EtappensiegBelgien scheitert mit Abstimmung zur Chatkontrolle

Die EU-Staaten einigen sich heute nicht auf eine Position zur Chatkontrolle. Die Ratspräsidentschaft hat die Abstimmung von der Tagesordnung genommen, weil sie keine ausreichende Mehrheit hat. Damit ist Belgien gescheitert, jetzt geht die Präsidentschaft an Ungarn.

Menschen in Anzügen sitzen in einem Cybermäßig dekorierten Raum, auf dem Tisch vor ihnen ein übergroßes Smartphone.
Es wird heute keine Abstimmung zur Chatkontrolle geben. – Public Domain generated with Midjourney

Es wird heute keine Entscheidung des EU-Rats zur Chatkontrolle mehr geben. Die belgische Ratspräsidentschaft hat den entsprechenden Punkt von der Tagesordnung genommen. Grund ist, dass keine ausreichende Mehrheit zugestimmt hätte.

Das bestätigen Sprecher:innen vom Rat und mehreren EU-Staaten gegenüber netzpolitik.org. Eigentlich hätten die Vertreter:innen der Staaten heute den Gesetzentwurf Belgiens als Verhandlungsposition des Rats annehmen sollen.

Stattdessen wurde der Punkt auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter:innen tagt zwar jede Woche, aber kurzfristig kann Belgien keinen mehrheitsfähigen Vorschlag präsentieren. Im Juli geht die Ratspräsidentschaft von Belgien an Ungarn. Ungarn hat in seinem Arbeitsprogramm angekündigt, die Verhandlungen zur Chatkontrolle voranzutreiben.

Keine Mehrheit

Die EU-Staaten versuchen schon seit zwei Jahren, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen. Eine Sperrminorität aus Staaten hat die bisherigen Vorschläge abgelehnt und blockiert, darunter Deutschland und Frankreich. Deutschland hat gestern angekündigt, gegen den Entwurf zu stimmen.

Frankreich schien in den letzten Wochen erneut umgeschwenkt zu sein. Nach einer „eine Entscheidung auf höchster Ebene“ kann Frankreich zustimmen, wenn „es keine Schwächung von Verschlüsselung und eine Überprüfungsklausel bezüglich der Technologien“ gibt.

Tschechien hatte gegenüber netzpolitik.org angegeben, sich enthalten zu wollen, Irland wollte für das Vorhaben stimmen. Wie die weiteren EU-Mitgliedstaaten zum neuesten Entwurf stehen, haben uns deren Pressestellen bis zum Schluss nicht beantwortet.

Das ist bereits das zweite Mal, dass die EU-Staaten das Gesetz zur Chatkontrolle ablehnen. Im Dezember ist bereits Spanien damit gescheitert, eine Einigung im Rat zu erzielen.

Damit gehen die Verhandlungen der EU-Staaten weiter. Ungarn ist seit Anfang an Befürworter der Chatkontrolle.

Update: Wir sammeln Reaktionen zum Ergebnis: Heute feiern, morgen weiter kämpfen.

10 Ergänzungen

  1. Können die das einfach so wieder und wieder probieren, wenn sie mangels Mehrheit scheitern? Nach dem Motto „Irgendwann ist der Widerstand gebrochen, irgendwann wird es schon zur Mehrheit kommen“?

    1. Theoretisch ja. Im Gegensatz zum Bundestag, verfällt ein Gesetzentwurf nicht nach Ende der Legislaturperiode des Parlaments, da ja der Entwurf von der Kommission stammt.

    2. «Wir beschliessen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein grosses Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt»
      (Jean-Claude Juncker, ehemaliger EU-Kommissionspräsident)

      Zum Glück gab es diesmal Geschrei, solche Entscheidungen kommen meistens auf den Tisch, wenn gerade eine große Ablenkung läuft, wie z.B. eine Fussball Europameisterschaft.

  2. Tschechien enthält sich nur ? Da ist doch die Piratenpartei mit an der Regierung, schwaches Signal !

    Orban ist sicher ein Freund der Überwachung der Opposition. Aber als Gegner der EU wird er sicher keine Massenüberwachung in den Händen der EU haben wollen. Denke das Ungarn das Thema daher eher nicht weiter voran treiben wird.

