Liebe Leser:innen,
In Berlin gibt es eigentlich nur zwei Jahreszeiten: Sommer und Winter. Wechselhafte Zwischenphasen sind meist nur von kurzer Dauer.
Gerade ist so eine Zwischenphase: Draußen schlägt das Wetter mitunter stundenweise um. Mal wärmt die Spätsommersonne, dann prasselt wieder heftiger Regen gegen die Scheiben.
Ein ähnliches Umschlagen der politischen Wetterlage erleben wir aktuell mit Blick auf die Chatkontrolle.
Ende September schien es noch so, als klare sich der Himmel leicht auf: Die entsprechende Verordnung flog erst im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten von der Tagesordnung, kurz darauf verschob der Rat die Abstimmung darüber.
Zaghaft keimte bei uns die Hoffnung auf, dass das Vorhaben doch noch scheitern könnte. Zumal nur wenige Tage später mehrere europäische Medien die millionenschweren Geschäfte der Chatkontrolle-Lobby aufdeckten. Diese unterhält offenbar engste Verbindungen zu EU-Kommissionspräsidentin „Zensursula“ von der Leyen und Innenkommissarin Ylva Johansson.
Doch die Hoffnung währte nur kurz, bald schon zogen wieder dunkle Wolken auf.
Als der Innenausschuss des Europäischen Parlaments Johansson aufforderte, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, reagierte die Kommissarin gewohnt überheblich und uneinsichtig. Sie schalt die Medien und die Zivilgesellschaft und wiederholte ihre Mantra, dass die Chatkontrolle „dem Schutz von Kindern“ diene.
Dass Europol die gesammelten Daten haben und die Überwachung obendrein ausbauen will, verschwieg sie dabei geflissentlich. Und dass bereits erste EU-Abgeordnete fordern, die Chatkontrolle unter anderem auf Pornografie, Migration und Drogen auszuweiten, bekümmert sie offenbar ebenfalls nicht.
Es besteht längst kein Zweifel mehr: Kommt die Chatkontrolle, dann befördert sie uns geradewegs vom Regen in die Traufe. Und mich beunruhigt beides gleichermaßen: das ignorante, selbstherrliche und antidemokratische Agieren der Kommission und das gewaltige Überwachungsmonster, das sie mit unlauteren Mitteln zum Leben erweckt.
Im Ergebnis schadet die Kommission der Demokratie und den Grundrechten massiv. Umso entschiedener müssen wir uns dem Vorhaben entgegenstellen – gerade wenn am Ende „nur“ ein fauler Pseudo-Kompromiss zur Abstimmung steht.
Packt Euch warm ein und bleibt kämpferisch!
Daniel
In dieser Woche fand im Bundestag auch die erste Anhörung statt zur Nachrichtendienstreform und dem BND-Gesetz-Entwurf.
Konstantin von Notz, Konstantin Kuhle und Irene Mihalic haben unsere Verfassung verteidigt (planen, die Entwürfe aus dem Kabinett noch deutlich nachzubessern), und Sebastian Hartmann von der SPD hat sich daraufhin an die CDU gewandt, ob diese ihm nicht dabei helfen könnte (… die Verfassung einzureißen, oder was ?) – muss man sich anhören (!) :
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw41-de-bnd-gesetz-968832
Die SPD ist da steckengeblieben, wo Christian Flisek das Leben von Edward Snowden ruinierte beim NSA-Untersuchungsausschuss 2014-2026, mir ist wirklich komplett unverständlich, WARUM das so ist !!!
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Beim Anwaltsverein wird das BMI zu diesen Gesetzentwürfen zitiert: „Wenn aus dem BMI während der Verhandlungen von dem Entwurfsverfasser offen erklärt werde, dass es „nicht seine primäre Aufgabe sei, ein verfassungskonformes Gesetz zu verfassen, sondern die Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste sicherzustellen“, spreche das Bände.“
Quelle: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/dav-findet-gesetzentwurf-zum-nachrichtendienstrecht-untauglich