WikipediaNeue Features werden Probleme nicht lösen

Die Wikimedia Foundation startet – wieder einmal – eine Initiative, um neue Beitragende zur Wikipedia zu rekrutieren. Im Fokus stehen dabei – wieder einmal – neue Software-Features. Doch dass sich die größten Probleme der freien Enzyklopädie damit wirksam werden lösen lassen, ist unwahrscheinlich. Dafür müsste an grundlegenden Regeln gerüttelt werden. Ein Kommentar.

Kunstprojekt einer ausgedruckten Wikipedia
Wikipedia ist keine klassische Enzyklopädie, auch wenn man sie ausdrucken und ins Regal stell kann. CC-BY 4.0 Michael Mandiberg

Wikipedia ist zweifellos ein digitales Weltwunder: Wissen, werbefrei in über 300 Sprachversionen kostenlos für alle Menschen mit Internetzugang verfügbar. Dank freier Lizenz ermöglicht die Wikipedia die kreative Nachnutzung in allen noch so entlegenen Ecken des Internets, ohne Rechte klären zu müssen. Und nicht nur die Inhalte, auch die Wiki-Software steht unter einer freien Lizenz, das alles getragen von der gemeinnützigen, primär über Kleinspenden finanzierten Wikimedia Foundation. Die Bedeutung des Wikipedia-Wissen reicht dabei weit über das Wiki hinaus, basieren auch Googles Suchergebnisse und Infoboxen auf Inhalten der freien Online-Enzyklopädie.

Doch große Reichweite und Relevanz bringen große Verantwortung mit sich. Der kontinuierlich wachsende Artikelbestand will ausgewogen gestaltet und aktuell gehalten werden – vor allem auch, weil Wikipedia in vielen Fällen die erste (und oft einzige) Informationsquelle über „relevante“ Organisationen und Personen ist. Veraltete, verfälschte oder einseitige Darstellungen in Artikeln zu korrigieren ist eine Mammutaufgabe, die in der Wikipedia seit Gründung ausschließlich von unbezahlten Freiwilligen erledigt wird. Doch nach über 20 Jahren erweisen sich drei Problemkreise in diesem Zusammenhang als besonders hartnäckig:

  1. Autor:innenmangel: Das stetig wachsende Wikipedia-Wissen erfordert kontinuierliche Bearbeitung, die Zahl der regelmäßig Beitragenden stagniert jedoch seit Jahren. In der deutschsprachigen Wikipedia steuerten im September 2022 4.723 Menschen jeweils mehr als 5 Editierungen bei. Zum Höchststand im Januar 2007 waren es knapp 20.000 Menschen.
    Autor:innenzahl in der deutschsprachigen Wikipedia im Zeitverlauf
    Autor:innen in der deutschsprachigen Wikipedia im Zeitverlauf

    Die stagnierende Zahl an Beitragenden ist aber nicht nur wegen eines veraltenden Artikelbestands ein Problem, sondern auch wegen des dadurch konservierten Mangels an Vielfalt unter den Autor:innen.

  2. Diversitätsdefizite: Wikipedia selbst beschreibt Ausmaß und Folgen der fehlenden Repräsentativität unter den Freiwilligen im Artikel zu „Systemic Bias“. Dort werden die seit Jahren wissenschaftlich untersuchten Diversitätsdefizite auch als eine wesentliche Hürde dafür genannt, dem eigenen Anspruch eines „neutralen Standpunkts“ gerecht werden zu können. Die bisweilen auch von Wikimedia selbst finanzierte Forschung, zum Beispiel zum geringen Anteil an Autorinnen in vielen Sprachversionen, hat eine Reihe von Ursachen identifiziert, die von technischen Problemen bis zu männlich geprägter Kultur und Belästigungsvorwürfen reichen.
  3. Persönlichkeitsrechte: Besonders betroffen von veralteten, falschen oder einseitigen Darstellungen auf der Wikipedia – nicht unbedingt was die Häufigkeit, aber jedenfalls was die möglichen Folgen betrifft – sind Personen, die von der Wikipedia-Community als relevant genug für einen eigenen Eintrag eingestuft wurden. Ihre öffentliche Persona wird mit Veröffentlichung des Artikels maßgeblich und dauerhaft von der Darstellung in der Wikipedia geprägt. Gleichzeitig wird explizit davon abgeraten, den eigenen Artikel selbst zu editieren. Stattdessen sollen diesbezügliche Anliegen auf der Diskussionsseite des Artikels geschildert oder per E-Mail an das Support-Team geschickt werden. Auch hier dauert die Bearbeitung umso länger, ist die Abhängigkeit von einzelnen Artikelwächter:innen umso größer, je weniger aktive Wikipedianer:innen sich um solche Anliegen kümmern können oder wollen.

Nicht zuletzt wegen dieser Probleme bemüht sich die Wikimedia Foundation seit über zehn Jahren mit diversen Initiativen um mehr neue Beitragende. Bereits 2012 wurde mit dem „Teahouse“ ein (eher versteckter) Ort geschaffen, in dem Neulinge freundlich willkommen geheißen werden sollten. (Dass der Erstkontakt mit dem Maschinenraum der Wikipedia oft alles andere als freundlich abläuft, lässt sich gut am Beispiel von Löschdiskussionen illustrieren.) Jahrelang wurde ein „Visual Editor“ entwickelt, um das Editieren der Wikipedia möglichst ähnlich zu herkömmlicher Textverarbeitungssoftware zu machen. Und ebenfalls schon lange erhalten neu registrierte Nutzer:innen ein Unterstützungsangebot von erfahrenen Wikipedianer:innen auf ihrer persönlichen Seite.

