GesetzentwurfPolizei soll Staatstrojaner etwas seltener nutzen dürfen

Die Polizei soll Staatstrojaner nicht mehr so einfach nutzen dürfen wie eine normale Telefonüberwachung. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Justizministeriums hervor, den wir veröffentlichen. Die fundamentalen Probleme von staatlichem Hacken ignoriert die Bundesregierung.

Marco Buschmann mit Smartphone
Will Smartphones etwas besser schützen: Justizminister Marco Buschmann. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / IPON

Ein Telefon abhören – das ist alltägliche Ermittlungsarbeit. Jedes Jahr überwacht die Polizei in Deutschland zehntausende Telefonanschlüsse. In den meisten Fällen geht es um Drogen. Die Polizei in Bayern überwacht 13 Telefonanschlüsse von Klima-Aktivist:innen der Letzten Generation.

Seit 2017 darf die Polizei nicht nur passiv Telefongespräche beim Telefonanbieter mithören, sondern aktiv Smartphones hacken und Apps per Staatstrojaner ausforschen. Das hat die Große Koalition beschlossen und den als Quellen-TKÜ bezeichneten Staatstrojaner der klassischen Telekommunikationsüberwachung rechtlich gleichgesetzt. Auch Staatstrojaner nutzt die Polizei vor allem wegen Drogen.

Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Eingriffsschwellen für Staatstrojaner hochzusetzen und das Gesetz an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf erarbeitet und an die anderen Ministerien geschickt, berichtete Iris Sayram für Tagesschau. Wir veröffentlichen jetzt den Gesetzentwurf in Volltext.

Zwei Arten Staatstrojaner

Schon 2008 hat das Bundesverfassungsgericht das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ definiert, das der Staat schützen muss und nur sehr begrenzt verletzen darf. Das höchste Gericht hat 2016 erneut klargestellt, dass die Polizei Staatstrojaner nur zum Schutz von „überragend wichtigen Rechtsgütern“ wie Leib und Leben nutzen darf.

Trotzdem hat die Große Koalition den Einsatz von Staatstrojanern massiv ausgeweitet. Dazu haben sie neben dem großen Staatstrojaner „Online-Durchsuchung“, der nach dem Hacken eines Geräts sämtliche Informationen ausleiten kann, einen kleineren Staatstrojaner „Quellen-TKÜ“ erfunden, der nach dem Hacken eines Geräts nur Kommunikation ausleitet. In beiden Fällen nutzt die Polizei auch kommerzielle Produkte wie FinFisher FinSpy oder NSO Pegasus.

Technisch unterschieden sich Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung nicht, schreibt das Justizministerium im Gesetzentwurf. „Beide Maßnahmen greifen in die Integrität und Vertraulichkeit eines informationstechnischen Systems ein.“ Darüber hinaus beschränkt das geltende Gesetz die Quellen-TKÜ nicht auf laufende Kommunikation, sondern erlaubt auch Zugriff auf gespeicherte Kommunikation.

Diese Probleme will FDP-Justizminister Marco Buschmann mit dem Gesetz lösen.

Gesetz begrenzt Befugnisse

Aktuell darf die Polizei die Quellen-TKÜ bei einer langen Liste an 44 schweren Straftaten einsetzen, immer wenn sie auch normale Telefone abhören darf. In Zukunft soll sie das nur noch bei 33 besonders schweren Straftaten dürfen, wenn sie auch eine Online-Durchsuchung durchführen darf. Das umfasst immer noch Straftaten wie Computerbetrug, Drogenhandel und Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung – weit mehr als Terror, Mord und Totschlag.

Eigentlich erfasst eine Quellen-TKÜ nur laufende Kommunikation, wie eine Telefonüberwachung. Die Große Koalition hat das auf gespeicherte Kommunikation wie Chatverläufe ausgeweitet. Das ist weit mehr als eine Telekommunikationsüberwachung, eher eine „kleine Online-Durchsuchung“. Der Gesetzentwurf stellt klar, dass gespeicherte Kommunikation nicht mehr per Quellen-TKÜ überwacht werden darf, nur noch per Online-Durchsuchung.

Eine Online-Durchsuchung darf alle gespeicherten Inhalte überwachen, wie eine Wohnungs-Durchsuchung. Sie gestattet aber „keine Live-Überwachung“. Laut Justizministerium dürfte das „auch nach derzeitiger Rechtslage unzulässig sein“. Das Gesetz will das nun klarstellen und Zweifel ausschließen. In Zukunft soll die Online-Durchsuchung nicht mehr heimlich Kamera und Mikrofon anschalten dürfen.

Die Online-Durchsuchung soll bald nur als letztes Mittel zulässig sein, wie die Akustische Wohnraumüberwachung. Eine Quellen-TKÜ soll statt einem einzelnen Ermittlungsrichter nur die Kammer des Landgerichts anordnen, analog zur Online-Durchsuchung. Eine Anordnung gilt dann für drei Monate und kann danach für einen Monat verlängert werden statt bisher drei. Betroffene müssen benachrichtigt werden, das kann demnach ohne Begründung für sechs Monate zurückgestellt werden statt bisher zwölf.

FDP gegen und für Trojaner

Alles in allem ist der Gesetzentwurf nicht besonders ambitioniert. Das Justizministerium setzt damit lediglich einen Satz des Koalitionsvertrags um, dass „die Eingriffsschwellen hochgesetzt“ werden und „der Einsatz nur nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für die Online-Durchsuchung zulässig ist“.

Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag noch zwei weitere Sätze zu Staatstrojanern beschlossen: „Solange der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht sichergestellt ist, muss ihr Einsatz unterbleiben. Transparenz und effektive Kontrolle durch Aufsichtsbehörden und Parlament werden wir sicherstellen.“ Zur Umsetzung dieser Punkte hat die Bundesregierung noch nichts vorgeschlagen, auch nicht in diesem Gesetzentwurf.

In der Vergangenheit haben FDP und Marco Buschmann Staatstrojaner als verfassungswidrig und „Generalangriff auf die Bürgerrechte und die IT-Sicherheit“ bezeichnet. Gegen die gesetzlichen Ausweitungen haben sie 2018 und 2021 Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Jetzt ist Buschmann Justizminister und rechtfertigt Staatstrojaner. Abschaffen will er die Quellen-TKÜ nicht, der Gesetzentwurf begründet das mit Schwerkriminalität und Terrorismus.

Nicht notwendig und verhältnismäßig

Damit übernimmt Buschmann das Narrativ des „Going Dark“, wonach Ermittler wegen Verschlüsselung keine Informationen mehr bekommen. Dabei gab es schon immer Leerstellen, aber die Polizei hat heute mehr Daten zur Verfügung als jemals zuvor. Die Polizei kann WhatsApp auch ohne Staatstrojaner mitlesen. Die Zahl der Straftaten sinkt, die Aufklärung steigt – Deutschland wird immer sicherer.

