Störerhaftung: EuGH-Generalanwalt macht Hoffnung

Offene WLANs sucht man in Deutschlands Kaffeehäusern oft vergeblich, der Störerhaftung sei Dank. CC BY-NC 2.0, via flickr/People’s Cafe

Anbieter offener WLANs in Cafés oder Geschäften können nicht für Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte heute der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Maciej Szpunar, in einem Verfahren zur deutschen Störerhaftung. Zwar könne ein Gericht den Betreiber dazu verpflichten, diese Rechtsverletzung zu beenden oder zu verhindern, schreibt Szpunar (PDF). Allerdings sei es nicht zumutbar, solche WLANs mit Passwörtern zu versehen, die Kommunikation zu überwachen oder gar den Internetanschluss stillzulegen.

Sollte der EuGH in seinem Urteil der Argumentation des Generalanwaltes folgen, was meist der Fall ist, dann würde das einen herben Rückschlag für die deutsche Bundesregierung bedeuten, deren geplante Reform des Telemediengesetzes bislang unglücklich verlaufen und von Seiten der Netzgemeinde, der EU-Kommission sowie von Sachverständigen stark unter Beschuss gekommen ist. Freuen könnten sich hingegen potenzielle Betreiber offener Netze auf der einen und Nutzer auf der anderen Seite, die offene WLANs in Deutschland derzeit mit der Lupe suchen müssen.

„Vermittler“ von Haftung ausgenommen

Hintergrund ist der Fall des Freifunkers und Piraten Tobias McFadden, über dessen offenes WLAN ein Unbekannter eine Musikdatei illegal heruntergeladen haben soll. Der Rechteinhaber Sony Music hatte daraufhin 800 Euro von McFadden gefordert, wogegen dieser Klage eingelegt hat. Das zuständige Landgericht München wandte sich schließlich vergangenen Dezember an den EuGH, um die Vereinbarkeit mit europäischem Recht zu klären.

In seinem Schlussantrag stellte Szpunar nun klar, dass die durch die E-Commerce-Richtlinie garantierte Haftungsfreiheit auch für Anbieter wie McFadden gilt, der sein offenes WLAN nur nebenbei und nicht als wirtschaftliche Haupttätigkeit betrieben hat. Als „Vermittler“ und „Anbieter von Diensten der reinen Durchleitung“ sei er von Schadenersatzforderungen, Abmahn- und Gerichtskosten ausgenommen.

Und selbst wenn ein Gericht anordnen sollte, solche Rechtsverletzungen zu unterbinden, müsste dabei sichergestellt sein, dass die Maßnahmen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ gestaltet sind, sich gegen eine konkrete Rechtsverletzung richten und den Betreibern keine „allgemeine Überwachungspflicht“ auferlegen. Zudem müsse ein angemessenes Gleichgewicht zwischen „der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit sowie der unternehmerischen Freiheit einerseits und des Rechts des geistigen Eigentums andererseits“ gewahrt bleiben.

Filtern nein, sperren ja?

Wie solche gerichtlichen Sperranordnungen umgesetzt werden könnten bleibt jedoch unklar. In Frage kämen etwa DNS-Sperren, die aber leicht zu „Overblocking“ führen, leicht zu umgehen und „am Ende natürlich ein technischer Witz“ sind, wie es der Jurist und Rechtsanwalt Ansgar Koreng ausdrückte. Auch der Richter und netzpolitik.org-Autor Ulf Buermeyer wollte sich noch nicht zu früh freuen. Zwar würde der Schlussantrag weitgehend positiv für WLAN-Betreiber klingen, aber „zugleich eine gefährliche Hintertür für gerichtliche Sperr-Anordnungen“ offenlassen. „Das ist ein Votum nach dem Motto: ‚Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass'“, so Buermeyer. „Ich würde daher keinen Cent darauf wetten, wie der EuGH entscheidet, einfach weil die Schlussanträge in sich völlig widersprüchlich sind“. Etwas optimistischer gab sich Volker Tripp, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, in einem Blog-Eintrag: „Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen“.

11 Ergänzungen

  1. Wurde die Datei wirklich heruntergeladen? Hat das Herunterladen zur Abmahnung geführt oder das „Zur Verfügung stellen“ für andere?

    1. Na endlich. Ich hab das suchen nach offenen WLANS wirklich satt. Durch die ganze Abmahnpanik gibt es ja kaum noch offene Netze, über die man Musik und Bücher befreien und ebenso anderen ohne Angst vor Verfolgung zur Verfügung stellen kann. Kommt der Vorschlag des Staatsanwaltes durch, dann ist das ein Meilenstein für die sharing is caring Bewegung. Freu mich drauf !

    1. Europäisches Recht steht über Deutschem Recht. Insofern: Viel, weil die deutsche Sau auf die europäische hören muss. Und wird.
      Leider ignoriert das der braune Pöbel hierzulande, vermutlich mehr aus mangelnder politischer Bildung oder Dummheit denn aus bösem Willen.

      1. Oder um es mit Kauter von der Union zu sagen: in Europa wird wieder Deutsch gesprochen. EuGH? Hat beim VDS-Gesetz keinen in der Bundesregierung und bei SPD und CDU interessiert, Mutti meint Berlin wäre die Hauptstadt von Europa, und auch hier wirds die braunen nicht jucken, die werden schon einen Grund finden, warum das Natzionalangelegenheit ist.

      2. Nope, nach europäischem Recht steht europäisches Recht über deutschem Recht. Nach deutschem Recht steht das deutsche Recht über dem europäischen Recht. Is doch klar? :)

        Oder kurz: Deutschland macht so weiter wie bisher und leistet sich eben die paar Strafzahlungen.

      3. Dummes Geschwafel:

        Das zuständige Landgericht München wandte sich schließlich vergangenen Dezember an den EuGH, um die Vereinbarkeit mit europäischem Recht zu klären.

        Die halten sich schon an den EuGH, sonst würden die ihn nicht erst fragen.

      4. Schon klar, aber trotzdem ist die Frage „was ist die höhere Rechtssprechung“ nicht ganz so einfach zu beantworten, wie du es dir vllt vorstellst.

      5. Oder um den inhaltlichen Kontext zu erhalten: Wenn die Bundesregierung nicht will, dass die Störerhaftung abgeschafft wird, gibt es Mittel und Wege.

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