Neuer Anlauf mit „Growth Team“

Logo des "Growth Teams" der Wikimedia Foundation
Das „Growth Team“ der Wikimedia Foundation arbeitet an Features für Wikipedia-Neulinge - CC-BY 4.0 RHo (WMF)

Die jüngste Wikimedia-Initiative zur Steigerung der Autor:innenzahlen folgt ziemlich genau diesem Muster. Ein „Growth-Team“ arbeitet seit einiger Zeit an einer Reihe von neuen Software-Features, um den Einstieg ins Editieren zu erleichtern und die Absprungrate zu verringern. So soll eine neue und personalisierte Newcomer-Startseite Informationen zum Einstieg und Rückmeldung zu Abrufzahlen editierter Artikel geben. Ein Feed mit „Newcomer Tasks“ soll auf mehr oder weniger spielerische Weise niedrigschwellige Möglichkeiten zur Editierung unterbreiten. Und ein Mentor-Dashboard soll es freiwilligen Mentor:innen leichter machen, Neulinge bei ihren ersten Schritten zu begleiten. 

Nun ist nicht auszuschließen, dass diese neuen Feature die Absprungrate neuer Wikipedia-Autor:innen ein wenig verringern und im Ergebnis etwas mehr Leute einige Edits mehr beisteuern werden. Aber letztlich ist es vor allem eines: mehr von den Rezepten, die schon seit über zehn Jahren keinen durchschlagenden Erfolg gebracht haben. Es würde mich deshalb außerordentlich überraschen, wenn es diesmal anders wäre.

An rigiden Regeln rütteln

Denn wesentliche Ursachen für Wikipedias drei Probleme sind nicht technischer Natur. Neue Features werden sie deshalb auch nur in sehr begrenztem Ausmaß eindämmen können. Das betrifft vor allem den männlich geprägten, oft als unfreundlich erlebten Umgangston. Und es betrifft die Kehrseite des zentralen Wikipedia-Mantras des „anyone can edit“, nämlich eine Zurückhaltung bei der Durchsetzung sozialer Mindeststandards gegenüber einer kleinen Minderheit mit toxischem Sozialverhalten. Die fehlende Durchsetzung von Gemeinschaftsstandards ist deshalb so entscheidend, weil effektive Moderation essentiell für Klima und Kultur in Online-Communities ist

Diese Problemursachen zu adressieren würde jedoch erfordern, an zwei Tabus zu rütteln, die tief in der aktuellen Wikipedia verankert sind.

  • Striktes Ehrenamtlichkeitsprinzip unter den Autor:innen und Administrator:innen: Wie das Beispiel des Wikimedia „Growth Teams“ demonstriert, ist es für die Wikimedia Foundation völlig selbstverständlich, beträchtliche Mittel in professionelle Weiterentwicklung der eigenen, frei lizenzierten Wikisoftware zu stecken. Kein Spendengeld wird hingegen ausgegeben, um Autor:innen für die Erstellung von Inhalten zu bezahlen oder in professionelles Community-Management zu investieren. Beides ist ausschließlich Freiwilligen oder gegebenfalls von Dritten bezahlten Autor:innen vorbehalten. Damit einher geht, dass nur jene Dinge innerhalb der Wikipedia passieren, für die sich Freiwillige gewinnen lassen. Task-Forces zur Bearbeitung von Lücken oder zur Pflege vernachlässigter Artikelbestände gibt es deshalb nicht.   
  • Strikte Trennung zwischen Wikimedia Foundation und Wikipedia Community: Sollte am Tabu Ehrenamtlichkeit gerüttelt werden, würde das jedoch dazu zwingen, mit einem weiteren Tabu zu brechen: die Kluft zwischen formaler Organisation Wikimedia und informaler Wikipedia-Gemeinschaft. Bis zu einem gewissen Grad ist die herrschende Trennung für beide Seiten bequem. Wikimedia muss keine Verantwortung für rechtlich oder ethisch fragwürdige Inhalte übernehmen, sondern kann auf die selbstorganisierte Community verweisen. Die Community wiederum braucht keine Einmischung vonseiten der Foundation bezüglich Inhalten oder Community-Management befürchten. Genau diese Nichteinmischung befördert dann aber die beobachtete Stagnation der Wikipedia-Community, sowohl was Zahl als auch Diversität der Autor:innen betrifft.

Bezahlung von Autor:innen und Administrator:innen in relevanten – also nicht nur den größten – Sprachversionen durch die Wikimedia Foundation könnte aber nicht nur einen Beitrag gegen Autor:innenmangel und Diversitätsdefizite leisten. Es würde auch dazu führen, dass viel mehr von den jährlich steigenden Spendenmillionen unmittelbar in die Verbesserung der Wikipedia selbst zurückfließen. Finanziell wäre die Wikimedia Foundation definitiv dazu in der Lage.

Zum Einstieg würden sich kleine Redaktionen oder Task-Forces für spezielle, ehrenamtlich schwierig zu leistende Aufgaben anbieten. Beispielsweise könnten sich in großen Sprachversionen eine Redaktion primär Wikipedia-Artikeln von noch lebenden Personen und Organisationen widmen sowie als Ansprechpartner:innen für diesbezügliche Anliegen dienen. Zu ihren Aufgaben könnte auch das Aufspüren von systematischen Manipulationsversuchen in diesem Bereich zählen.

Als Vorbild für eine stärkere Integration von Ehren- und Hauptamtlichen könnte dabei eine Organisation dienen, die mir selbst bereits vor über zehn Jahren von führenden Wikipedianer:innen diesbezüglich genannt wurde: Wikimedia verstanden als „das Rote Kreuz für das Weltwissen“. Denn bei Rettungsorganisationen wie dem Roten Kreuz ist die Zusammenarbeit von Hauptamtlichen und Freiwilligen lange geübte Praxis. Natürlich gibt es keine Garantie, dass so eine Strategie auch für die Wikipedia funktionieren würde. Allerdings verspricht sie allemal mehr Erfolg, als die Einführung weiterer neuer Features.

43 Ergänzungen

  1. Absolut d’accord.

    Ich kenne praktisch niemanden, der noch edits in der deutschsprachigen Wikipedia auch nur in Erwägung zieht. Und mein Umfeld ist sehr FOSS und CC lastig.

    Eine ganze Reihe haben es versucht, und die Lernkurve ist mit der Zahl der Editors ja schön visualisiert.