Die Tagesschau brachte den Gesetzentwurf in Zusammenhang mit dem Mord einer 14-Jährigen. Doch dieser Fall wurde ganz ohne Quellen-TKÜ und Telefonüberwachung aufgeklärt, teilt das zuständige Landgericht Gießen mit. Laut offiziellen Statistiken setzt die Polizei Staatstrojaner bei Terror und Mord gar nicht ein, sondern vor allem bei Drogen.

Sicherheit gegen Sicherheit

Dabei haben Staatstrojaner fundamentale Probleme. Damit die deutsche Polizei Sicherheitslücken ausnutzen kann, lässt sie Sicherheitslücken für alle Staaten und Kriminelle offen. Der Staat lässt Milliarden Geräte unsicher, um ein paar Drogendealer zu verfolgen. Dabei muss der Staat die Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen schützen. Niemand ist sicher, bis alle sicher sind.

Dieselben Schwachstellen und Trojaner nutzen andere Staaten gegen westliche Staats- und Regierungschefs sowie Diplomat:innen. Die USA bestrafen Staatstrojaner-Firmen mit Sanktionen, Deutschland belohnt sie mit Steuergeldern. Das schadet der inneren Sicherheit, der nationalen Sicherheit und der wertegeleiteten Außenpolitik.

Streit trotz Koalitionsvertrag

Statt diese Probleme anzugehen und Staatstrojaner zu verbieten, legitimiert auch eine Bundesregierung mit FDP und Grünen diese gefährlichen Tools. Es ist nicht ausgemacht, dass die Ampel-Regierung diesen Gesetzentwurf beschließt. Die Polizeibehörden dürften sich gegen die Beschränkung ihrer Befugnisse wehren.

Jetzt stimmen die Bundesministerien den Gesetzentwurf ab, vor allem Justiz- und Innenministerium. Das Haus von SPD-Ministerin Nancy Faeser teilt mit: „Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung sind in spezifischen Szenarien wichtige Ermittlungsinstrumente, die praxisgerecht ausgestaltet sein müssen. Die Prüfung des Referentenentwurfs durch das Bundesinnenministerium dauert an.“

Das Justizministerium bestätigt, dass der Entwurf den Satz des Koalitionsvertrags umsetzt und am Freitag in die Ressortabstimmung ging. „Angesichts der noch laufenden Abstimmung innerhalb des Ressortkreises muss ich Sie um Verständnis bitten, dass wir uns zu den näheren Einzelheiten des Entwurfs derzeit noch nicht äußern können.“

Gut möglich, dass die Ampel-Koalition auch über diesen Gesetzentwurf noch eine Weile streitet. Das tut sie auch bei anderen netzpolitischen Themen wie Vorratsdatenspeicherung, Chatkontrolle, Sicherheitslücken, Hackback und Bundesamt für IT-Sicherheit – obwohl der Koalitionsvertrag in all diesen Themen eindeutig ist.

Bis dahin darf die Polizei weiter routinemäßig hacken, auch die Letzte Generation.

Verstoß gegen Computer-Grundrecht

Update (28.07.): Gegen die Ausweitung von Staatstrojanern auf Alltagskriminalität laufen mehrere Verfassungsbeschwerden. Neben der FDP hat auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte Beschwerde gegen das Gesetz eingereicht. Laut dem Jurist David Werdermann zeigt der Gesetzentwurf, dass diese Verfassungsbeschwerden wirken.

Werdermann kritisiert aber: „Die Hürden für den Einsatz von Staatstrojanern sind immer noch zu niedrig. Die Ermittlungsbehörden können weiterhin Schwachstellen offen halten und ausnutzen, statt sie zwecks schnellstmöglicher Schließung an die Hersteller zu melden. Das verstößt gegen das Computer-Grundrecht.“


Hier das Dokument in Volltext:


  • Bearbeitungsstand: 21.07.2023
  • Von: Bundesministerium der Justiz
  • Status: Referentenentwurf

Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung

A. Problem und Ziel

Seit dem Jahr 2017 enthält die Strafprozessordnung (StPO) Regelungen zur heimlichen Überwachung von verschlüsselter Kommunikation, insbesondere mittels Messengerdiensten, und zur Durchsuchung von informationstechnischen Systemen. Mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) wurden in § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 StPO die Voraussetzungen und die Anwendung der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) geregelt und das Institut der Online-Durchsuchung auch für das Strafverfahren eingeführt.

Dem Gesetz ging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20. April 2016 (BVerfGE 141, 220) zum Bundeskriminalamtgesetz voraus, die unter anderem Verhältnismäßigkeitsanforderungen an heimliche Überwachungsmaßnahmen formuliert. Die neuen Regelungen verfolgten das Ziel, die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe für den Bereich der Strafverfolgung zu konkretisieren. Diese Umsetzung ist jedoch nicht frei von Kritik geblieben. Nach dieser unterscheidet sich die Maßnahme einer Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht nicht von einer Online-Durchsuchung nach § 100b StPO. Wie bei der Online-Durchsuchung wird auch bei der Quellen-TKÜ ein fremdes informationstechnisches System infiltriert, in diesem Fall, um mit einer eigens für diesen Zweck entwickelten Überwachungssoftware die Kommunikation zwischen den Beteiligten überwachen und aufzeichnen zu können. Beide Maßnahmen greifen in die Integrität und Vertraulichkeit eines informationstechnischen Systems ein. Zudem wird angebracht, dass die Möglichkeit gemäß § 100a Absatz 1 Satz 3, Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO, in begrenztem Umfang auch beim Betroffenen gespeicherte Kommunikationsdaten zu erheben, über die Schaffung eines bloßen funktionalen Äquivalents zur herkömmlichen Überwachung der laufenden Kommunikation hinausgeht, da der Übermittlungsvorgang hinsichtlich dieser Kommunikationsinhalte bereits abgeschlossen ist. Es bleibt außerdem unklar, inwieweit § 100b StPO einen Zugriff nicht nur auf gespeicherte Inhalte erlaubt, sondern zusätzlich auch eine Live-Überwachung ermöglicht. So besteht die Gefahr einer Totalausforschung einer Person, die in der Norm nicht ausdrücklich verboten wird. Ziel des Entwurfs ist es, den genannten Kritikpunkten zu begegnen. Damit entspricht der Entwurf den Vorgaben von Nachhaltigkeitsziel 16 der UN-Agenda 2030 „Die Rechtsstaatlichkeit fördern und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“.

B. Lösung

Mit dem Entwurf wird diese Kritik aufgegriffen.

