Regierungen und Verwaltungen stellen Datenbestände noch zu selten frei und maschinenlesbar zur Verfügung, sagt Julia Kloiber von „Code for Germany“. Die Open-Data-Bewegung habe auch im Jahr 2015 wieder versucht, konkrete Anwendungen zu entwickeln, um auf die Vorteile einer offenen Bereitstellung hinzuweisen.
Statt eines Jahresrückblicks in Buchform gibt es dieses Jahr jeden Tag im Dezember einen Artikel als Rückblick auf die netzpolitischen Ereignisse des Jahres. Das ist der achte Beitrag in dieser Reihe.
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Open what?
Open Data bezeichnet die Idee, Datenbestände von Regierungen und Verwaltungen (Open Government Data) offen zur Verfügung zu stellen. Interessierte können für diese Datenbasis Anwendungen schreiben oder auch die Zahlen kritisch hinterfragen und durchleuchten. Dies spricht von Seiten der Politik und Verwaltung möglicherweise neben irrsinnigen Kostenargumenten gegen eine Bereitstellung der Daten. Daher liegt Deutschland beim Zugang zu öffentlichen Dokumenten und sonstigen Informationen im Vergleich hinter Georgien und Hongkong – trotz eigenem Datenportal. Dennoch sollten wir hierzulande bei der Forderung nach freien Daten den Datenschutz nicht vergessen.
Wir haben mit Julia Kloiber über Fortschritte und Ausblicke bei Open Data gesprochen. Sie leitet das Projekt „Code for Germany“ bei der Open Knowledge Foundation Deutschland.
Wie war das Jahr 2015 bisher für die Open-Data-Bewegung?
Julia Kloiber: Auf Bundesebene hat sich leider nicht wirklich viel getan. Wenn ich mir heute Blogbeiträge aus dem Jahr 2012 durchsehe, werde ich immer leicht depressiv, weil die Diskussionen über Open Data einfach immer noch ähnlich laufen. Doch es gibt ein paar positive Entwicklungen: Rheinland-Pfalz hat seit kurzem auch ein Transparenzgesetz, die Deutsche Bahn öffnet sich langsam und veranstaltet schon den dritten Open-Data-Hackathon. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat neben einem Hackathon einen Fonds aufgesetzt, um unter anderem Datenbestände zu öffnen und nutzbar zu machen. Auch in den Städten und Kommunen gibt es viele Menschen, die sich für das Thema einsetzen.
„Die Bundesregierung ignoriert das Thema bisher.“
Problematisch ist jedoch, dass Deutschland immer noch kein Mitglied der Open-Government-Partnership (OGP) ist. Auch die Umsetzung der Open-Data-Charta der G8 läuft eher schleppend, hier hat man sich zum Ziel gesetzt, zwei Datensätze pro Ministerium zu öffnen. Das stellt sich jedoch als schwieriger heraus als gedacht.
Wo hakt es?
Julia Kloiber: Die Bundesregierung ignoriert das Thema bisher, und es mangelt massiv an Ressourcen. Im Innenministerium gab es zwei Personen, die für den nationalen „Open-Data-Aktionsplan“ zuständig waren. Die sind durch die Ministerien getingelt, wurden jetzt aber auch verlegt oder sind einfach nicht mehr da. Damit gibt es im Moment niemanden, der das Thema im federführenden Ressort bearbeitet. Das ist auch für die Zivilgesellschaft, die viel Zeit und Kraft in die Zusammenarbeit gesteckt hat, sehr irritierend.
Das heißt, da klafft jetzt eine große Lücke. Dabei vergisst die Politik oft, dass die Themen „Open Data“ und „Transparenz“ viele Anknüpfungspunkte zu anderen Themen (wie z. B. Flüchtlingshilfe, Mobilität, Umwelt) haben und bei der Lösungssuche helfen können. Daten als Informationsgrundlage sind hilfreich, um Probleme im Detail zu verstehen – als eine wichtige Basis für die Entscheidungsfindung.
Wo siehst Du Entwicklungspotentiale für das kommende Jahr?