    Dazu haben die deutschen Relevanzkriterien die meisten auf die englischsprachige Wikipedia als Hauptreferenz gehen lassen. Damit ist die deutsche nur noch Ergänzung, wenn schon wer Zeit investiert, dann nicht dort. Ausser für zB sehr lokale Themen.

    Und das scheint ja ganz im Sinne der etablierten Editoren zu sein, denn jede wirkliche Änderung lehnen sie ab. Jedenfalls die meisten laut vernehmbaren.

    Schade.

    1. Das kann ich voll und ganz bestätigen. Nicht technische Probleme sind der Grund warum es kaum mehr Autoren gibt, sondern die Arroganz der Editoren, die glauben allein über Relevanz und korrektheit bestimmen zu können. Das sind reine Machtspiele, die inhaltlich oft nicht begründet sind. In der Wissenschaft werden Dinge meist konträr diekutiert, bis sich ein Mehrheitsmeinung durchsetzt, die aber immer auch Spielraum für abweichende Sichtweisen zuläßt. Wikepedia erhabt aber einen arroganten Anspruch, daß Maß aller Dinge zu sein. Das schreckt potentielle Autoren ab. Die Idee ist gut und die Freiwilligkeit ist auch gut und braucht keine „Hauptamtlichen“, wie im Kommentar vorgeschlagen. Es braucht einen common sense unter den Beteiligten, der mehr und mehr abhandengekommen ist. Wikipedia müsste zuallererst mal bei den Editoren ausmisten.

      1. Ab einer gewissen Größe und damit operationalem Pflichtprogramm ist eine Mischung aus Haupt- und Ehrenamt wesentlich effektiver. Das ist immer eine Balance und auch nicht reibungsfrei, aber wie ausgeführt gibt es eine Menge Erfahrung dazu.

        Ansonsten hat man de facto eine Diktatur der kleinen Minderheit, die sich das notwendige hohe Engagement leisten kann und früh genug dabei war. Und all das eben nicht, was die nicht wollen.

        1. BTDT, in unterschiedlichen Projekten in unterschiedlichen Rollen.

          Das eigene Projekt zu oeffnen ist nie einfach, denn damit verliert man zumindest potentiell Kontrolle, liebgewonnene Konventionen und die „einfachen“ Moeglichkeiten, sein Ding zu machen. Da muss man auch ein bisschen loslassen koennen. Dazu kommt die Tendenz, Aenderungen anderer als Abwertung des selber erreichten zu interpretieren. Letztlich muss man sich entscheiden, ob man ein primaer eigenes oder ein primaer offenes Projekt haben will. Wikipedia behauptet letzteres.

          Hauptamtliche Strukturen sind ab einer gewissen Projektgroesse schlicht gegeben. Wenn nicht durch transparente Strukturen organisiert, sind es halt intransparent und unkontrolliert die Leute, die sich das leisten koennen. Die sind idR hochmotiviert, aber das ist idR eine eher spezifische Motivation und sie sind nicht unbedingt die bestqualifiziertesten oder die objektivsten fuer operationale Aufgaben. Und dann gibt’s immer wichtige Dinge, die man wirklich tun sollte, auf die aber keiner Lust oder (Frei)Zeit hat.

          Man muss bei der Professionalisierung halt sehr aufpassen, weder eine Selbstbedienungsorganisation noch eine Profilierungsplattform zu etablieren, sonst riskiert man das gesamte Projekt.

          1. Die Intention auptamtliche einzusetzen ist durchaus richtig. Allerdings gibt es dann eben 2 Klassen von Mitarbeitenden. Und zusätzliche eine „amtliche“ Hierarchie. Die gibt es jetzt auch und genau das ist das Problem. Ich habe Zweifel, ob sich das durch Hauptamtliche lösen läßt. Die Behauptung „Hauptamtliche Strukturen sind ab einer gewissen Projektgroesse schlicht gegeben“ kann ich nicht nachvollziehen. Gibt es dafür Belege? Auch Hauptamtliche sind intrasparente Strukturen, sofern diese nicht gewählt werden. Und selbst das sichert keinen Konsens (siehe Debian und die Diskusion um systemd). Und wer kontrolliert die Hauptamtlichen? Gibt es dann eine Vollversammlung der Mitarbeitenden, welche die Aufgabe übernimmt? Eine Lösung des Problems sehe ich da nicht, lediglich eine vlt. bessere Strukturierung.

      2. Das stimmt. Es gibt zudem Regeln wer stimmberechtigt ist und wer als häufiger Editor bestimmte „Privilegien“ bekommt. Selbst bin ich Wissenschaftler, Unternehmer und Mutter einer Familie. Daher habe ich nicht soviel Zeit mich um Wikipedia zu kümmern. Ab und zu fällt mir etwas auf, z.B. auch auf meinem evidenzbasierten Fachgebiet und ich werde hier regelmäßig überstimmt von Menschen, die sehr viel Zeit und wenig Ahnung haben. Um Wikipedia-Editor zu werden muss man wohl arbeitslos oder Rentner sein und das kann eigentlich nicht Sinn der Sache sein. Ich sehe auch nichts in Bezahlung für die Mitarbeit, weil das auch nicht die ganze Breite abdecken kann. Stattdessen plädiere ich für die Autentifizierung von bestimmten Nutzern, die darauf Wert legen, ohne dass es dafür 200 Einträge pro Jahr braucht. Ich habe noch andere Hobbies.
        Für Themen die unumstritten sind wie z.B. Schwerkraft oder die Halbwertszeit von Aspirin sind die Wikipedia-Artikel überaus aufschlussreich, aber für Themen, die emotional besetzt sind, oder über die kontroverse Meinungen bestehen, neigt Wikipedia zur Seite mit den meisten arbeitslosen Aktivisten, die aus Mutters Keller die Welt gestalten wollen. Das Gleiche gilt für Wiki-Artikel über Politiker. Hier wird – ohne eine Unwahrheit zu sagen – trotzdem das Bild in die eine oder andere Richtung ge“skewed“ indem man einseitig Medienkommentare von der einen oder der anderen Seite zitiert und Menschen als „kontroversiell“ bezeichnet. Auf Dauer kann es nicht so weiter gehen. Es braucht Qualität und vor allem Neutralität und die kann nicht dem Zufall überlassen werden.