Die Zulässigkeit der Quellen-TKÜ wird auf Sachverhalte beschränkt, bei denen ein Tatverdacht hinsichtlich einer besonders schweren Straftat im Sinne des Anlasstatenkataloges der Online-Durchsuchung gemäß § 100b Absatz 2 StPO besteht.

Die Verfahrensregelungen werden immer dort an die der Online-Durchsuchung angepasst, wo die Eingriffsintensität der Quellen-TKÜ aufgrund der Infiltration eines fremden informationstechnischen Systems den der TKÜ übersteigt: Dies betrifft zunächst die gerichtliche Anordnungszuständigkeit, die künftig bei der in § 74a Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Kammer des Landgerichts liegen soll. Die Zulässigkeit der Verlängerung einer Anordnung wird auf einen Monat begrenzt und die speziellen Anforderungen an die weitere Verwendung personenbezogener Daten des § 100e Absatz 6 StPO werden auf Maßnahmen der Quellen-TKÜ erstreckt. Weiterhin soll, wenn eine Benachrichtigung der Beteiligten der überwachten Telekommunikation gemäß § 101 Absatz 5 StPO zurückgestellt wird, die gerichtliche Kontrolle statt nach zwölf Monaten, künftig bereits nach sechs Monaten erforderlich sein.

Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich der Quellen-TKÜ durch Aufhebung des § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO so beschränkt, dass gespeicherte Kommunikationsdaten (insbesondere „Chats“), die ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung der Telekommunikationsüberwachung angefallen und zum Zeitpunkt des Beginns der Überwachung noch vorhanden sind, nicht mehr erhoben werden dürfen. Eine solche Erhebung wäre dann nur unter den Voraussetzungen der Online-Durchsuchung nach § 100b StPO möglich.

Des Weiteren erfolgt eine Änderung von § 100b Absatz 1 Nummer 3 StPO, mit der deutlicher als bisher geregelt wird, dass die Online-Durchsuchung, genauso wie die akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO), subsidiär gegenüber allen anderen in Betracht kommenden heimlichen und offenen Ermittlungsmethoden und damit Ultima Ratio der strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen ist.

Mit einem neuen § 100b Absatz 1 Satz 2 StPO-E wird klargestellt, dass die Online-Durchsuchung keine Live-Überwachung gestattet. Die eigenständige Aktivierung von Anwendungen und Gerätefunktionen – wie beispielsweise einer Kamera oder eines Mikrofons – soll den Strafverfolgungsbehörden nicht erlaubt sein.

C. Alternativen

Die Ermittlungsmethoden Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung sind notwendig, um in einer zunehmend digitalisierten Welt verfahrensrelevante Beweismittel gewinnen zu können. Eine vollständige Aufhebung der Regelungen über die Quellen-TKÜ ist keine Alternative, da diese – auch wenn in der Praxis von ihr bisher nur vereinzelt Gebrauch gemacht wurde – im Bereich der Schwerkriminalität und des Terrorismus von hoher Relevanz ist, da immer weniger unverschlüsselt kommuniziert wird. Gleiches gilt für die Online-Durchsuchung, die insbesondere dann erforderlich ist, wenn herkömmliche Ermittlungsmethoden erfolglos bleiben, da die Täter alle Vorbereitungen mittels moderner Datennetze und dabei zumeist auch unter Nutzung von Verschlüsselungstechniken treffen.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die betroffenen Telekommunikationsunternehmen entsteht kein Mehraufwand. Durch die Aufhebung des § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO könnten diese sogar entlastet werden, wobei der bisherige Aufwand angesichts der sehr niedrigen Anwendungszahlen zu vernachlässigen ist.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Auch für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder ist von keinem Mehraufwand auszugehen. Insbesondere die Verlagerung der Zuständigkeit dürfte nicht zu einem Anstieg der Maßnahmen der Quellen-TKÜ führen.

F. Weitere Kosten

Von weiteren Kosten ist nicht auszugehen.


Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz

Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 – Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. März 2022 (BGBl. I S. 571) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. § 100a wird wie folgt geändert:
    1. Absatz 1 Satz 2 und 3 wird durch folgenden Satz ersetzt:

      „Handelt es sich bei der Straftat um eine in § 100b Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat, die auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, darf die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung in unverschlüsselter Form zu ermöglichen.“

    2. Absatz 5 Satz 1 und 2 wird wie folgt gefasst:

      „(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist technisch sicherzustellen, dass

      1. ausschließlich die laufende Kommunikation überwacht und aufgezeichnet werden kann,
      2. an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
      3. die an dem informationstechnischen System vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

      Das eingesetzte technische Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen.“

  2. § 100b Absatz 1 wird wie folgt geändert:
    1. In Nummer 3 wird das Wort „wesentlich“ durch das Wort „unverhältnismäßig“ ersetzt.
    2. Folgender Satz wird angefügt:

      „Eine Online-Durchsuchung darf nicht durch die Aktivierung von Anwendungen oder Geräten oder deren Funktionen, die das gesprochene Wort abhören oder mittels derer Bild- und Tonaufnahmen angefertigt werden können, erfolgen.“

  3. § 100e wird wie folgt geändert:
    1. In Absatz 1 Satz 1 werden nach der Angabe „§ 100a“ die Wörter „Absatz 1 Satz 1“ eingefügt.
    2. Absatz 2 wird wie folgt geändert:
      1. aa) In Satz 1 wird die Angabe „§§ 100b und 100c“ durch die Wörter „§ 100a Absatz 1 Satz 2 und den §§ 100b und 100c“ ersetzt.
      2. bb) Satz 4 wird wie folgt gefasst:

        „Die Anordnung nach § 100a Absatz 1 Satz 2 ist auf höchstens drei Monate, die Anordnung nach den §§ 100b und 100c auf höchstens einen Monat zu befristen.“

    3. In Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 wird die Angabe „und 3“ gestrichen.
    4. In Absatz 5 Satz 5 wird die Angabe „§§ 100b und 100c“ durch die Wörter „§ 100a Absatz 1 Satz 2 und den §§ 100b und 100c“ ersetzt.
    5. Absatz 6 wird wie folgt geändert:
      1. aa) In dem Satzteil vor Nummer 1 wird die Angabe „§§ 100b und 100c“ durch die Wörter „§ 100a Absatz 1 Satz 2 und den §§ 100b und 100c“ ersetzt.
      2. bb) In den Nummern 1 und 3 wird jeweils die Angabe „§ 100b oder § 100c“ durch die Wörter „§ 100a Absatz 1 Satz 2, §§ 100b oder 100c“ ersetzt.
  4. In § 101 Absatz 6 Satz 5 wird die Angabe „§§ 100b und 100c“ durch die Wörter „§ 100a Absatz 1 Satz 2 und den §§ 100b und 100c“ ersetzt.
  5. In § 101b Absatz 2 Nummer 4 in dem Satzteil vor Buchstabe a wird die Angabe „und 3“ gestrichen.

