PressefreiheitReporter ohne Grenzen kritisiert Israels Angriffe auf Journalist:innen

Fast 200 Journalist:innen wurden im aktuellen Gazakrieg getötet. Reporter ohne Grenzen hat die Fälle dokumentiert und macht das israelische Militär für die meisten verantwortlich. Die Organisation kritisiert, dass auch in Ostjerusalem und im Westjordanland die Pressefreiheit weiter unter Druck gerät.

Ein Bild von einer Demonstration in Barceolna 2023, um Journalist:innen zu gedenken, die durch die israelische Armee getötet wurden. Auf der Erde liegen diverse Werkzeuge von Medienschaffenden wie Objektive und Mikrofone, in der Mitte eine blaue Schutzwese mit dem Wort "Press"
Gazakrieg: Pressefreiheit unter Beschuss. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Press Wire

Der Krieg in Gaza ist tödlich, auch für Journalist:innen. Reporter ohne Grenzen zählt seit dem 7. Oktober 2023 fast 200 getötete Medienschaffende im Gazastreifen. Im Libanon seien zehn Medienschaffende getötet worden und in Israel fünf, berichtet die Nichtregierungsorganisation. Vor allem palästinensische Journalist:innen würden in Gaza unter Lebensgefahr arbeiten.

Als Hauptursache für die hohe Zahl der getöteten Journalist:innen benennt Reporter ohne Grenzen Israels Art der Kriegsführung. Das israelische Militär spreche zwar von gezielten Schlägen gegen die Hamas und gegen den Islamischen Dschihad, töte bei Bombardierungen aber sehr viele Zivilist:innen. Tatsächlich seien die meisten der getöteten Medienschaffenden bei Angriffen des israelischen Militärs ums Leben gekommen. Mindestens 43 von ihnen seien nachweisbar im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden.

Reporter ohne Grenzen wirft der israelischen Armee zudem Kriegsverbrechen wie die gezielte Tötung von Berichterstattenden vor. So geschehen zuletzt am Montag, als das israelische Militär die Journalisten Hossam Shabat und Mohammed Mansour mit Raketenangriffen tötete. Israel bestätigte, dass es sich um gezielte Angriffe handelte und behauptete, die beiden seien „Terroristen“ gewesen. Pressefreiheitsorganisationen weltweit kritisieren Israel dafür und fordern Konsequenzen.

Reporter ohne Grenzen wirft auch der Hamas Kriegsverbrechen vor und fordert insgesamt einen besseren Schutz von Medienschaffenden. So zum Beispiel durch Schutzzonen für Journalist:innen, die nicht beschossen werden dürften. Die Organisation hat zudem Strafanzeigen wegen Verbrechen an Journalist:innen gestellt und fordert Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes. Zudem müsse Israel internationalen Medienschaffenden den Zugang zum Gazastreifen ermöglichen.

Auch im Westjordanland nimmt der Druck zu

Unterdessen nehme der Druck auch auf Journalist:innen in den anderen palästinensischen Gebieten weiter zu, kritisiert Reporter ohne Grenzen. Seit Jahresbeginn habe man bereits 20 gezielte Angriffe israelischer Kräfte auf palästinensische Medienschaffende in Ostjerusalem und dem besetzten Westjordanland dokumentiert.

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Der freiberufliche Fotojournalist Mohammed Atiq etwa, der für die Nachrichtenagentur AFP über eine Razzia in einem Flüchtlingslager in Qabatiya berichtete, sei zusammen mit anderen Journalist:innen mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten attackiert worden. Die freiberufliche Journalistin Nagham al-Zayet wiederum filmte am 29. Januar eine Razzia in Tulkarem. Plötzlich habe ein israelischer Soldat einen Schuss auf einen Stahlpfosten direkt neben ihr abgefeuert, mutmaßlich um sie einzuschüchtern. Die Journalistin sei dabei an der Hand verletzt worden.

Aziza Nofal, die für Reporter ohne Grenzen im Westjordanland tätig ist, berichtet, dass die israelische Armee nach dem 7. Oktober 2023 auf vielen Straßen im Westjordanland Dutzende von Metallbarrieren errichtet habe. Das erschwere es für Medienschaffende, über die gewaltsamen Razzien in den Lagern für Geflüchtete zu berichten.

„Wir dürfen uns an diese Normalisierung der Gewalt nicht gewöhnen“, sagt Anja Osterhaus, die Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen Deutschland. Sie betont, dass Medienschaffende in der Region von zwei Seiten unter Druck seien, da auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) immer wieder gegen kritische Berichterstattung vorgehe. Seit Januar habe die PA neun Journalist:innen vorladen oder vorübergehend inhaftieren lassen, weil sie Verbindungen zum katarischen Fernsehsehsender Al-Dschasira haben sollen. Die Behörde hatte den Sender Anfang des Jahres verboten, weil er Desinformation verbreite und sich „in die inneren Angelegenheiten Palästinas“ einmische.