        1. Die fehlende Neutralität ist übrigens der Grund warum ich nicht mehr für Wikipedia spende. Ich bearbeite seit Wikipedia noch in den Kinderschuhen steckte schon Wikipedia-Artikel, aber die Aktivisten/Extremisten gewinnen immer wieder und das kann ich nicht unterstützen.

        2. Die Zensur^WRelevanzkriterien sehe ich neben der strengen Autorenhierarchie, die wie auch die Vorgabe, daß eine Quelle renommiert genug sein muß (nicht etwa, das die Argumentation schlüssig und die Daten möglichst belegt bzw. schlüssig sein müssen), zu mangelnder Neutralität führt auch als Hauptprobleme.

          Als Begrüßung wird man erst mal immer so lange wieder reverted wird, bis man vielleicht vielen Edits irgendwann genügend Privilegien hat, wenn man denn bis dahin durchgehalten hat.

          Festplatten/SSDs scheinen ja unglaublich teuer zu sein, so daß man unbedingt entscheiden muß, welche Artikel, als relevant genug, irgendwann mal in die gedruckte Wikipedia kommen …

          Warum läßt man nicht alle sinnvollen/belegten Edits/Artikel zu, auch wenn die Artikel nicht gleich die gefühlte hohe Qualität haben?

          Selbst bei unkritischen (nicht politischen) Nischenthemen (TCM), wo in der meist billigeren Mainstreamliteratur die Sachen nicht im Kern verstanden wurde und man aufgrund dieser Tatsachen, dann den Artikel in viele Subbedeutungen gesplittet hat, weil die übergeordnete Bedeutung eben nicht bekannt ist, wird der Edit rückgängig gemacht, wenn man in der Einleitung mit einer kurzen Ergänzung den ganzen Artikel als verfehlt entzaubert hat.

          Inzwischen reißt man, um hohe Zahlen über neue Artikel vorweisen zu können, Abschnitte aus umfangreichen Artikeln als ausgelagerte neue Artikel aus dem Kontext, was natürlich die Qualität der Ursprungsartikel senkt, wo die Ausführungen dann fehlen.

          Ich wünsche den privilegierten Autoren/Administratoren weiterhin viel Spaß beim reverten, so steigen die Nutzerzahlen garantiert!

      3. Sehe ich ähnlich. Ich habe viele Jahre für die Wikipedia geschrieben, aber musste die Erfahrung machen, dass da Leute auf Themen sitzen, an deren Darstellung sie nicht die geringste Änderung zulassen. Ich rede nicht von explosiven aktuellen politischen Themen, sondern z.B. von historischen oder mathematischen. Was z.B. die historischen angeht: Da wird etwa behauptet, dass aus irgendwelchen Dokumenten dies und das hervorgeht. Und wenn man dann anmerkt (ganz freundlich formuliert), dass es dazu keinerlei archäologischen Belege gibt, und man (ich) dazu sogar die zuständige Behörde gefragt hat, heißt es: Behörden sind unwissenschaftlich, nur die Dokumente zählen, komm mir nicht mit Archäologie!, und dann sind auch die nettesten Relativierungen sofort gelöscht. Da trifft man auf fragwürdige historiologische Dogmen, deren Diskussion nicht zugelassen wird, auch wenn man nur ein „vermutlich“ ergänzt. Da siegt dann immer der Editator. So verliert man (ich) dann die Lust und lässt es bleiben.

    2. Mh, spannend, dieser „die deutsche Wikipedia ist bäh, ich schreib nur noch in der englischen….“-Kommentar. Nicht nur, dass sich die im Artikel geschilderten Maßnahmen von der Wikimedia Foundation ausgehen und völlig unabhängig von irgendeiner Sprachversion sind. Und die von Leonhard geschilderten Probleme gibt es in englischer wie deutscher Wikipedia. Und ja, auch in der englischen WP wird gelöscht, jede Menge sogar. Anders wäre ein frei editierbares Projekt auch gar nicht denkbar.

      1. Ah, der obligatorisch Verteidiger der deutschsprachigen Wikipedia ist auch schon da 8)

        Zum einen stand da vorsaetzlich „deutschsprachig“ und nicht „deutsch“. Da wurde mal Wert drauf gelegt, wird es zumindest in anderen entsprechenden Kreisen noch immer.

        Zum anderen ist die Erfahrung im Umfeld, dass es in der englischsprachigen einfacher ist und sich in der englischsprachigen mehr oder passenderes findet. Da ist halt irrelevant, was Du ueber das Loeschverhalten dort denkst. Deswegen ist die deutschsprachige nicht „baeh“, aber ohne emotionale Wertung geht’s wohl nicht?

        1. Hier ein Beispiel:
          Warum genau besteht die dt. Wikipedia darauf, U-Booteinsätze als „Feindfahrt“ zu bezeichnen?
          Für Leute die Deutsch lernen, ist „Einsatz“ ein bekanntes Wort. Stattdessen nötigt man sie dazu, Vokabular aus der Nazizeit zu verwenden. Und schleift jenes wieder ein in den Sprachgebrauch.

          Ich hatte mir die Mühe gemacht, das zu korrigieren. Die Änderungen wurden kommentarlos revertiert.

  2. Ich habe heuer auch einen Versuch unternommen. Konto eingerichtet, erste vorgeschlagene Editierungen durchgearbeitet. Also in der App die Kleinigkeiten zufügen, war das einfachste und bequemste beim Pendeln.
    Bei den Artikeleditionen kamen so manche Kommentare. Der aller grösste Teil hilfreich und freundlich. Und dann dieser eine Artikel. Einen Abschnitt überarbeitet, ein paar Wörter verändert – zack, abgelehnt, rückgängig, Kommentar unnötig und unsinnig. Ein zweiter, langjähriger User erklärte dann es wäre tatsächlich so, denn der Ablehner sei Professor in dem Fachgebiet. Weitere Erklärungen auf Neuling-Aufgabe und Art der Kommentierung wurden abgespeisst als wäre man ein abc-Schüler. Arroganz pur. Hab dann erstmal pausiert, ein paar Wochen später neue Versuche, andere Themenfelder, gleiche Resultate. Auf Eis gelegt das Projekt. Für sowas helfen keine neuen Features.
    Bei einem Betrieb hätte ich die Beschwerdestelle noch grösser informiert. So nicht.