Artikel 2 – Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.


Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) wurden mit § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Strafprozessordnung (StPO) die Voraussetzungen und die Anwendung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) geregelt. Mit diesem Gesetz wurde zudem das Institut der Online-Durchsuchung auch für das Strafverfahren eingeführt, welches zuvor nur im präventiven Bereich gesetzlich normiert war (§ 20k des Bundeskriminalamtgesetzes in der Fassung vom 25. Dezember 2008 – BKAG).

Dem Gesetz ging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 (BVerfGE 141, 220) zum BKAG voraus, die unter anderem Verhältnismäßigkeitsanforderungen an heimliche Überwachungsmaßnahmen formuliert.

Das Gericht hebt dabei hervor, Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichten, müssten auf den Schutz oder die Bewehrung hinreichend gewichtiger Rechtsgüter begrenzt sein, setzten voraus, dass eine Gefährdung dieser Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar sei, dürften sich nur unter eingeschränkten Bedingungen auf nichtverantwortliche Dritte aus dem Umfeld der Zielperson erstrecken, verlangten überwiegend besondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie einen Schutz von Berufsgeheimnisträgern, unterlägen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle und müssten von Löschungspflichten bezüglich der erhobenen Daten flankiert werden.

Das Gericht hat dabei ausdrücklich Gefahrenabwehrmaßnahmen im Blick, bezieht jedoch auch Strafverfolgungsmaßnahmen in seine Betrachtung ein (Rn. 107). Bei diesen komme es auf das Gewicht der verfolgten Straftaten an, die der Gesetzgeber insoweit in – jeweils näher bestimmte − erhebliche, schwere und besonders schwere Straftaten eingeteilt habe. Nach dem BVerfG „bedarf die Durchführung einer Wohnraumüberwachung des Verdachts einer besonders schweren Straftat (vergleiche BVerfGE 109, 279, 343 ff.), die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung oder die Nutzung von vorsorglich erhobenen Telekommunikationsverkehrsdaten des Verdachts einer schweren Straftat (vergleiche BVerfGE 125, 260, 328 f.; BVerfGE 129, 208, 243) und die Durchführung einer anlassbezogenen Telekommunikationsverkehrsdatenerhebung oder einer Observation etwa durch einen GPS-Sender einer – im ersten Fall durch Regelbeispiele konkretisierten – Straftat von erheblicher Bedeutung (vergleiche BVerfGE 107, 299, 321 f.; BVerfGE 112, 304, 315 f.; zu letzterer Entscheidung vergleiche auch EGMR, Uzun v. Deutschland, Entscheidung vom 2. September 2010, Nr. 35623/05, § 70, NJW 2011, S. 1333, 1337, zu Artikel 8 EMRK).“

Wird in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nach Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 des Grundgesetzes (GG) durch eine Online-Durchsuchung eingegriffen, so postuliert das BVerfG hierzu Folgendes (BVerfGE 141, 220, Rn. 210):

„Mit dieser eigenständigen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts trägt die Verfassung der heute weit in die Privatsphäre hineinreichenden Bedeutung der Nutzung informationstechnischer Systeme für die Persönlichkeitsentfaltung Rechnung (vgl. BVerfGE 120, 274,302 ff.). Tagebuchartige Aufzeichnungen, intime Erklärungen oder sonstige schriftliche Verkörperungen des höchstpersönlichen Erlebens sowie Film- oder Tondokumente werden heute zunehmend in Dateiform angelegt, gespeichert und teilweise ausgetauscht. Weite Bereiche auch der höchstpersönlichen Kommunikation finden elektronisch mit Hilfe von Kommunikationsdiensten im Internet oder im Rahmen internetbasierter sozialer Netzwerke statt. Dabei befinden sich die Daten, auf deren Vertraulichkeit die Betroffenen angewiesen sind und auch vertrauen, in weitem Umfang nicht mehr nur auf eigenen informationstechnischen Systemen, sondern auf denen Dritter. Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme schützt dementsprechend vor einem geheimen Zugriff auf diese Daten und damit insbesondere vor Online-Durchsuchungen, mit denen private Computer wie sonstige informationstechnische Systeme manipuliert und ausgelesen, sowie persönliche Daten, die auf externen Servern in einem berechtigten Vertrauen auf Vertraulichkeit ausgelagert sind, erfasst und Bewegungen der Betroffenen im Netz verfolgt werden. Wegen der oft höchstpersönlichen Natur dieser Daten, die sich insbesondere auch aus deren Verknüpfung ergibt, ist ein Eingriff in dieses Grundrecht von besonderer Intensität. Er ist seinem Gewicht nach mit dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung vergleichbar.“

Das Gesetz aus dem Jahr 2017 hatte den Anspruch, die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe für den Bereich der Strafverfolgung zu konkretisieren. Diese Umsetzung ist jedoch nicht frei von Kritik geblieben, weil sich die Quellen-TKÜ hinsichtlich der zugrundeliegenden technischen Vorgehensweise nicht grundlegend von einer Online-Durchsuchung nach § 100b StPO unterscheidet. Beide Maßnahmen greifen in die Integrität und Vertraulichkeit eines informationstechnischen Systems ein. Wie bei der Online-Durchsuchung wird auch bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung ein fremdes informationstechnisches System infiltriert, in diesem Fall, um mit einer eigens für diesen Zweck entwickelten Überwachungssoftware die Kommunikation zwischen den Beteiligten überwachen und aufzeichnen zu können. So ein heimlicher Zugriff auf ein informationstechnisches System birgt – unabhängig von der handelnden Behörde – das Risiko, dass der Betroffene für eine weitgehende staatliche Ausspähung seiner Persönlichkeit verfügbar gemacht wird. Vor diesem Hintergrund sind hohe Anforderungen an die Anordnungsvoraussetzungen zu stellen, um den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

Auch geht die Möglichkeit gemäß § 100a Absatz 1 Satz 3, Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO, in begrenztem Umfang auch beim Betroffenen gespeicherte Kommunikationsdaten zu erheben, über die Schaffung eines bloßen funktionalen Äquivalents zur herkömmlichen Überwachung der laufenden, unverschlüsselten Kommunikation hinaus. Anders als bei der Sprach- und Videotelefonie in Echtzeit ist der Übertragungsvorgang mit dem Zugang von Textnachrichten und sonstigen Botschaften, die über Messenger-Dienste versandt werden, auf dem Endgerät des Betroffenen technisch abgeschlossen. Die Nachrichten sind bereits im Herrschaftsbereich des Betroffenen angekommen, wodurch sich die Quellen-Telekommunikationsüberwachung von der „klassischen“ Telefonüberwachung unterscheiden.