Julia Kloiber: In Deutschland haben wir ein ziemlich fragmentiertes Bild. Einige Länder haben überhaupt keine Informationsfreiheitsgesetze (IFG), andere haben bereits Transparenzgesetze. Die IFG basieren auf dem Prinzip, dass Menschen als Bittsteller zu Behörden gehen und einen Antrag stellen. Das ist oftmals ein langwieriger Prozess und teilweise mit Gebühren verbunden. Ein Transparenzgesetz kehrt das Prinzip um: Behörden müssen aktiv Informationen von „A“ wie „Aktenpläne“ bis „Z“ wie „Zuwendungsbescheide“ in einem Register veröffentlichen.
„Wir wollen in weiteren Städten aktive Gruppen aufbauen.“
Ich wünsche mir, dass Deutschland 2016 der OGP beitritt. Damit müssten wir uns einem konkreten Maßnahmenkatalog verpflichten, um die Transparenz zu fördern. Innerhalb der OGP gibt es auch einen regen Austausch, so dass nicht jedes Open-Data-Rad neu erfunden werden muss.
Es gibt zudem ein gutes SPD-Papier zu einem Transparenz- oder Open-Data-Gesetz. Das liegt quasi in der Schublade, das müsste nur herausgeholt und auf Bundesebene implementiert werden.
Zur Arbeit der Open Knowledge Foundation. Was ist bei „Code for Germany“ für das nächste Jahr geplant?
Julia Kloiber: Wir haben bei „Code for Germany“ mittlerweile zwanzig Open Knowledge (OK) Labs in Städten in ganz Deutschland. Das sind Gruppen von Programmierern, Designern und engagierten Bürgern, die offene Daten in ihren Städten nutzen. Die lokalen Gruppen haben in den letzten eineinhalb Jahren nützliche digitale Tools für ihre Städte entwickelt und damit gezeigt, was aus offenen Daten entstehen kann. Dabei haben sie gute Beziehungen zu den politischen Vertretern und Verwaltungsmitarbeitern aufgebaut. Die Landesregierung in NRW arbeitet inzwischen an einer Open-Data-Strategie, dort gibt es regelmäßig informelle Treffen mit den OK Labs.
Wir wollen in weiteren Städten aktive Gruppen aufbauen. Außerdem wünsche ich mir, dass wir wegkommen von abstrakten Begrifflichkeiten – ohne konkreten Bezug interessieren sich nur wenige für Open Data. Vielmehr geht es darum, was sich damit machen lässt.
Das sehen wir auch in unserem Projekt „Jugend hackt“. Bei diesen Programmierwochenenden entwickeln junge Geeks gemeinsam mit Mentoren neue Ideen, Anwendungen und Tools – auf Basis offener Daten. Nächstes Jahr werden wir das auch ausweiten und vermehrt junge Leute auf die Frage aufmerksam machen: Wie kannst du deine Fähigkeiten im digitalen Bereich für dich, deine Nachbarschaft und die Gesellschaft nützlich einsetzen?
Welche konkreten Projekte willst Du als Positivbeispiele ins Jahr 2016 mitnehmen?
Julia Kloiber: Wir müssen nicht nur den Bürgern, sondern auch der Politik zeigen, welche positiven Effekte Open Data auf Wirtschaft und die Effizienz von Verwaltungen hat. Hier gilt es, das abgekaute Narrativ „Deutschland hinkt bei Open Data hinterher“ zu verlassen. Jetzt geht es darum, was wir von den Fortschritten im internationalen Ausland lernen können.
Konkrete Beispiele
Anhand des Mobilitätsbereichs lässt sich gut erklären, warum Open Data Innovationen fördert. So generieren in Städten, in denen die Daten über den öffentlichen Nahverkehr offen verfügbar sind, einfach Start-Ups neue Anwendungen. Damit entsteht ein Vielfaches an Tools und Services für Nutzer. In Magdeburg haben zwei Studenten aus dem OK Lab eine Anwendung entwickelt, die einfach die nächste Abfahrt auf Basis des Standorts ausgibt. Die bereits bestehende Nahverkehrsanwendung in Magdeburg war ihnen viel zu komplex für ein simples System von Bussen und Straßenbahnen.
Ein weiteres Beispiel: In vielen Städten gibt es relativ wenige Luftmessstationen. In Stuttgart und anderen Städten haben Engagierte das Thema Luftqualität angepackt und Do-it-yourself-Kits für Feinstaubsensoren entwickelt. Die so gesammelten Daten werden an die Stadt zurückzugeben.
Vielen Dank für das Interview.
Vielen Dank an Hanne Bohmhammel für die Unterstützung bei der Transkription des Interviews.
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