    1. „denn der Ablehner sei Professor in dem Fachgebiet“ – hatte ich Neutralität in Wikipedia nicht so verstanden, das genau diese Situation vermieden werden sollte?

      1. Das Problem ist mMn eher die Struktur der Wikipedia-Regeln, die gleichzeitig alles und nichts erlaubt, d.h. erfahrene Wikipedia-Editoren können das ausnutzen und Neulinge regelrecht in Fallen locken: z.B. Schnelllöschhinweis in wenigen Minuten anbringen. Entfernt der Autor das dann weil die Regel lautet, innerhalb der ersten 15min (minimum) sollte man dem Ersteller zeit lassen, wird man schnell wegen Vandalismus gesperrt obwoghl man sich an die Regeln gehalten hat (nur eben an die falschen).

        Ähnliches gilt auch im beschriebenen Fall.

        Oder noch ein Beispiel: Wikipedia verbraucht kein Papier (braucht also keine extremen Ausschlußkriterien), die Relevanzkriterien vor allem in der deutschen Wikipedia sind aber teilweise absolut arbiträr und eng.

        Das ganbze erinnert mich sehr an autoritäre Staaten, die auf dme Papier ganz tolle Gesetze haben, aber dennoch gibt es immer eine Regel, gegen die man in der Praxis verstossen muss um zu Leben, und daher steht man imme rmit einem Fuß im Gefängnis.

        1. Zu „die Relevanzkriterien vor allem in der deutschen Wikipedia sind aber teilweise absolut arbiträr und eng.“ Jein. Die Anforderungen an Artikel sind in der englischsprachigen Wikipedia teils deutlich höher, weil dort Artikelgegenstände nicht per se relevant sind (wie bei der dt.-sprachigen WP etwa Landräte, Schauspieler mit halbwegs bedeutender Nebenrolle oder Fußballspieler, die im letzten Spiel der Saison in der 95. Munute Sekunden vor Abpfiff noch eingewechselt wurden), sondern es ist in jedem Einzelfall die „notability“ nachzuweisen.

          Daß die Kriterien arbiträr sind und in DACH streng ausgelegt werden, hat seine Wurzeln im Persönlichkeitsrecht bzw. im Recht auf die informatorische Selbstbestimmung. Der Bürgermeister von Hintertupfing ist nicht bedeutend genug, um jedes dabbische Geschwätz seiner Laufbahn auf ewig in der Wikipedia dokumentiert zu sehen. Ein Landtagsabgeordneter eine Bundeslandes hingegen, der muß sich öffentliches Interesse gefallen lassen. Der Bürgermeister hätte also einen Unterlassungsanspruch, der Abgeordnete nicht. Also schließt man den Bürgermeister ex ante aus, um seiner Klage zuvorzukommen.

    2. Bin ich froh, dass ich für mein Fachgebiet meine eigene Webseite betreibe. Ich muss mich nicht steuerlich alimentierte akademische Arroganz aussetzen. Zumal wenn die Änderungen wohl nur stilistisch und nicht inhaltlich sind. Ich bin mein eigener Chef und muss mich nicht mit Befindlichkeiten anderer abplagen. Ich hatte mich auch als Wikipedia Autor versucht und habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Quintessenz daraus war, eigene Domain registriert, Inhalte in die Webseite gegossen. Mir ist meine Lebenszeit zu Schade für solche Animositäten, wie man sie bei Wikipedia erlebt.

  3. Wissen wir, wir das Verhältnis von Ehren- zu Hauptamt beim Roten Kreuz ist? Oder bei den Feuerwehren? Das könnte einen Eindruck vermitteln davon, wie hoch dauerhaft die Aufwände für professionelle Editoren wäre.

    Und ich sehe eine ganze Menge an Problemen mit bezahlten Autoren – etwa was redaktionelle Unabhängigkeit angeht, was bei inhaltlichen Konflikten zwischen Haupt- und Ehrenamtlern passieren würde, und dazu kommen noch eine Menge Haftungsfragen.

    Ich halte ja den Ansatz der Wiki Education Foundation für replizierbar (etwa in Deutschland), die Kooperationen mit Universitäten eingeht und die Studenten schreiben / bearbeiten Wikipedia-Artikel für Credits. Das ist natürlich auch eine Form von Bezahlung (halt in Credits, nicht in Geld), aber würde eine Reihe der skizzierten Probleme vermeiden.

  4. Was mich nervt bei solchen Analysen ist, dass es offensichtlich common sense was negativ und was positiv geframed wird. Das ist eine Etntwicklung die sich über viele Medien verbreitet hat. das führt dazu, dass eine „andere Sicht auf die Dinge“ gar nicht mehr möglich ist und damit viele Lösungswege komplett erbaut werden, aber schon die Analyse an sich fragwürdig wird.

    Diese suggestion eine männliche geprägte Kultur oder Kommunikation wäre etwas negatives ist völlig aus der Luft gegriffen und führt die Entstehung der Wikipedia ad absurdum. Ich habe mich 2003 bei der Wikipedia angemeldet, weil mir das Internet und die vielen Seiten, wo man etwas erklärt bekommen hat massiv geholfen hat. Der heutige Feminismus nennt das wohl mansplaining. Vielleicht ist das auch der Grund warum es kaum Frauen bei Wikipedia gibt, sie haben nicht das Bedürfnis Wissen weiter zu geben.

    Aus Wissenschaftlicher Sicht – also ohne bias – wäre es sicher interessant dieser Frage nachzugehen. Genau wie man auch kulturelle Unterschiede untersuchen könnte, um zu erklären warum manche sprachen wenig vertreten sind .

