeint ist, stellt sich de Maizière explizit gegen das Bundeswirtschaftsministerium des eventuellen neuen FDP-Vorsitzenden Rainer Brüderle. Denn dort hält man von einer gesetzlichen Festschreibung eher wenig und möchte das, ganz FDP, alles zumindest vorerst dem Markt überlassen und keine Regelwerke schaffen. Mehrere Telekommunikationsunternehmen haben im Laufe des Jahres 2010 bereits angekündigt, vom Prinzip der Netzneutralität abweichen zu wollen und mittelfristig dafür zu sorgen, dass Inhalte unterschiedlich tarifiert werden könnten.

Natürlich auch die Frage erlaubt sein, ob grundsätzlich der Staat der richtige ist, um Netzneutralität zu gewährleisten. Oder ob das nicht den allergrößten Bock zum Gärtner machen würde. In den USA hat diese Sichtweise unter anderem dazu geführt, dass die Electronic Frontier Foundation (EFF) jede mögliche Netzneutralitätsregulierung durch die Federal Communications Commission (FCC) eher kritisch betrachtet. Und ob de Maizière bzw. sein Ministerium unbedingt Garanten für Kommunikationsintegrität sind, darüber könnte man sicherlich auch noch etwas länger streiten.

14 Ergänzungen

  1. Integrität des Internets aus staatlicher Sicht: keine Kinderpornos, keine verschlüsselte Kommunikation, keine kritischen Blogs, aber sprudelnde Gewinne für die ISP’s, sonst ist ja die Funktionstüchtigkeit des Netzes nicht gewährleistet.

    So wirklich optimistisch bin ich bei der Aussage von de Maiziere nicht.

  2. Ob der Staat die richtige Institution für eine Regulierung ist, darüber kann man sicherlich streiten.
    Die passende Gegenfrage ist: Wer denn aber sonst?
    Eine Selbstregulierung erscheint da schwierig, weil viele der Provider auch als Inhalteanbieter auftreten.
    Ich denke bei der Bundesnetzagentur wäre das Ganze gut aufgehoben.

  3. „Integrität der internationalen Kommunikation“? Also, ich lese daraus Vorratsdatenspeicherung, Deep Packet Inspection, Internetsperren gegen Kinderpornografie/Pornografie/Urheberrechtsverletzungen/Bombenbauanleitungen, keine Anonymität. Aber auf Netzneutralität komme ich da nicht.

  4. Das die Netzneutralität von enormer Bedeutung ist, wird jedem klar der das Internet versteht. Es ist aber sicher nicht leicht gegen starke Lobbys zu kämpfen. Große Konzerne und die ISPs wollen es, da es den Zugang zum Markt erschwert und mehr Geld bringt.

    Um mal auf die „interessante Trias“ Bezug zu nehmen:

    Es löst in mir Unbehagen aus, wenn Worte einseitig interpretiert werden (Das wird hier nicht getan aber etwas implizier).
    Meines Erachtens kann man Staatlichkeit, Freiheit und Wirtschaft auch anders schreiben:
    Gerechtigkeit, Freiheit und Leben.
    Diese drei Werte zeichnen unsere Gesellschaft aus. Der Staat muss das Gleichgewicht und die Gleichgerechtigkeit halten, so dass keine Schieflagen (Monopole, usw.) entstehen. Die Freiheit muss gewährleistet bleiben und die Wirtschaft sorgt für unser Leben und Überleben.
    Der größte Posten im BIP ist mit 1,9 Billionen immernoch das Einkommen der Menschen in Deutschland!

  5. …er meint sicher nicht die Netzneutralität. Vermutlich meint er „Integrität“ im Sinne der Ethik, eher das Übereinstimmen des Handelns mit den Werten – also hier die Übereinstimmung der Kommunikation mit den Gesetzen. Also eher einer erhöhten rechtlichen Kontrolle und Begrenzung des Internets, mithin das genaue Gegenteil der Neutralität.

  6. Ich kann speziell dieses Politikergeschwurbel überhaupt nicht entschlüsseln.

    Ich tippe auf: „Bla bla bla, hört mich reden bla bla bla.“ oder Neusprech für die übelsten Dinge.

  7. Es bleibt nur die Möglichkeit den Herren solange unbequem auf den Füßen zu stehen, bis sie entnervt Klartext sprechen! Erst wenn die Karten auf dem Tisch liegen kann man an konkrete und konstruktive Kritik gehen und Alternativen erarbeiten.

  8. So, jetzt hab ich aber einen langen Text geschrieben. So viel sollte es gar nicht werden. Vielleicht werden die paar Worte ja entsprechend durch Kritik gewürdigt. Dieser Text ist Public-Domain. Macht damit was ihr wollt:

    Danke kontrapunkt, dass du im letzten Absatz staatliche Netzneutralität auch etwas kritisch betrachtest. Manche übersehen diese durchaus vorhandene Problematik.