  3. Das Abstimmungsverhalten zur Chatkontrolle ist äußerst chaotisch. Ungarn zum Beispiel, das Vorhaben gemeinsamer EU-Staatlichkeit sehr kritisch und ablehnend gegenübersteht, stimmt für die Chatkontrolle und will sie sogar voranbringen. Ich vermute stark, weil damit die Opposition und kritische Gesellschaft überwacht und eingeschränkt werden kann. Man sucht nach Kindermissbrauch und findet „ganz zufällig“ oppostionelle Inhalte. Selbst wenn die Software strikt von der EU überwacht werden WÜRDE, so ist der Datenfluss eben nicht kontrollierbar und auch nicht die Menschen, die damit zu tun haben werden. Und selbst wenn das so eingerichtet werden würde, 1-2 kleine Änderungen der Artikel, Beteiligungsrechte der Mitgliedsstaaten an den Verträgen und Bumm, der Überwachungsstaat ist in den EU-Verträgen fest integriert und die EU damit tot.

    Mir wäre das eine große Erleichterung, wenn man den EU-Politikern, vor allem Ursula von der Leyen, strikt verbieten würde, bei der Chatkontrolle den Kindesmissbrauch vorzuschieben! Es wird nämlich durch die Chatkontrolle der Kindesmissbrauch nicht weniger! Oder glaubt Zensursula wirklich, die Kindervergewaltiger halten diese Verbrechen für legal und nicht verfolgt? Das Schlimmste ist auch noch, mit der Chatkontrolle redet die EU-Kommission sich von den wirklichen Maßnahmen gegen den Kindesmissbrauch heraus, wie eine stärke Überwachung und Unterstützung amtlicher Stellen (Polizei und Jugendämter), bei denen die Hinweise und Vermutung zu möglichen Kindesmissbrauch zuerst eingehen!

  4. Einmal tief durchatmen und sich wenigstens bischen erholen. Ein bischen Zeit mehr, die alle, denen Freiheit und Demokratie noch etwas bedeuten, nutzen müssen, um die Öffentlichkeit in Sachen Chatkontrolle aufzuklären und zu mobilisieren. Damit dieser Irrsinn endlich endet.

    (Bitte diesen Kommentar nehmen und den ersten löschen, da Tastaturprobleme:)

  5. Ich hatte gestern versucht bei der Botschaft in Brüssel anzurufen im mich zu beschweren. Leider nur eine Bandansage. Ab heute: fighting by coding, so wie ich es immer gemacht habe.

  6. Auch wenn es jetzt ein Etappensieg ist, sollte man trotzdem neben Aufklärung in Sachen Chatkontrolle auch nicht aufhören sich auch Gedanken zu machen, wie man sich bestmöglich schützen kann, falls sie wirklich irgendwann durchkommen sollte.

    Man braucht sich nur mal anzuschauen, wer in den nächsten Jahren die Ratspräsidentschaften hat, da sind außer Polen und Dänemark nur Befürworter dabei.
    siehe https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/ (etwas weiter unten)

    Klar, es könnte theoretisch evtl die Möglichkeit bestehen, dass sich die Meinung ändert, wenn andere Leute im Rat sind, aber davon ausgehen würde ich nicht.
    Wenn von der Leyen wieder EU-Kommissionspräsidentin werden sollte und / oder die nächste EU-Kommission mit ähnlichem Personal besetzt sein sollte wie die jetzige, weiß man genau, was man zu erwarten hat.

    Und wenn die ungarische Ratspräsidentschaft (ein Befürworter der Chatkontrolle) jetzt schon sagt, dass die CSA-Verordnung für sie eine kommende Priorität ist…
    An echten Kinderschutz-Lösungen werden auch die wohl nicht interessiert sein.

    Zudem ist die Chatkontrolle ja nicht der einzige Großangriff der EU auf die Grund- und Bürgerrechte, der gerade läuft. U.a. der Going-Dark-Irrsinn ist ja auch hochaktuell.

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