    Natürlich weiß ich nicht, ob meine Gedanken Unsinn sind – ich bin kein Professor – aber das verunglimpfen derer, die tatsächlich etwas getan haben und mit viel Akrebie etwas grosses erschaffen haben, ist sicher nicht zielführend.

    Die Wikipedia ist ohne Geld (für die Autoren) aus dem eigenen Antrieb vieler Menschen entstanden. Wenn das heute nur mit Geld und/oder Zwang funktioniert, dann hat sich vielleicht die Gesellschaft geändert und die Wikipedia ist nicht mehr zeitgemäß.
    Was aber auch die Zeitenentwicklung wiederspiegelt ist der immer größere staatliche Druck auf die Inhalte und da sind China und Russland sicher nicht alleine, auch in unseren Breiten ist es sehr wichtig geworden das bestimmte Inhalte nicht neutral (NPOV wie es die WP nennt) erklärt werden. Das ist aber ein anderes Thema.

    Neben den soziologischen oder politischen Themen sind aber auch die wissenschaftsartikel problematisch geworden. Wie kürzlich Golem schrieb sind immer mehr von ihnen ohne ein fundiertes Fachwissen kaum noch verständlich und man fragt sich beim lesen, ob da nicht ein Wettstreit (männlicher Schwanzvergleich) statt gefunden hat, wer dem Artikel mehr Fach- und Fremdwörter beisteuern kann. Das liegt meines erachtens auf die starke akademische Zentrierung der Autorenschaft. Wer Paper in Fachmagazine liest, wird diesen Stil kennen. Gleichzeitig ist dieser Vorgang auch verantwortlich für viele Regeln, die Autoren die nicht diesem Milieu entstammen, vergraueln.

    Das alles zusammen erklärt meiner Meinung die Probleme der Wikipedia besser.

  5. Natürlich kann man versuchen, neue Autoren durch Bezahlung zu gewinnen. Dabei kann es aber nur um einen relativ kleinen, ausgewählten Kreis gehen.

    Wie werden diejenigen reagieren, die nicht zu diesem Kreis gehören, keine „exzellenten“ Artikel schreiben, dafür aber die alltägliche Hausmeisterarbeit (letzte Änderungen prüfen, sichten, kategorisieren, bebildern, Tippfehler beseitigen …) leisten? Ich fürchte, bei der Schaffung eines neuen bezahlten Wikipedia-Adels würde das unsichtbare, aber wichtige Wikipedia-Proletariat den Krempel hinwerfen.

    Statt neue Autoren zu gewinnen würden so letzten Endes ein Großteil der vorhandenen vertrieben.

  6. Autoren, Editoren, Administratoren sind auch von der anderen Seite der Medaille, nämlich der Inhalte, im Fokus (…obige Kommentare: „jede wirkliche Änderung lehnen sie ab“, „ausmisten“, „Ablehner sei Professor“ ) und zwar nicht neutral, aber selbstverständlich belegt und wissenschaftlich (im „ursprünglichen Sinn…).
    Krass ist dann ein Wikipedia, wo Administratoren für immer wiederkehrende Änderungen und Veröffentlichungen von ‚anderer Seite‘ bezahlt würden (werden!?). Interessant hier die Recherchen zu dem Wikepedia-Eintrag ‚Glyphosat‘ (https://zeitung.faz.net/faz/medien/2022-07-20/38f256b2fd6753404fa5598ee206f6cd/?GEPC=s3), auch zusammengefasst nachzulesen in der Beilage zu ‚Stichwort BAYER 4/2022 des CBGnetwork.org — es gibt viele Beispiele.
    Also klar: kein technologisch/feature-basierter Lösungsansatz; eher der Vorschlag Richtung „kleine Redaktionen“, die hinschauen und tun…

    1. Das Kaulquappenbeispiel ist nicht gut gewählt.
      Nun der beschriebene Artikel in der FAZ bezieht sich auf eine Studie der UNI ULM in der die Glyphosatkonzentration immer weiter erhöht wurde, bis toxische Nebenwirkungen gefunden wurden. Danach wurde geschaut, ob überhaupt irgendwo auf der Welt eine solche Konzentration vorkommt. Gefunden hat man eine solche Konzentration (gesamte Welt) nicht. Lediglich in stehenden kleinen Gewässern in Brasilien (einzige Angabe) ist die Konzentration nahe an die toxische Konzentration gekommen.
      Was fehlt? Die Aussage dass in Europa noch nicht einmal ein Bruchteil der toxischen Konzentration je gefunden wurde und kein Mitarbeiter der UNI ULM war in Brasilien oder hat weltweit nachgemessen (woher kommen die Messwerte?). Dafür wird aber getitelt: „…stören Entwicklung von Kaulquappen“ und „In zahlreichen Ländern finden sich gesundheitsschädliche G-Konzentrationen in stehenden Gewässern“ oder „Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Pestizide wie GBH beim weltweiten Rückgang von Amphibienpopulationen durchaus eine tragende Rolle spielen könnten“! Vermuten kann ich auch viel aber wo bleiben die Belege?
      (https://www.uni-ulm.de/med/fakultaet/med-detailseiten/news-detail/article/kleine-hirne-schwache-herzen-krumme-koerperpflanzenschutzmittel-mit-glyphosat-stoeren-entwicklung-von-kaulquappen/)

      Der Artikel und vermutlich auch die Studie, wenn sie Aussagen wie der Artikel trifft, ist bei positivster Begutachtung keine fundierte wissenschaftliche Arbeit. Sie ist von Laien schwer zu bewerten und hat deshalb in Wikipedia nichts verloren.