    Noch bin ich kein aktiver Freifunker, aber wenn ich mal damit anfange, dann gibt es bei mir wahrscheinlich keine Netzneutralität im WLAN (Also bei meinen eigenen Routern). Ich plane mehrere Router aufzustellen und dann einen kleinen Betrag zu verlangen. Und irgendwann sollten die Kosten wenigstens teilweise gedeckt sein. (Geht das noch als Freifunk durch?)

    Netzneutralität werde ich so einschränken, dass je nach Bezahlungsbetrag die Leute eine unterschiedliche Priorität haben, wenn mal eine bestimmte Verbindung zwischen den Routern voll ist. Alternativ habe ich mir überlegt, einfach einen höheren Betrag für die Übertragung über eine begehrte Verbindung zu verlangen.

    Hört sich ziemlich übel an, aber ergänzende Netze werden immer wichtiger und langsam läuft uns die Zeit weg bei immer mehr Überwachungs- und Bevormundungsgesetzen. Deshalb muss eine faire Finanzierung her. Und ich kann keinen Grund sehen, warum in einem WLAN-Netz, welches ich zunächst alleine bezahle, die Leute alle gleich viel bezahlen sollen, unabhängig davon, über welche Entfernung sie Daten übertragen wollen. Jemand der 1 GB ans andere Ende der Stadt über meine 10 Router schickt, der soll mehr bezahlen, als der der 1 GB über zwei Router schickt. Je nach Definition der Netzneutralität könnte dieses Vorgehen bereits ein Verstoß darstellen. Datenübertragung ans Ende der Stadt ist eine größere Belastung für das Netz. Die Leute sollen ihre $linux_distribution.iso ;-) lieber von einem näherem Mirror laden, wo nicht so viele Hops belastet werden.

    Wenn die einzelnen Ziel-IP-Ranges unterschiedlich teuer wären, dann würden die Leute die lokalen Server nicht nur aus Geschwindigkeits-, sondern auch aus Kostengründen bevorzugen. Zusätzlich würden die Leute lokale Caches aufbauen, um ihren Nachbarn wiederum kostengünstigere Downloadmöglichkeiten anzubieten. So muss der Nachbar nicht den ultrateuren Download vom Mond benutzen, um es mal zu übertreiben. Beim Caching könnte dann die Haftung zum Problem werden und da könnte der Gesetzgeber ansetzen, wenn er das Netz besser machen will. (Will er aber nicht)

    Natürlich sind begehrte und ausgelastete Leitungen automatisch langsamer und die Torrent-Clients meiden die entsprechenden Knoten dann. Deshalb kann man immer argumentieren, dass Netzneutralität trotzdem Sinn macht. Netzneutralität ist ja auch ein sehr schöner Optimalzustand. Aber das Problem bei einer staatlichen Regulierung ist weniger, was man damit verursacht, sondern was man damit verhindert. Denn was man anrichtet kann man vorher analysieren. Was man verhindert kann man vorher kaum wissen. Deshalb will ich mir als Netzbetreiber oder Netz“nutzer“ nicht vorschreiben lassen, wie ich mit meinem Gegenüber die Leistungen austauschen darf. Über eine Kennzeichnungspflicht des Verstoßes der Netzneutralität kann man ja nachdenken. Aber eine staatliche Verpflichtung ist auch wegen bekannten Auswüchsen der Verletzung der Netzneutralität falsch, denn wir wissen nicht, was wir durch eine solche Regulierung verhindern.

    Beim BitTorrent Beispiel könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass es in manchen Situationen eine viel effizientere Lösung für die Übertragung von mehreren Daten mit mehreren Usern gibt. Besonders, wenn manche Verbindungen nur in eine Richtung gut funktionieren. (Ich hab irgendwann mal so eine Art Dead-Lock Situation auf dem Papier aufgemalt, leider hab ich das Blatt wahrscheinlich nicht mehr, aber das hat dann aber jetzt weniger mit der Netzneutralitäts-Debatte zu tun)

    Staatlich festgeschriebene Netzneutralität ist also meiner Meinung nach falsch. Regulierte Netzneutralität gilt auch immer für „alternative Netze“, denn keiner kann definieren, was zum Internet dazugehört und was nicht. Eine IPV4-Adresse kann jedenfalls nicht die Definition sein. Das Internet ist eine Bezeichnung für etwas, das eigentlich nur die freiwillige Zusammenarbeit von Kommunikationspartnern beschreibt, die sich freiwillig auf Technologiestandards und Tarife einigen.

    Wenn die großen Kommunikationsdienstleister ihre Kunden abzocken würden und dann die großen Gewinne absaugen, dann ist das Problem nicht die mangelnde Netzneutralität, sondern irgendein rechtliches Problem, welches es neuen Marktteilnehmern schwierig macht, eigene Leitungen zu ziehen und dann neutralere Internetzugänge an Kunden zum gleichen Preis zu verkaufen oder gleich schlechte Internetzugänge zum beseren Preis zu verkaufen. Übersehe ich etwas?

