Untersuchung von US-Datenschutzbestimmungen„Moderne Autos sind ein Privatsphäre-Alptraum“

Wer einen Nissan in den USA kauft und den Datenschutzbestimmungen zustimmt, erlaubt dem Unternehmen, Daten über die „sexuelle Aktivität“ zu erheben und weiterzugeben. Die Mozilla-Foundation hat sich bei 25 Automarken angeschaut, was diese sammeln dürfen – mit teils haarsträubenden Ergebnissen.

Symbolbild mit Einsen und Nullen und einem Auto im Fadenkreuz.
Die Fülle an Daten, die Autohersteller sammeln, ist immens. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Ralph Peters

Die Mozilla-Foundation hat sich im Rahmen ihres Programms „Privacy not included“ die US-Datenschutzbestimmungen von 25 Automobilherstellern – unter ihnen Unternehmen wie VW, Audi und BMW – angeschaut und dabei untersucht, welche Rechte an den Daten der Autobesitzer:innen sich die Unternehmen einräumen lassen.

Das Ergebnis: Beim Privatsphäre-Test fallen alle untersuchten Automarken durch. Laut Mozilla lassen die US-Datenschutzbestimmungen die Sammlung von mehr Daten zu als bei Handy-Apps, als bei Home-Assistenzsystemen oder Smartphones selbst. Hinzu kommt, dass zahlreiche Datenschutzbestimmungen unübersichtlich waren und die Kund:innen kaum Möglichkeiten zum Widerspruch haben.

Die gängige Vorstellung des Autos als privater Raum entspricht nicht mehr der Realität, sagt Jen Caltrider von Mozilla. „Alle neuen Autos sind heute Alpträume für die Privatsphäre auf Rädern, die riesige Mengen an persönlichen Daten sammeln“, so die Leiterin der Privatsphäre-Testreihe.

Weitergabe persönlicher Daten an Dritte

Laut der Untersuchung gaben 84 Prozent aller Hersteller an, dass sie die persönlichen Daten weitergeben dürfen, mehr als drei Viertel gaben an, dass sie die Daten auch verkaufen dürfen. Mehr als die Hälfte aller US-Datenschutzbestimmungen lässt zu, dass persönliche Daten auf „Anfrage von Ermittlungsbehörden“ weitergegeben werden dürfen – bei Hyundai sollen Behördenanfragen beantwortet werden können, egal ob sie „formell oder informell“ sind. Eine solche Gummi-Formulierung erlaubt die Beantwortung jedweder Behördenanfrage, unabhängig davon ob diese legal oder illegal ist.

Bei allen Fahrzeugen werden zahlreiche Daten gesammelt, die mit dem Fahrzeug und seiner Nutzung entstehen. VW gibt zum Beispiel an, dass es Daten darüber sammelt, wohin und wie schnell ein Auto fährt, ob es abgeschlossen ist oder ob der Fahrer angeschnallt ist. Ähnliche Daten darf auch Audi sammeln, das zum gleichen Konzern gehört. Hinzu kommen bei den Herstellern technische Daten, wie der Stand des Treibstofftanks und vieles mehr. Andere Autos zeichnen mit Kameras die Straße, die Umgebung oder den Innenraum des Fahrzeugs auf.

„Sexuelle Aktivität“ und „genetische Informationen“

In den Datenschutzbestimmungen lassen sich Autofirmen aber auch die Erfassung von Kategorien wie „Sexueller Aktivität“ und „religiöser Anschauungen“ (Nissan) und „Sexleben“ (Kia) erlauben, sechs Hersteller sehen die Sammlung von „genetischer Information“ als erlaubte Datenkategorie bei der Nutzung ihrer Fahrzeuge an.

Misha Rykov, einer der Personen, die bei der Untersuchung mitgewirkt haben, sagt dass es nicht das erste Mal sei, dass Mozilla „schreckliche Datenschutzpraktiken“ aufgedeckt habe. „Aber Autos sind einzigartig – ihre Datenschutzmängel betreffen nicht nur den Fahrer, sondern auch die Passagiere und manchmal sogar Fußgänger in der Nähe. Sie können Sie hören, sehen und verfolgen“, so Rykov weiter. „Wenn man sich heute in ein Auto setzt, ist das so, als würde man sein Telefon dem Autohersteller überlassen.“

Nur bei zwei der untersuchten Marken können die Kund:innen ihre Daten löschen, bei Renault und Dacia. Beide Marken werden ausschließlich in der EU verkauft und müssen sich deswegen an die Datenschutzgrundverordnung halten. Bei den anderen Marken haben die Nutzer:innen die Hoheit über die Daten mit Unterschrift unter den Datenschutzbestimmungen weitgehend verloren. Die deutschen Datenschutzbestimmungen der Autokonzerne waren nicht Teil der Untersuchung von Mozilla, aber auch hierzulande werden erhebliche Mengen von Daten in modernen Fahrzeugen gesammelt.

