Egal ob beim Handyvertrag oder beim neuen Stromanbieter: Die Schufa spielt eine große Rolle. Sie weist Menschen einen Bonitätsscore zu. Nach eigenen Angaben hat die private Auskunftei Daten zu „68 Millionen natürlichen Personen und 6 Millionen Unternehmen“. Fällt der Score positiv aus, kann er Türen öffnen. Stellt er uns ein negatives Zeugnis aus, wird es schwieriger. Der Europäische Gerichtshof hat nun zwei wichtige Grundsatzfragen zur Schufa und Kreditauskunfteien im Allgemeinen geklärt.
In der ersten ging es um die automatische Bonitätsbeurteilung. Das „Scoring“ ist demnach nicht zulässig, wenn die Kund:innen der Schufa „wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen“, urteilte der EuGH. Das bedeutet: Als ausschlaggebender oder sogar alleiniger Faktor darf der Score nicht genutzt werden. Bei der Frage, ob Verbraucher:innen einen Vertrag schließen können oder einen Kredit bekommen, müssen auch andere Umstände berücksichtigt werden. Kurzum: Eine wichtige Entscheidung für einen Menschen darf nicht allein eine Maschine treffen.
Marco Blocher von der Datenschutzorganisation NOYB begrüßt den Gerichtsbeschluss: „Bürgern einfach irgendwelche Kredit-Scores zu geben und dann automatisch Verträge zu verweigern, ist mit dem EuGH-Urteil in der gesamten EU nun Geschichte“, so Blocher.
Recht auf Neuanfang
Bei der zweiten Frage ging es um die Möglichkeit, frühere Negativfaktoren abzulegen: Private Register dürfen Daten zur Restschuldbefreiung nicht länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister, so der EuGH.
Wenn also beispielsweise jemand Privatinsolvenz beantragen musste, darf das nicht übermäßig lang bei der Schufa nachvollziehbar sein. In Deutschland sind die Daten sechs Monate im Insolvenzregister, bei der Schufa flossen sie bis zu drei Jahre in die Bonitätsbeurteilung ein. Das ist nicht rechtmäßig: „Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung“, schreibt der EuGH.
Neben Insolvenzen kann es jedoch auch andere sogenannte Negativdaten wie etwa zu unbezahlten Rechnungen geben. Auch auf die werde sich die Gerichtsentscheidung auswirken, sagt Blocher: „Das Urteil ist auch richtungsweisend für andere negative Informationen, die oft trotz minimalen Zahlungsverzug lange gespeichert werden.“
Der EuGH befasste sich mit der Schufa, weil das Verwaltungsgericht Wiesbaden ihm die Fälle vorgelegt hatte. Zur ersten Frage hatte eine Frau geklagt, die wegen eines schlechte Schufa-Scores keinen Kredit bekam. Ihre Beschwerde beim hessischen Datenschutzbeauftragten blieb erfolglos; die Behörde war außerdem der Meinung, dass ihre Bescheide nicht gerichtlich überprüfbar seien. Betroffene Personen hätten zwar ein Beschwerderecht, ein Gericht könne die Entscheidung der Aufsichtsbehörde aber inhaltlich nicht überprüfen.
Entscheidungen von Datenschutzbehörden sind gerichtlich überprüfbar
Dieser Auffassung erteilte der EuGH eine klare Absage. Das Luxemburger Gericht stellt klar, dass „die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.“
Die Schufa gab sich nach dem Urteil ebenso zufrieden wie die Datenschützer. „Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, so die Auskunftei. Die Schufa beruft sich also darauf, dass ihre Scores nur ein Faktor unter vielen seien.
Auf Grundlage der EuGH-Entscheidungen muss das Wiesbadener Gericht nun unter anderem prüfen, ob das Bundesdatenschutzgesetz eine gültige Ausnahme von dem Scoring-Verbot formuliert. Und wenn ja, ob diese Ausnahme mit europäischen Datenschutzregeln im Einklang steht.
Klar ist die Schufa zufrieden. Mit dem Urteil ist sie und ihr Score aus der Geschäftsgeheimniskristallkugel ohne Berücksichtigung von Einkünften, Vermögen aber mit Daten in z.T. überschaubarer Qualität aus dem Schneider, denn jetzt ist der dran, der nein sagt…
Habe gerade meinen Banken Bescheid gegeben und ihnen die Freigabe entzogen, meine Daten an die Schufa weiterzugeben. Ich trage das Risiko gerne, schließlich ist deren Müll-Score ja nicht ausschlaggebend für irgendwas.
Meine Banken haben das bestätigt, man sei am Abwägen, ob weiter mit der Schufa kooperiert werden könne.
Ich sag dir schon mal voraus, das deine Banken sich eher gegen dich entscheiden werden.
Da würde ich nicht dagegen wetten!
Apropos „Müll-Score“: Was ich viel erschreckender finde ist, dass kaum einer der Verantwortlichen der Schufakunden den Score hinterfragt. Probleme wie Datenqualität werden ignoriert.
Das muss ein Geschäftsgeheimnis sein. Oder ein Fall von „Haben wir immer schon so gemacht, der letzte, der wusste warum, ist vor 30 Jahren verstorben.“
Die Qualität der Auskunft ist völlig egal. Wenn das alle machen, machen das alle, weil alle es machen. Abweichung ist Verantwortung und Risiko, beides ist zu vermeiden.