Angriff auf Oscar-Preisträger

Erst vor wenigen Tagen war auch der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Christian Meier, im Westjordanland von der israelischen Polizei festgenommen worden. Die FAZ schildert den Vorfall in einer Mitteilung, in der es heißt: „Siedler hatten ihn und weitere Journalisten sowie eine Gruppe israelischer Menschenrechtsaktivisten auf palästinensischem Privatland an der Weiterfahrt gehindert.“ Und weiter: „Die von der Gruppe gerufene israelische Polizei sicherte schließlich die Weiterfahrt, nahm aber Meier und einen der Israelis fest, offenbar auf Drängen der Siedler und ohne Befragung der übrigen Anwesenden.“ Nach mehreren Stunden auf einer Polizeiwache sei Meier unter der Auflage entlassen worden, dass er 15 Tage lang das Westjordanland nicht betritt.

Anfang dieser Woche wurde auch der Oscar-Preisträger Hamdan Ballal im Westjordanland attackiert. Der Co-Regisseur des Dokumentarfilms „No Other Land“ war laut Augenzeugenberichten von israelischen Siedlern brutal zusammengeschlagen und von israelischen Soldaten gefangengenommen worden. Die israelische Armee erklärte, man habe Palästinenser festgenommen, die verdächtigt werden, Steine geworfen zu haben. Erst am Dienstag kam der Filmemacher wieder frei. Er berichtete von Misshandlungen durch die Armee.

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4 Ergänzungen

  1. „Pressefreiheitsorganisationen weltweit kritisieren Israel dafür und fordern Konsequenzen.“

    Welche Konsequenzen? Die wären genau zu benennen.
    Wer 200 Journalisten tötet, dem dürften Konsequenzen ziemlich egal sein.

  2. > „Wir dürfen uns an diese Normalisierung der Gewalt nicht gewöhnen“, sagt Anja Osterhaus

    Ich fürchte es ist längst normal und wir haben uns schon längst daran gewöhnt.

    Israel dürfte alle Moscheen und Kirchen in Gaza zerstört haben. Es hat alle Universitäten, fast alle Krankenhäuser zerstört. Es bombardiert Schulen, sogar Friedhöfe lässt es nicht in Ruhe. Israel hat Felder verwüstet. Gaza ist zum Großteil eine Trümmerwüste. Und das ist jetzt nur ein Kleiner Teil von Israels Kriegsverbrechen.

    Und trotzdem sehe ich das nicht in der Tagesschau, eigentlich ist jedes zerstörtes Krankenhaus eine Nachricht. Jedenfalls solange bis jedem Zuschauer klar ist, dass so etwas aus Gewohnheit macht. Die Tagesschau verschwieg uns als Israel den Waffenstillstand endgültig brach, dass Israel den Waffenstillstand brach. Sie verschwieg uns, dass Israel zig Male vorher schon kleine Brüche begangen hat. Sie verschwieg uns die Anzahl der Toten, die Israel im Schlaf bombardiert hat.

    Da wundert es nicht, wenn die Tagesschau auch kein Wort über die getöteten in Gaza verliert, immerhin der höchste Wert in einem Konflikt weltweit. Und dann wundern die sich dass ein Großteil der Bevölkerung ihnen nicht vertraut:

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/berichterstattung-gaza-100.html

    Dass diese Gewalt längst als normal angesehen wird, zeigt sich auch daran, dass unsere Bundesregierung, diese Gewalt nicht verurteilt. Ja sogar im Gegenteil, sie hat sogar noch Waffen dafür geliefert. Nach diesen Waffen haben Merz, Söder, und Spahn auch noch geschrien. Bei all diesen Kriegsverbrechen, wäre eigentlich ein Waffen- und Wirtschaftsembargo fällig. Aber das Erste, was Merz nach der Wahl getan hat, war Netanjahu nach Deutschland einzuladen trotz internationalen Haftbefehl, den Merz natürlich ignorieren will. Wer so etwas raushaut, muss dafür normalerweise zurücktreten. Das hat aber niemand wirklich gejuckt.

    1. “Nach dem Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu kündigte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán am 22. November 2024 an, den israelischen Premierminister einzuladen und nicht festnehmen zu lassen. Auch Friedrich Merz garantierte am 24. Februar 2025, einen Tag nach dem Wahlsieg der Union, dass er den ausstehenden Haftbefehl gegen Netanjahu missachten und eine sichere Ein- und Ausreise ermöglichen wolle.” (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof)

      Was hat Herr Merz eigentlich vor der Wahl dazu gesagt? Frage für eine Freundin.

      Die Autokraten der Welt lassen jedenfalls die Schaumweinkorken ob dieser selektiven Rechtsauffassung knallen.

      Und es kommt noch besser: Merz sucht augenscheinlich auch in anderen Themenbereichen den Schulterschluss zum Autokraten Orbán. Etwa beim Asylrecht.

      Kann man schon so machen, wenn man(n) gerade einmal 20% der Wahlberechtigten repräsentiert.

  3. Es soll ja vorkommen das die Islamischen Hamas Terroristen als Journalisten tarnt. Da müsste man also auch das untersuchen wie viele von den toten tatsächlich „echte“ Journalisten waren !

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