Mehrheit der Deutschen will über Daten selbst bestimmen

In Deutschland bekommt das Thema Datenschutz und vernetztes Fahren nun mehr Aufmerksamkeit. Eine aktuelle Befragung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) fand heraus, dass fast drei Viertel aller Befragten sich wünschen, selbst entscheiden zu dürfen, ob und welche Daten Fahrzeughersteller (73 Prozent) sowie andere Unternehmen und Behörden (74 Prozent) verarbeiten dürfen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage (PDF / PDF) hervor, welche der vzbv bei forsa beauftragt hat. 78 Prozent der Befragten möchten außerdem, dass eine Weitergabe der Daten über eine unabhängige Stelle vonstatten gehen soll.

Der vzbv kritisiert, dass die Bundesregierung bislang keine Anstrengungen unternommen habe, eine solche Treuhänder-Lösung anzugehen, obwohl diese im Koalitionsvertrag steht. „Zur Halbzeit der Legislaturperiode steht aber nicht einmal ein Grundkonzept für das Treuhänder-Modell, das im Koalitionsvertrag versprochen wurde“, so Ramona Pop vom vzbv. Die Bundesregierung sei hier im Verzug.


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32 Ergänzungen

  1. Alptraum = Traum über die Alpen,

    Albtraum = Nachtmahr, schauerlicher Traum, Wortherkunft angelehnt an mythologische Kreaturen (Elfen, alben)

    Nicht schwer, oder?

    1. Ja, wahrscheinlich richtig. Duden lässt beides zu, empfiehlt aber Albtraum.

      Und gilt dann nicht: Albtraum = Traum über die schwäbische Alb?

        1. Als aus dem Gunther der Günni wurde : : ) https://de.wikipedia.org/wiki/Etymologie
          Dem Hochdeutsch sein Dativ, ist dem schwääääbischen sein Tod :)
          Auf der Alb | ( Alp / Alm ) da gibt’s koa Sünd >> nie nich never ever .

          In der Nacht verborgen – dank der Tarnkappe – , ringt Siegfried Brünhild im Schlafgemach des Burgunderkönigs nieder, sodass Gunther ihr die Jungfräulichkeit nehmen kann. Also Gunther, dein selbstgewähltes „nom de plume“, läßt den Küchenpsychologen tief in deine Seele blicken.

          Günni: Finde die Fehler und du darfst sie „ausnahmslos alle“ behalten. Nicht schwer, oder?

      1. Schon aus ästhetischen Gründen würde ich die Schreibweise Alptraum bevorzugen. Das Wort Alptraum steht für bedrückende Emotionen und gefährliche Situationen. Und deshalb ist der Bezug zu Alp (Alpe/Alm/Bergwiese) genau richtig. Der Absturz auf einer steilen, nassen Bergwiese bedeutet höchste Todesgefahr, denn da gibt es kein Halten mehr. Während ein Aufprall gegen vereinzelte Felsbrocken, Baumstämme oder Rindshörner für ein schnelles Ende sorgen, führt das Schanzen über den Abgrund auch noch zum freien Fall.

        Wie blass jedoch sind jene Al?träume, die mit b geschrieben wurden. Hüte dich vor schwäbischen Träumen!

  2. Wer sich in den vergangenen Jahren ein Auto gekauft hat – neu oder gebraucht, jedenfalls nicht ganz alt –, produziert mit jeder Fahrt eine ordentliche Menge Daten. Zum Beispiel zum Beschleunigungs-, Lenk- und Bremsverhalten, zum Standort oder zu den Sitzeinstellungen – die geben nämlich Aufschluss darüber, ob immer die gleiche oder unterschiedliche Personen das Fahrzeug nutzen.

    Doch wer herausfinden will, was der Autohersteller da genau speichern, über einen selbst oder Freunde und Familie, die das Fahrzeug mitnutzen, …

    https://taz.de/Mobilitaetsdaten-in-Pkws/!5955235/

  3. Es gibt Momente, da bin ich froh, dass unsere Digitalisierung hinterher hinkt. Aber wie der Fall Tesla vor ein paar Jahren gezeigt hat: Es ist egal, was die Hersteller sammeln.

  4. Was E-Fahrräder und Roller mit SIM Karten des Herstellers da wohl so sammeln und weitergeben? Interessanter Nebenspielplatz. Wenn die Hersteller es wollen, werden aus den Fahrrädern und Rollern Nixfahrräder. Ein Schelm, wer das hackt. Was jetzt noch mal wie lange dauern wird? Und was wird eigentlich aus „Wir geben niemals deine Daten raus“, wenn google (nur bsplw.) das Unternehmen kauft oder irgendein anderer Troll? Wer wollte den Mist eigentlich haben?

    1. > Wer wollte den Mist eigentlich haben?

      Gute Frage! Wer hat einen Nutzen davon, zu welchem Zweck?