    Wenn der Staat jedoch Fördergelder vergibt, um einen Breitbandausbau zu fördern, dann ist es aber wieder in Ordnung, dies an die Netzneutralität zu binden.

    Meine Forderungen:
    – Der Staat soll den Leuten nicht reinreden, unter welchen Bedingungen sie Geschäfte abschließen.
    – Der Staat soll sich aber auch nicht ausnutzen/ausnehmen lassen. (Fördergelder)

    So, jetzt hab ich aber einen langen Text geschrieben. So viel sollte es gar nicht werden. Vielleicht werden die paar Worte ja entsprechend durch Kritik gewürdigt. Dieser Text ist Public-Domain. Macht damit was ihr wollt.

    1. Was du übersiehst ist, dass man durch Festschreiben der Netzneutralität tatsächlich etwas verhindern will. Das Internet soll nämlich nicht so gestaltet werden, dass man damit optimal Geld verdienen kann, sondern dass es die derzeitige offene Struktur behält. Nun könnte man argumentieren, dass die derzeitige offene Struktur vielleicht garnicht optimal ist, und dass man sich eine noch viel bessere und noch viel offenere Struktur verbaut, aber alles spricht gegen diese Vermutung, denn man muss schauen, was denn die Optimierungsschraube ist. Da die Optimierungsschraube der Marktwirtschaft nun mal das Geld ist, wäre es schon ziemlich überraschend, wenn da zufällig nebenbei Offenheit herauskommt.

  9. Ich verstehe dass du das Internet gerne offener/neutraler gestallten willst. Will ich auch. Aber bitte gestalte nur deine eigene Leitungen. Das Internet gehört uns nicht. Die Anbieter wollen ganz klar den Gewinn maximieren. Wenn uns das nicht passt müssen wir Alternativen schaffen. Die Leitungen sind das Eigentum der Provider/Carrier/whatever. Die Leitungen haben die bezahlt. Mit welchem Recht wollen wir über deren Eigentum bestimmen? Im Grundgesetz steht ganz klar: Eigentum verpflichtet.

    Aber: Hätte der Anbieter keine Leitungen gekauft, so hätten wir heute nun nichts zu Regulieren.

    Das Internet hat nicht Top-Down von irgendwem gestaltet zu werden. Es wird ausschließlich von den Teilnehmern gestaltet.

    Ich sollte beginnen ein Buch zu schreiben. Wir laufen in das nächste Regelwerk hinein und die Community zieht kräftig mit.

    @Ein Mensch: Ich frag dich mal ganz böse: Möchtest du mir vorschreiben, wie ich meine WLAN-Netze anzubieten habe, nachdem ich sie bezahlt und aufgebaut habe?

    1. @Markus123: Sobald du öffentliche Infrastruktur anbietest und Monopolist oder einer von sehr wenigen Anbietern bist, selbstverständlich.

  10. Und was macht ein Anbieter, dessen Weiterleitungskunden alle zahlen? Wie legt er eine Priorisierung fest? Preisspirale? Wie sieht es denn mit Gleichbehandlung aus?

    Zahlen müssen (und machen es de facto!)diejenigen die den Traffic erzeugen und das sind die Nutzer die das Angebot abrufen. Bzw. auch die Anbieter zahlen bereits für einen Breitbandanschluss (wie jeder Homepagebetreiber oder Gameserveranbieter weiß). Es ist also alles schon bezahlt und nur weil die Provider meinen sie müssten auch so viel Geld wie die innovativen großen Internetunternehmen verdienen heißt das noch lange nicht das sie im Recht sind. Erst diese innovativen Netzunternehmen bescheren den Providern doch mehr Nutzer! Wieviele würden denn das Internet nutzen wollen ohne funktionierende Suchmaschine oder ohne soziales Netzwerk oder ohne kostenlose Artikel? Hmm? Die verdienen wahrlich schon genug durch Youtube und co. da müssen sie nciht nochmal extra verdienen!

    Wenn die Provider mit den Flatrates nicht mehr hinkommen müssen sie die Internetgebühren halt erhöhen oder wieder zu Volumentarifen zurückkehren. So einfach ist das – aber nicht einfach wie Wegelagerer dastehen und groß Geld für die freie Standspur kassieren.

  11. Bei Monopolisten könnte ich „Ein Mensch“ zustimmen. Da könnte man durchaus die Netzneutralität erzwingen, auch wenn es nicht der saubere Weg ist. (Ein bisschen Bauchschmerzen hätte ich schon)

    Dann wird sich aber der Monopolist aufsplitten und mit ein bisschen Kreativität alles so hindrehen, dass er offiziell kein Monopolist mehr ist. Und keiner kann das verhindern. Und dann kommen noch mehr Regulierungen…

    Provider die mit Flatrates werben sollen auch Flatrates liefern. Hier muss dringend eine gesetzliche Definition von Flatrate her, um manche betrugsartige Zustände zu beenden.

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