Schließlich bleibt unklar, inwieweit § 100b StPO einen Zugriff nicht nur auf gespeicherte Inhalte erlaubt, sondern zusätzlich auch eine Live-Überwachung ermöglicht. Die Online-Durchsuchung erfolgt heimlich und kann nicht nur einmalig und punktuell stattfinden, sondern sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken. In Abgrenzung zur Telekommunikationsüberwachung können nicht nur neu hinzukommende Kommunikationsinhalte, sondern alle auf einem informationstechnischen System gespeicherten Inhalte sowie das gesamte Nutzungsverhalten einer Person überwacht werden. So besteht die Gefahr einer Totalausforschung einer Person, die zudem in der Norm nicht ausdrücklich verboten wird.

Mit dem Entwurf werden diese Kritikpunkte aufgegriffen. Damit entspricht der Entwurf den Vorgaben von Nachhaltigkeitsziel 16 der UN-Agenda 2030 „Die Rechtsstaatlichkeit fördern und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Mit diesem Entwurf wird zum einen geregelt, dass eine Quellen-TKÜ nur noch bei dem Verdacht einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 100b Absatz 2 StPO (Anlasstatenkatalog der Online-Durchsuchung) zulässig ist.

In Abgrenzung zu den Anlasstaten der eingriffsintensiveren §§ 100b und 100c StPO (besonders schwere Straftaten) ist für die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung der Verdacht einer schweren Straftat im Sinne des § 100a Absatz 2 StPO ausreichend. Hierunter versteht der Gesetzgeber in der StPO grundsätzlich Straftaten mit einer Mindesthöchststrafe des Normalstrafrahmens von fünf Jahren (vergleiche Bundestagsdrucksache 16/5846, S. 40); auch wenn diese Begrenzung nicht durchgehend eingehalten wird (vergleiche Absatz 2 Nummer 1a: § 86 Strafgesetzbuch). Der Anlasstatenkatalog des § 100b StPO, der aufgrund des Verweises in § 100c Absatz 1 Nummer 2 StPO dem der Akustischen Wohnraumüberwachung entspricht, stellt auf besonders schwere Straftaten ab, bei denen die Mindeststrafe ein Jahr und die Mindesthöchststrafe zehn Jahre beträgt.

Durch die beabsichtigte Neuregelung wird mithin die Zulässigkeit der Quellen-TKÜ auf Sachverhalte begrenzt, bei denen ein Tatverdacht hinsichtlich einer besonders schweren Straftat besteht. Damit wird der Auffassung Rechnung getragen, dass die Quellen-TKÜ die Eingriffsintensität einer Telekommunikationsüberwachung nach § 100a Absatz 1 Satz 1 StPO übersteigt. Der heimliche Zugriff auf ein informationstechnisches System birgt – unabhängig von der handelnden Behörde – das Risiko, dass der Betroffene für eine weitgehende staatliche Ausspähung seiner Persönlichkeit verfügbar gemacht wird.

Folgerichtig werden die Verfahrensregelungen an die der Online-Durchsuchung angepasst, soweit die Eingriffsintensität der Quellen-TKÜ aufgrund der Infiltration eines fremden informationstechnischen Systems erhöht ist.

Die für die Online-Durchsuchung geltenden besonderen Verfahrenssicherungen werden daher teilweise auch auf Maßnahmen der Quellen-TKÜ erstreckt:

Die gerichtliche Anordnungszuständigkeit wird vom Ermittlungsrichter an die in § 74a Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts verlagert (Aufnahme des § 100a Absatz 1 Satz 2 in § 100e Absatz 2 StPO-E), da diese auch für die Anordnung einer Online-Durchsuchung zuständig ist. Bei Gefahr im Verzug soll die Anordnung wie bei der Online-Durchsuchung durch den Vorsitzenden getroffen werden können.

Aufgrund der Verlagerung der Zuständigkeit für die Anordnung der Quellen-TKÜ an das Landgericht muss auch die Zuständigkeit für die Anordnung des Abbruchs angepasst werden. Durch Aufnahme der Quellen-TKÜ in § 100e Absatz 5 Satz 4 StPO-E kann die Anordnung des Abbruchs durch den Vorsitzenden der zuständigen Kammer getroffen werden, wenn die Anordnungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen und der Abbruch einer Maßnahme nicht bereits durch die Staatsanwaltschaft veranlasst wurde.

Gemäß § 100e Absatz 2 Satz 4 StPO-E ist die Anordnung der Quellen-TKÜ, wie bisher, auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Beibehaltung dieser Frist ist sinnvoll, da die Einrichtung einer Quellen-TKÜ technisch aufwendig ist und es sich bei der Ermittlungsmaßnahme – wie bei der einfachen Telekommunikationsüberwachung – um die Überwachung laufender Kommunikation handelt und nicht – wie bei der Online-Durchsuchung – um die Erhebung von bereits vorhandenen Daten. Die Möglichkeit, die Anordnung einer Quellen-TKÜ über die ursprüngliche Anordnungsdauer hinaus zu verlängern, wird von den bisher zulässigen drei Monaten jedoch auf höchstens einen Monat begrenzt. Dadurch wird eine frühere Überprüfung des Fortbestehens der Anordnungsvoraussetzungen durch das Gericht erreicht. Ist die Dauer der Anordnung auf insgesamt sechs Monate verlängert worden, soll in Zukunft, wie bei der Online-Durchsuchung, über weitere Verlängerungen das Oberlandesgericht entscheiden.

Auch die hohen Anforderungen an die weitere Verwendung personenbezogener Daten des § 100e Absatz 6 StPO werden durch die beabsichtigte Neuregelung auf Maßnahmen der Quellen-TKÜ erstreckt. Die Eingriffsintensität der Datenerhebung der Quellen-TKÜ spiegelt sich dadurch ─ ähnlich wie bei der Online-Durchsuchung ─ in einer besonders engen Bindung jeder weiteren Nutzung der gewonnenen Daten an die Voraussetzungen und damit Zwecke der Datenerhebung.

Im Fall der Zurückstellung einer Benachrichtigung der Beteiligten gemäß § 101 Absatz 5 StPO soll durch die Aufnahme der Quellen-TKÜ in § 101 Absatz 6 Satz 5 StPO-E die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidung künftig bereits nach sechs Monaten erfolgen. Nach bisher geltendem Recht muss das nach § 101 Absatz 7 StPO zuständige Gericht seine Zustimmung zu einer weiteren Zurückstellung der Benachrichtigung erst nach zwölf Monaten erteilen. Durch die Verkürzung dieser Frist wird auch hier ein Gleichlauf mit der Online-Durchsuchung hergestellt.

Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich der Quellen-TKÜ durch die Streichung von § 100a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b StPO beschränkt, so dass gespeicherte Kommunikationsdaten (insbesondere „Chats“) nicht mehr erhoben werden können, die ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung der Telekommunikationsüberwachung angefallen sind und zum Zeitpunkt des Beginns der Überwachung noch vorhanden, also auf dem informationstechnischen System des Betroffenen in einer Anwendung noch gespeichert sind. Mit der Streichung dieser Befugnis wird den Bedenken Rechnung getragen, eine Äquivalenz mit der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung sei nicht gewährleistet, und eine „kleine Online-Durchsuchung“ werde ermöglicht.

Zudem kommt durch die Streichung besser zum Ausdruck, wodurch sich die Telekommunikationsüberwachung nach der Rechtsprechung des BVerfG unter anderem von Online-Durchsuchungen unterscheidet. Das BVerfG hat dazu ausgeführt, dass die Online-Durchsuchung oft gesamthaft über lange Zeit angesammelte Informationen einschließlich höchst privater Aufzeichnungen erfasse und dabei unter Umständen durch deren Verknüpfung sowie das Nach- oder Mitverfolgen der Bewegungen im Internet auch geheim gehaltene Schwächen und Neigungen erschließen könne; die Telekommunikationsüberwachung beziehe sich dagegen auf einzelne Akte unmittelbarer Kommunikation (BVerfGE 141, 220, 312 f., Rn. 238).

Sofern die gespeicherten Kommunikationsdaten für das Ermittlungsverfahren von Relevanz sind, können und müssen sie künftig über die engeren Voraussetzungen des § 100b StPO gewonnen werden.

Darüber hinaus erfolgt eine Änderung von § 100b Absatz 1 Nummer 3 StPO, mit der deutlicher als bisher geregelt wird, dass die Online-Durchsuchung, genauso wie die Akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO), subsidiär gegenüber allen anderen in Betracht kommenden heimlichen und offenen Ermittlungsmethoden und Ultima Ratio der strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen ist. Nach § 100b Absatz 1 Nummer 3 StPO ist die Online-Durchsuchung bereits nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Künftig soll sie nur zulässig sein, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die strengere Subsidiaritätsregelung soll einen angemessenen Ausgleich für die Eingriffsintensität der Online-Durchsuchung schaffen. Die Online-Durchsuchung stellt für den Betroffenen einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme als eigenständige Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG dar. Die Persönlichkeitsgefährdungen des Einzelnen ergeben sich daraus, dass er im Rahmen seiner Persönlichkeitsentfaltung informationstechnische Systeme nutzt und dabei dem System persönliche Daten anvertraut oder schon allein durch dessen Nutzung zwangsläufig liefert. Ein Dritter, der auf ein solches System zugreift, kann sich einen potentiell äußerst großen und aussagekräftigen Datenbestand verschaffen, ohne noch auf weitere Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsmaßnahmen angewiesen zu sein. Ein solcher Zugriff kann in seinem Gewicht für die Persönlichkeit des Betroffenen über einzelne Datenerhebungen, vor denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt, weit hinausgehen (vergleiche BVerfGE 120, 274, 322).

Weiterhin wird mit einem neuen § 100b Absatz 1 Satz 2 StPO-E klargestellt, dass die Online-Durchsuchung keine Live-Überwachung gestattet. Zwar dürfte eine solche Live-Überwachung auch nach derzeitiger Rechtslage unzulässig sein; eine entsprechende Klarstellung kann Zweifel jedoch ausschließen und trägt damit zur Rechtssicherheit bei.

III. Alternativen

Eine vollständige Aufhebung der Regelungen über die Quellen-TKÜ ist keine Alternative, da diese – auch wenn in der Praxis von ihr bisher nur vereinzelt Gebrauch gemacht wurde (im strafprozessualen Bereich 2020: 25 richterliche Anordnungen gemäß § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 StPO, von denen nur 11 umgesetzt wurden) – im Bereich der Schwerkriminalität und des Terrorismus von hoher Relevanz ist, da immer weniger unverschlüsselt kommuniziert wird.

Gleiches gilt für die Online-Durchsuchung, die insbesondere dann erforderlich ist, wenn herkömmliche Ermittlungsmethoden erfolglos bleiben, da die Täter alle Vorbereitungen mittels moderner Datennetze und dabei zumeist auch unter Nutzung von Verschlüsselungstechniken führen. Anders als eine offene Durchsuchung gemäß § 102 StPO vermag in solchen Fällen lediglich eine heimliche Durchsuchung der von dem Verdächtigen benutzten informationstechnischen Systeme Hinweise auf Tat und Mittäter aufzudecken. Die hohen rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an die Durchführung spiegeln sich in den Zahlen der Praxis wieder (im strafprozessualen Bereich 2020: 23 richterliche Erst- und Verlängerungsanordnungen, von denen lediglich acht umgesetzt wurden).

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus dem Kompetenztitel des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Gerichtsverfassung, gerichtliches Verfahren).

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Keine.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen dient. Er trägt insbesondere zur sozialen Dimension der Nachhaltigkeit bei.

Indem der Entwurf die Verhältnismäßigkeitsanforderungen an heimliche Überwachungsmaßnahmen als Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Institutionen in die Privatsphäre der Menschen begrenzt, leistet er einen Beitrag zur Verwirklichung des Nachhaltigen Entwicklungsziels (Sustainable Development Goal – SDG) 16 „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“.

Denn dieses Nachhaltigkeitsprinzip verlangt, die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern (vergleiche SDG Unterziel 16.3) und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen (vergleiche SDG Unterziel 16.6).

Der Entwurf fördert die Erreichung dieser Zielvorgaben, da er die Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware, auch kommerzieller, in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren staatlicher Institutionen so ansetzt, dass der Einsatz nur nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts für die Online-Durchsuchung zulässig ist. Gespeicherte Kommunikationsdaten dürfen ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nicht mehr erhoben werden. Transparenz, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der guten Regierungsführung werden somit befördert.

Der Entwurf folgt damit den Prinzipien der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie „(1.) Nachhaltige Entwicklung als Leitprinzip konsequent in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen anwenden“ sowie (5.) „Sozialen Zusammenhalt in einer offenen Gesellschaft wahren und verbessern“. Der Entwurf fördert das Sicherheitsgefühl der Menschen als ein wesentliches Kriterium für ihre Lebensqualität, für das Funktionieren sozialer Systeme und für den sozialen Zusammenhalt.“

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

4. Erfüllungsaufwand
a) Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht oder entfällt kein Erfüllungsaufwand.

b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die betroffenen Telekommunikationsunternehmen entsteht kein Mehraufwand. Durch die Aufhebung des § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO könnten diese sogar entlastet werden, wobei der Aufwand angesichts der sehr niedrigen Anwendungszahlen zu vernachlässigen ist. Im Jahr 2020 wurden bundesweit 25 richterliche Anordnungen gemäß § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 StPO getroffen, von denen lediglich elf durchgeführt wurden; im Jahr 2019 waren es 31 Anordnungen, von denen drei durchgeführt wurden.)

c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Auch für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder ist von keinem Mehraufwand auszugehen. Da die Aufhebung des § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO sowie die Anpassung des Kataloges der Anlasstaten nur einen Teilaspekt der Quellen-TKÜ betrifft, wird sich die Zahl richterlicher Anordnungen weiterhin auf dem derzeitigen, sehr niedrigen Niveau bewegen.