      Sicher gibt es Kunden, die sich von Feature-Listen beeindrucken lassen. Manche kommen gar nicht auf die Idee, dass damit die Reichweite des Akkus verkürzt wird.

      Primäres Interesse an möglichst vielen Daten haben jedoch Hersteller und Service-Anbieter. Aber wozu?
      Um das beantworten zu können, müsste man die Datensätze kennen, die übermittelt werden. Gibt es dafür eine gesetzliche Informationspflicht? Ich würde aber nur dem trauen, was ich selbst gehackt habe.

      Und damit ich noch lange hacken kann, setze ich lieber auf eigenen Muskelantrieb.

  5. „In den Datenschutzbestimmungen lassen sich Autofirmen aber auch die Erfassung von Kategorien wie „Sexueller Aktivität“ und „religiöser Anschauungen“ (Nissan) und „Sexleben“ (Kia) erlauben“ – Auch wenn das da drin steht, so sind das doch Informationen, die das Auto nie erfahren kann, oder wie soll das gehen?

    1. > „Sexleben“ … Informationen, die das Auto nie erfahren kann, oder wie soll das gehen?

      Sensoren unter den Sitzen, bei Null Umdrehungen des Motors oder der Räder?
      Auswertung auf typisch rhythmische Impulse.
      Auswertung der Innenraumakustik auf typische Muster.
      Auswertung vorhandener Videostreams aus dem Innenraum durch Hersteller-KI.
      Geolocated footage im nahen Umkreis bekannter Locations oder Szene-Treffs.

  6. Wann und wo unterschreibt man hier, dass die Hersteller entsprechende Daten erheben dürfen. Doch wohl nur, wenn man auch entsprechende Dienste, wie z.B WeConnect bei VW aktiviert.
    Beim Autokauf selbst wohl kaum. Oder wie ist das beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs geregelt?

    1. Gute Fragen! Wer kann antworten?

      a) Neuwagenkauf.
      b) Eigentümerwechsel.
      c) Nutzungsüberlassung an Dritte.

      In welcher Form wird notwendiger Konsens erhoben? Technologisch durch Abfrage bei Bedienung oder in schriftlicher Form? Opt-In/Opt-Out?

  7. Neuwagenkäufer unterschreiben eine Datenschutzerklärung, Gebrauchtwagenkäufer in der Regel aber nicht, ist dann da die Datenerhebung überhaupt legal?

  8. Aus diesem Grund würde ich nur noch gebrauchte Autos vor 2018 kaufen. 2018 wurde der SIM-Kartenzwang eingeführt. Wenn ich telefonieren will, dann nehme ich ein Linux-Smartphone oder ein Feature-Phone mit. Mein Auto soll mich von A nach B bringen, nicht mehr, nicht weniger. Spart auch Ressourcen, aber wir haben ja offenbar keine Klimakrise (Wieso nochmal gibt es immer noch Luxusautos, -schiffe und -Flugzeuge?).

  9. Überwachung und Ortung durch die EU mit dem neuen OBFCM (früher WLTP)
    bzw. E-Sim Modul unerwünscht ?
    Youtube : Reifen-KFZ Werkstatt
    Wir werden nicht gefragt,sondern diskret überwacht.
    Hier wurde nur ein Baustein der UN-Agenda verwirklicht.
    Die weiteren Bausteine erklären gerne Klaus Schwab,WHO,Bill Gates usw. ganz offen……

    1. Also wenn die Sex meinen, denke ich, dass das Smartphone da sicherlich bei ist. Alles wofür man nicht ins Gefängnis kommt.

      D.h. mindestens alle Informationen, die man dem System über seine Geräte gibt, die bei Protokollverbindungen anfallen, alles was an Funk anfällt, sofern das Auto intern Antennen dafür hat usw. usf.

  10. Weil Mozilla das in den USA angeschaut hat.

    Dass vor 10 Jahren schon eine lange Liste mit all den Überwachungs- und Spionageeinrichtungen in in Deutschland verkauften Autos kursierte, und anhand des BMW-Beispiels vom Focus veröffentlicht wurde, interessiert wohl keinen. Dass seitdem alles noch schlimmer geworden ist auch nicht. Dass inzwischen nicht nur die Hersteller, sondern auch der Staat seine Spionagegeräte zwangsweise in jeden Neuwagen eingebaut hat auch nicht.

    Seid ihr alle blind? So lange, bis in den USA mal einer was sagt? Könnt ihr nicht mehr selbst denken?

    Und denkt ihr echt, dass die Datenschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, wäre das Problem? NEIN, VERDAMMT! Das Problem ist, dass Staaten und Firmen und ausspionieren, Dass die ALLES über uns wissen. Mehr als wir jemals über uns selbst wissen können. Diese „Datenschutzgesetz“ sollen uns ruhigstellen. Aber doch nicht schützen!

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