Das ist leider keine Polemik, zB weite Teile des Sicherheitstheaters in IT oder Flugverkehr funktionieren genauso.
„Das ist leider keine Polemik, zB weite Teile des Sicherheitstheaters in IT oder Flugverkehr funktionieren genauso.“
Genauso -> Soundso.
Es wird grob abglehnt was vielleicht irgendwie nicht Top sein könnte, und zwar zu einem Prozentsatz. So ähnlich werden auch Stellenausschreibungen behandelt, wenn es viele gibt. Dann wird eben nach Foto oder Handschrift, Grammatik, sonstwas selektiert. Sinn? Mit dem Arbeitstag durchkommen, bei gegebener Risikoreduktion.
Wie unscharf das bei der Schufa ist, kann ich natürlich auch nicht sagen, vermute aber, dass bzgl. gewisser Bereiche lokal eine hohe Unschärfe besteht (Also eher nicht Hausbesitzer ohne Einträge, oder Großverdiener.). Ein paar Red Flags funktionieren vielleicht, aber die Idee, aus der Masse die Zukunft vorherzusagen, wird gerne mal zu einem Modellierungsprojekt (Forme die Zukunft!). Hier sollte man also die Begriffe nicht durcheinanderbringen (Vorhersage, Risiko, Realität, Zukunft).
Ich dachte immer, dass man der Datenübermittlung zustimmen muss, weil man sonst erst gar kein Konto bekommt…
Hauptsächlich werden hier die Dauer und der Umfang der Speicherung von negativen Fakten betrachtet.
Unsere Entscheidungsfreiheit bei Kauf- und Lieferverträgen wird jedoch schon durch die subtile Ankündigung von weiteren Einflüssen auf das Scoring beeinflusst. Der guten Bonität wegen wird so mancher Kunde von Versorgungsunternehmen auf häufige, aber vertragsgerechte Anbieterwechsel verzichten.
Weiterhin wirkt sich eine mangelnde Konsumbereitschaft negativ auf den Bonitätsscore aus. Beispiele: Fehlende Kredithistorie, keine registrierten Käufe auf Rechnung beim Versandhandel.
„Weiterhin wirkt sich eine mangelnde Konsumbereitschaft negativ auf den Bonitätsscore aus. Beispiele: Fehlende Kredithistorie, keine registrierten Käufe auf Rechnung beim Versandhandel.“
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„Martina Mustermann kommt in ihrem Alltag zurecht ohne jemals einen Kredit aufgenommen zu haben. Das müssen wir mit einem schlechten Score bestrafen.“
Irgendwie lächerlich und absurd, wenn man mal näher darüber nachdenkt.
Nein. Gerade finanziell erfolgreiche und aktive Leute haben schon aus steuerlichen Gruenden idR Kredite laufen. Und natuerlich ist jemand, der wiederholt Kredite genutzt und sauber bedient hat, vertrauenswuerdiger als jemand, dessen diesbezuegliches Verhalten unbekannt ist.
Warum ist es vertrauensunwürdig wenn jemand ohne Kredite auskommt? Das hinzubekommen klingt doch schließlich nach hoher finanzieller Kompetenz, die man belohnen statt bestrafen müsste,
Ich verstehe das Ganze – auch aus anderer Berichterstattung heraus – noch nicht: Ist jetzt das Scoring selbst verboten (in Abhängigkeit davon, wie die Kunden damit umgehen) oder ist nur die „falsche“ Verwendung des Scores verboten (dann betrifft dieser Teil des Urteils die Schufa doch gar nicht, weil sie nur den Score bereitstellt und keine Verantwortung dafür hat, wie ihre Kunden ihn verwenden)?
Gerne helfe ich aus:
Das Scoring selbst ist nicht verboten. Es ist allerdings nicht mehr erlaubt, aufgrund des Scores eine negative Entscheidung zu fällen, heißt einen potentiellen Kunden nicht anzunehmen.
Das große Problem mit der Schufa ist die Datenqualität. Imho wird die nicht sichergestellt und ist bei einer Anfrage wohl auch nicht transparent. Meine Score ist extrem schlecht, ich bekomme keine Wohnung, kein Handyvertrag, mit Banken ständig Ärger. Mein Leben bewältige ich, weil bis aufs Bankkonto alles über meine Eltern läuft. Einziger Ausweg: Ein teures Gerichtsverfahren ohne Gewissheit auf Erfolg.
Der Grund profan und simpel: Die Schufa hat mich vor zwei Jahren für tot erklärt. Das wurde auf nachfrage dann zwar korrigiert, aber „so wie man halt arbeite und arbeiten muss“ bin ich erstmal ein leeres Blatt Papier, eine andere Abteilung kümmere sich, das wieder herzustellen. Nix passiert, machtlos gegen ein intransparentes System.
Extra doof: Durch viele Versuche etwas zu bekommen, wurden viele Anfragen gestellt. Scheinbar ist bereits die Anfragehäufigkeit ein Teil des Scorings und scheint ihn negativ zu beeinflussen.
> Scheinbar ist bereits die Anfragehäufigkeit ein Teil des Scorings und scheint ihn negativ zu beeinflussen.
Ja, das ist so, und ist schon länger bekannt.