5. Weitere Kosten

Von weiteren Kosten ist nicht auszugehen, insbesondere nicht von nennenswerten Mehrkosten im richterlichen Kernbereich.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die Regelungen sind inhaltlich geschlechtsneutral und betreffen alle Menschen ungeachtet ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität. Im Übrigen werden die Regelungen des Entwurfs keine Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Demografische Auswirkungen oder Auswirkungen auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland sind nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen kommt nicht in Betracht. Sie betreffen den Kernbereich des Strafverfahrensrechts und sind auf Dauer angelegt. Eine Evaluierung ist nicht vorgesehen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 (§ 100a StPO)

Nummer 1 betrifft Änderungen bei § 100a StPO.

Zu Buchstabe a

Der Neufassung des Satzes 2 liegt die Erwägung zugrunde, dass eine Quellen-TKÜ nur noch bei besonders schweren Straftaten im Sinne des § 100b Absatz 2 StPO zulässig sein soll.

Bestimmte Tatsachen müssen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine besonders schwere Straftat, wie diese im Anlasstatenkatalog des § 100b Absatz 2 StPO definiert ist, begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat. Somit unterscheiden sich die Anlasstaten der Quellen-TKÜ künftig nicht mehr von denen der Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) und der Akustischen Wohnraumüberwachung (100c StPO), die bereits den Verdacht einer besonders schweren Straftat voraussetzen.

Auch muss die Straftat gemäß § 100a Absatz 1 Satz 2 StPO-E im Einzelfall besonders schwer wiegen, was eine weitere Anpassung an die Voraussetzungen der Online-Durchsuchung darstellt. Eine Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100a Absatz 1 Satz 1 StPO bleibt hingegen zulässig, wenn die zugrundeliegende Anlasstat nicht nur abstrakt, sondern auch im Einzelfall schwer wiegt. Der erhöhten Eingriffsintensität der Quellen-TKÜ wird dadurch Rechnung getragen.

Dass eine Maßnahme nach § 100a Absatz 1 Satz 2 StPO-E nur dann angeordnet werden darf, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten ansonsten wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre, ergibt sich weiterhin aus Absatz 1 Satz 1 Nummer 3.

Satz 3 soll ersatzlos gestrichen werden. Damit entfällt die Möglichkeit der Strafverfolgungsbehörden auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation, die auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können, mittels Quellen-TKÜ zu erheben. Auf diese gespeicherten Daten kann künftig nur mit einer Online-Durchsuchung gemäß § 100b StPO zugegriffen werden, sofern deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

Zu Buchstabe b

Bei der Anpassung in Absatz 5 handelt es sich um eine Folgeänderung zu der Änderung unter Buchstabe a. Da die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 3 entfällt, bedarf es keiner Regelung mehr, die die eingesetzte Software und an sie gestellte technische Anforderungen betrifft. Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b kann daher ersatzlos entfallen.

Im Übrigen bleiben die Anforderungen an die Überwachungssoftware unverändert bestehen. Bei einer Quellen-TKÜ ist gemäß Absatz 5 Satz 1 StPO-E technisch sicherzustellen, dass ausschließlich die laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden kann, an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden. In Absatz 5 Satz 2 StPO-E wurde „technische“ eingefügt, um den Bezug zu den „technischen Mitteln“ in der in Satz 1 zitierten Regelung herzustellen. Eine Änderung in der Sache geht damit nicht einher. Die dem Daten- und Beweisschutz dienende Regelung nach Absatz 5 Satz 3, wonach kopierte Daten gegen Veränderung, unbefugte Löschung und gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen sind, bleibt unverändert bestehen.

Zu Nummer 2 (§ 100b)

Nummer 2 betrifft Änderungen in § 100b StPO.

Zu Buchstabe a

§ 100b Absatz 1 Nummer 3 StPO enthält bereits eine Subsidiaritätsklausel. Die Online-Durchsuchung ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Die Anforderung wird nun höher gesetzt, indem das Wort „wesentlich“ durch das Wort „unverhältnismäßig“ ersetzt wird. Damit unterliegt die Online-Durchsuchung derselben Subsidiaritätsklausel wie die Akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO). Im Vergleich zur Telekommunikationsüberwachung und der Quellen-TKÜ (§ 100a StPO) gilt für die Online-Durchsuchung nun eine strengere Subsidiaritätsregelung.

Bisher durfte bei einer Online-Durchsuchung bereits für die Erreichung des angestrebten Ermittlungsergebnisses keine Ermittlungsmaßnahme mit geringerer Eingriffstiefe mit Erfolgsaussicht zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel eine Durchsuchung oder Beschlagnahme (Bundestagsdrucksache 18/12785, S. 55). Nunmehr soll durch das Merkmal „unverhältnismäßig“ noch deutlicher als bisher geregelt werden, dass die Online-Durchsuchung, genauso wie die Akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO), ein letztes Mittel der Strafverfolgung darstellt. Sie ist ebenfalls Ultima Ratio gegenüber allen anderen in Betracht kommenden heimlichen und offenen Ermittlungsmaßnahmen.

Die strengere Subsidiaritätsklausel soll dem Umstand Rechnung tragen, dass informationstechnische Systeme, zum Beispiel Smartphones, nicht nur immer mehr und aussagekräftigere persönliche Informationen enthalten, sondern dass diese Informationen auch häufiger Rückschlüsse auf sehr private und teils intime Informationen aus dem Leben der Nutzenden zulassen. Dies steigert das Risiko von Eingriffen in höchst persönliche Lebensbereiche und verstärkt die Möglichkeiten einer umfassenden Profilbildung (zur Eingriffsintensität der Online-Durchsuchung siehe: Soiné: Die strafprozessuale Online-Durchsuchung, NStZ 2018, S. 497 mit weiteren Nachweisen).

Zu Buchstabe b

Mit dem neuen Satz 2 des Absatzes 1 von § 100b StPO wird geregelt, dass eine Live-Überwachung durch Aktivierung von Anwendungen, Geräten oder deren Funktionen, die das gesprochene Wort abhören oder mittels derer Bild- und Tonaufnahmen angefertigt werden können, ausgeschlossen ist.