  7. Die beschriebenen Probleme und Vorschläge leuchten ein, allerdings ist für mich als weitgehend passiver Nutzer von Wikipedia das Hauptproblem, dass dort nicht selten schlicht Unwahrheiten stehen. Zum einen sehe ich immer wieder Personeneinträge, die diese Personen selbst erstellt haben und aufgrund ihrer relativ geringen Bedeutung mit arg geschönten Vitae auch noch durchkommen. Sie fliegen quasi unter dem Radar, um ihre Bedeutung und bescheidene Prominenz zu überhöhen. Es liegt auf der Hand, dass viele Leser darauf hereinfallen. Es geht vermutlich kaum einer danach in die Uni-Bibliothek o. Ä., um einen Faktencheck zu machen. Dann gibt es Bereiche, ich sehe das an meinem eigenen Fachgebiet, in dem Autoren Sachverhalte einfach falsch beschreiben – meist, weil ihnen die Fachkompetenz fehlt, gelegentlich auch, um einem Thema einen gewollten Spin zu geben, sozusagen Öffentlichkeitsarbeit unter dem Deckmäntelchen des Lexikoneintrags. Um aber auf den Autorenmangel zu kommen: Warum sollte ich mich als Autor um einen seriösen Artikel aus meinem Gebiet bemühen, wenn er dann unter Umständen von Laien oder missgünstigen Beiträgern verfälscht wird? Bei den Prüfmechanismen gibt es in der Tat einiges zu tun. Diversifizierung, Ehrenamtlichkeit oder von mir aus Demokratisierung wird da nicht viel helfen, denn dann können wir die Themen auch gleich am Stammtisch besprechen. Es hat schon seinen Grund, dass es in der akademischen Welt, bei Patentfragen usw. sehr hohe Prüfstandards gibt. Davon kann in Wikipedia keine Rede sein. Die Lösung wäre vermutlich eine professionell und entsprechende bezahlte Herangehensweise, wie man sie früher bei Lexika hatte. Die gibt es nicht mehr, dank Wikipedia. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Oder noch einfacher: Von nichts kommt nichts.

    1. Diese Diskussion ist seit ueber einem Jahrzehnt entschieden, es gibt keine „Lexika wie frueher“ mehr, weil sie in keinem Bereich signifikante Vorteile hatten. Auch nicht im Bereich Qualitaet.

  8. zum Vorwurf der Einseitigkeit und möglicher Bezahlung von Beiträgen

    Den Vorwurf der Einseitigkeit (zu viele Autoren weiß, männlich, westlich, …) lasse ich nicht gelten. Die Plattform ist offen für alle und wenn das einigen nicht passt, sollen sie oder andere Gruppen eben eigene Artikel schreiben, editieren,… oder jedenfalls selbst beitragen. Nur Kritisieren ist destruktiv.

    Bezahlung von Beiträgen würde zu einem Influencertum wie in anderen Medien (Youtube, …) führen, also dass einige/viele(?) Beiträgt nur noch des Geldes wegen geschrieben werden. Angesichts des Mülls, der dadurch veröffentlicht wird, also viel Text, wenig, unseriöser oder flacher Inhalt fährt Wikipedia sicher besser ohne das.

    Insgesamt: Natürlich kann man versuchen, neue Autoren zu gewinnen, aber an den Konzepten von Wikipedia grundlegend etwas zu ändern, wird den Erfolg und den Ruf von Wikipedia gefährden. Einmal zerstörte Reputation wieder aufzubauen ist sehr schwierig.

    1. „Angesichts des Mülls, der dadurch veröffentlicht wird, also viel Text, wenig, unseriöser oder flacher Inhalt fährt Wikipedia sicher besser ohne das.“

      Bei vielen Schauspielern in der deutschen Wikipedia ist der Text zum Leben auf dem flachsten Niveau überhaupt. Das läuft dann in der Form „zuerst machte sie Film A, danach Film B und dann kam ein großer Erfolg mit Film C“. Das ist Listenform als Text. Sorry, flacher geht es nicht. Lest ihr eigentlich selbst in der Wikipedia?

      Beispiel Jennifer Lawrence, erste Schauspielerin, bei der ich geschaut habe:
      „Lawrence trat 2010 im Musikvideo zu The Mess I Made von Parachute auf. Außerdem stand sie 2011 an der Seite von Jodie Foster und Mel Gibson für die Tragikomödie Der Biber vor der Kamera und spielte im selben Jahr die Figur Mystique in der X-Men-Verfilmung X-Men: Erste Entscheidung. In Die Tribute von Panem – The Hunger Games übernahm sie 2012 die Hauptrolle der Katniss Everdeen. 2012 stand sie für den kanadischen Horror-Thriller House at the End of the Street vor der Kamera.[15] 2012 und 2013 erhielt sie für ihre Hauptrolle in dem Film Silver Linings zahlreiche Filmpreise, unter anderem den Golden Globe als beste Hauptdarstellerin in einer Komödie oder einem Musical und den Oscar als beste Hauptdarstellerin. In Die Tribute von Panem – Catching Fire spielte sie erneut die Rolle der Katniss Everdeen. “

      Das ist eine reine Aufzählung in Textform, das liest doch niemand (gerne). Aber mehr scheitert wohl ja an der Relevanz.

  9. Im Gegensatz zum Artikel bin ich der Meinung, dass Wikipedia erhebliche technische Schulden mit sich herumschleppt und diese dringend erneuert gehören. Als sporadischer Wikipedia-Autor bin jedesmal enttäuscht, wie veraltet sich Wikipedia von technischer Seite präsentiert. Die meisten Blog-Softwares heutzutage haben bessere Editoren, Github hat eine viel bessere Darstellung von Differenzen zwischen Versionen. Überhaupt wäre es schön, wenn Wikipedia eher wie ein Software-Projekt auf Github geführt würde: mit Issues und Pull-Request für jeden Artikel.

    Mich schreckt das jedesmal ab und das gleiche gilt sicher auch für viele andere potentielle Autoren. Es ist bezeichnend, dass man externe Tools wie https://www.wikiwand.com/ benötigt, um ein bisschen moderneres GUI zu sehen. Und die Generation Tic-Toc würde sich sicher auch über mehr Video-Content freuen.

    P.S.: Ich hatte nie Probleme mit Löschungen oder toxischen Kommentaren oder solchen Dingen. Ich glaube in der Diskussion sind die besonders Enttäuschten überrepräsentiert. Wer sinnvolle Inhalte liefert, hat keine Problem zur Wikipedia beizutragen.