Bei dem weiten Verständnis des Begriffs „informationstechnisches System“, welcher derzeit vorhandene und künftige IT-Geräte (zum Beispiel: Computer-, Smartphones, sonstige „intelligente“ Geräte) umfasst, soll es bleiben. Aus diesem infiltrierten System können Daten im Sinne der passiven Kenntnisnahme erhoben werden. Die eigenständige Aktivierung von Gerätefunktionen – wie beispielsweise einer Kamera oder eines Mikrofons – soll den Strafverfolgungsbehörden jedoch nicht erlaubt sein. Aktiviert der Nutzer während des behördlichen Zugriffs jedoch bestimmte Funktionen seines IT-Gerätes selbst, so dürfen die dadurch erzeugten Daten weiterhin erfasst und ausgeleitet werden.

Zu Nummer 3 (§ 100e StPO)

Nummer 3 betrifft Änderungen bei § 100e StPO.

Zu Buchstabe a

Mit der Änderung des § 100e Absatz 1 Satz 1 wird geregelt, dass die Verfahrensvorschriften in Absatz 1 künftig nur noch für die Telekommunikationsüberwachung gelten. Die Quellen-TKÜ wird aus dem Geltungsbereich des Absatz 1 herausgenommen und unterfällt künftig den Voraussetzungen des Absatz 2. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Quellen-TKÜ gegenüber der Telekommunikationsüberwachung aufgrund der Infiltration eines fremden informationstechnischen Systems eine höhere Eingriffsintensität aufweist.

Zu Buchstabe b

Absatz 2 regelt, dass für die Anordnung der Maßnahme anstelle des bisher zuständigen Ermittlungsrichters die in § 74a Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts zuständig ist, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch den Vorsitzenden getroffen werden, muss aber binnen drei Werktagen von der Strafkammer bestätigt werden. Die Anordnung ist, wie nach der geltenden Rechtslage auch, auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Beibehaltung dieser Frist ist sinnvoll, da die Einrichtung einer Quellen-TKÜ technisch aufwändig ist und es sich bei der Ermittlungsmaßnahme – wie bei der einfachen Telekommunikationsüberwachung – um die Überwachung laufender Kommunikation handelt und nicht – wie bei der Online-Durchsuchung – um die Erhebung von bereits vorhandenen Daten. Mögliche Verlängerungen sollen jedoch im Gleichlauf mit den Regelungen zur Online-Durchsuchung zukünftig nur noch um jeweils nicht mehr als einen Monat zulässig sein, wenn die Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen. Ist die Dauer der Anordnung auf insgesamt sechs Monate verlängert worden, so entscheidet künftig über weitere Verlängerungen das Oberlandesgericht.

Zu Buchstabe c

Bei der Änderung in Absatz 3 handelt es sich um eine redaktionelle Folgeänderung aufgrund der Streichung von § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO.

Zu Buchstabe d

Durch die Änderung der Anordnungszuständigkeit auf eine Kammer des Landgerichts muss auch die Möglichkeit der Beendigung der Quellen-TKÜ in Absatz 5 angepasst werden. Die Anordnung des Abbruchs kann künftig auch durch den Vorsitzenden der zuständigen Kammer des Landgerichts erfolgen.

Zu Buchstabe e

§ 100e Absatz 6 StPO enthält umfassende Verwendungsregelungen für personenbezogene Daten, die im Rahmen einer Online-Durchsuchung oder Wohnraumüberwachung erlangt wurden, welche die allgemeinen Verwendungsregelungen in § 161 Absatz 2 und 3 und § 477 Absatz 2 StPO ergänzen. Aufgrund der Eingriffstiefe der Maßnahmen werden auch hohe Anforderungen an die weitere Verwendung der daraus gewonnenen personenbezogenen Daten gestellt. Diese Anforderungen werden durch Änderungen in Absatz 6 auf Maßnahmen der Quellen-TKÜ erstreckt.

Zu Nummer 4 (§ 101 StPO)

Grundsätzlich sind Beteiligten einer überwachten Kommunikation zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung darf in bestimmten Fällen zurückgestellt werden, etwa wenn der Untersuchungszweck ansonsten gefährdet würde, § 101 Absatz 5 StPO. Bisher bedurften Zurückstellungen, die später als zwölf Monate nach Beendigung der Maßnahme erfolgen sollten, einer gerichtlichen Zustimmung. Durch die Aufnahme der Quellen-TKÜ in § 101 Absatz 6 Satz 5 StPO-E wird diese gerichtliche Kontrolle im Fall der Zurückstellung der Benachrichtigung der Beteiligten an einer überwachten Telekommunikation künftig bereits nach sechs Monaten erforderlich werden.

Zu Nummer 5 (§ 101b StPO)

Bei der Änderung in Absatz 2 Nummer 4 handelt es sich um eine redaktionelle Folgeänderung aufgrund der Streichung von § 100a Absatz 1 Satz 3 StPO.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten. Da eine Übergangsfrist für die Änderung der Regelungen über die Quellen-TKÜ und die Online-Durchsuchung nicht erforderlich ist, soll das Gesetz am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

2 Ergänzungen

  1. „Aktuell darf die Polizei die Quellen-TKÜ bei einer langen Liste an 44 schweren Straftaten einsetzen, “

    Ich weise immer gerne darauf hin, dass es keine einheitliche Definition für „schwere Straftaten“ gibt. In der verlinkten Liste bzw. dem StPO §100a stehen auch Sachen wie „Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“, „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, oder „Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen“; das ist nichts was der Durchschnittsbürger sich unter „schweren Straftaten“ vorstellen dürfte.
    Die Medienkommunikation der Polizei ist gerne maximal vage um Kritik abzuwehren, im Gegensatz zur Überpedanterie der Juristen.

  2. Habt ihr das der Tagesschau mal gemeldet, dass der Artikel da doch etwas schlecht aufgemacht ist?

    Ich hab das mal via Kontaktfotmular so gemeldet:

    > „Guten Tag,
    auf https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/onlinedurchsuchung-gesetz-100.html schrieben Sie beim Beginn vom Mord einer 14-Jährigen. Ihre Kollegen vom Netzpolitik.org haben beim Landgericht nachgefragt und „dieser Fall wurde ganz ohne Quellen-TKÜ und Telefonüberwachung aufgeklärt“ (https://netzpolitik.org/2023/gesetzentwurf-polizei-soll-staatstrojaner-etwas-seltener-nutzen-duerfen/)

    „Laut offiziellen Statistiken setzt die Polizei Staatstrojaner bei Terror und Mord gar nicht ein, sondern vor allem bei Drogen.“

    Da dies so nicht psssend erscheint, gerade einen Fall als Aufhänger für einen Artikel über einen Gesetzesentwurf zu nutzen, der von diesem gar nicht betroffen ist, würde ich mich über eine Korrektur freuen bzw. scheint mir mindestens eine Einordnung relevant zu sein.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.