    1. Das kann ich nicht bestätigen. Ich bearbeite Wikipedia bereits seit der Anfangszeit. In vielen Fällen kann man Gutes beitragen, aber in manchen Fällen steckt ein sehr enthousiastischer Wikipedianer hinter bestimmten Artikeln, der sich nicht um eine neutrale Ausdrucksweise bemüht und diese auch nicht erträgt. Das ist kein Kampf den ich persönlich angehen will und ich habe für solche Kleinlichkeiten keine Zeit. Auch wenn es nur ca. 20% der Beiträge betrifft, bleibt immer noch der Sachverhalt, dass es vielen nicht um Neutralität geht.
      Wenn Sie diese Erfahrung noch nicht gemacht haben beglückwünsche ich Sie. Vermutlich haben Sie hochwertigen Beiträge geliefert, die mit der Meinung der Wikipedianer übereinstimmten, oder Sie haben nicht-kontroversiellen Themen bearbeitet.

  10. Hab es 2011 und 2020 mal versucht etwas (ganz Kleines) beizutragen. Sorry, der Aufwand ist einfach zu hoch, all die Anforderungen und Details zu kennen und zu beachten, da muss ich ja vorher einen Lehrgang belegen. Und dann erhält man oft keine hinweisenden und helfenden Feedbacks, sondern es wird gelöscht und man bekommt eine oft völlig unverständliche Erklärung dazu. Für die man sich erstmal wieder mit den ganzen Grundsätzen, Anforderungen, Formalien und Strukturen in Wikipedia befassen muss, um sie letztlich zu verstehen. Das motiviert nicht und wer kann sich diesen Luxus an Zeit und Aufwand noch leisten? Die jüngeren Leute holt das ganz sicher nicht mehr ab. Die glauben aber oft, alles was bei Wikipedia steht, sei wahr und mehr (relevantes) Wissen als dort gäbe es nicht.

  11. Der Artikel ist sicherlich einer der besseren zum Thema Wikipedia, aber auch er fällt wieder auf das Propblem Gender Bias herein. Daß es diesen gibt, ist unbestritten, aber ich habe noch keine Studie gelesen, die das richtig auf die Reihe bekommt. Weil hier interne und externe Faktoren vermischt werden. Selbst wenn Natürlich wäre es zu wünschen, daß sich mehr Frauen an der WP beteiligen. Aber zu glauben, wie das ständig Ergebnis dieser Studien ist, mehr Frauen würde zu mehr Artikeln über Frauen führen, woraus wiederum mehr Interesse von Frauen an der WP folgt, ist blauäugig. So ist zwangsläufig der Anteil der Frauen an römisch-katholischen Bischöfe null und folgerichtig auch der Anteil der Artikel zu weiblichen römisch-katholischen Bischöfe null. Und wird auch in 100 Jahren noch deutlich unter einem Prozent liegen, rein mathematisch, selbst wenn die r-k Kirche ab morgen nur noch Frauen zu Bischöfen kreierte. Das gilt aber auch im Sportbereich. Dort haben wir als Relevanzkriterium bspw. einen professionellen Ligabetrieb. Warum das so ist, geht aus dem Persönlichkeitsrecht hervor: es findet eine Abwägung öffentlichen Interesses gegenüber Persönlichkeitsrecht statt, und ersteres ist bei Amateursportlern nicht wirklich gegeben. Das heißt, daß selbst in der Gegenwart, in der der Frauenfußball medial gepusht wird, trotzdem für Personen der deutschen Ligen ein Geschlechterverhätlnis von 3:1 festgeschrieben ist, weit weg vom ungefähren Verhältnis der Geschlechter von 1:1, Diverse hier unberücksichtigt.

    Was hingegen für die ganze Aktivismen mit Women in Red, Womens‘ Editathons etc. frustrierend ist, ist die fehlende Aufklärung im Vorfeld, welche Personenkreise relevant sind. Wenn bei solchen Veranstaltungen überwiegend Artikel zu irrelevanten Aktivistinnen geschrieben werden, die der ersten Relevanzüberprüfung nicht standhalten, ist das frustrierend. Dabei könnte man soviele Artikel über weibliche Sportler schreiben. So die etwa 102 roten Links in der Kaderliste der Frauenmannschaft von Real Madrid. Löschsicher. Das findet aber nicht statt, und man muß sich fragen, warum dem so ist.

    1. „Wir(sic!) entscheiden, was relevant ist, und wer was anderes beitragen will, soll woanders hingehen.“

      Genau. Machen die Leute dann auch.

    2. Danke. Aber ich behaupte nirgends, dass es so einfach ist und natürlich sind interne und externe Faktoren zu berücksichtigen. Natürlich gibt es weniger Biografien von historisch einflussreichen Frauen, das spiegelt 2000 Jahre patriarchale Gesellschaftsordnung wieder und hat nur wenig mit dem Autorenüberhang unter den Freiwilligen zu tun.
      Es gibt aber durchaus Forschung, die andere Formen von Bias belegen. Hier z.B. ein Thread über eine Schwerpunktausgabe des Wikipedia Research Newsletters. Mein Lieblingsbeispiel aus der deutschsprachigen Wikipedia: selbst Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, wurden in der Wikipedia überwiegen männlich bebildert (Zagavora et al., 2017).
      In einem eigenen Buchbeitrag zum Thema unterscheide ich deshalb auch zwischen bloß importierten Diversitätsdefiziten, die Ungleichheiten der Umwelt widerspiegeln, und kreierten Diversitätsdefiziten, die aus den (Offenheits-)Regeln von Plattformen wie der Wikipedia resultieren. Diese beiden Dynamiken sind aber natürlich nicht unabhängig voneinander, sondern verstärken sich potenziell wechselseitig.

      1. Dass es weniger Artikel über Frauen gibt, hat nicht mit einer Verschwörung zu tun die man jetzt modisch „Patriarchat“ nennt. In alten Zeiten, als es noch keien Verhütung gab, waren Frauen mit Schwangerschaft, Stillen usw. beschäftigt und ohne moderne Vorlagen konnte man die Menstruation auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Man kann die Wichtigkeit der Erziehung und Betreuung von Kindern nicht unterschätzen. Mit dieser wichtigen und ehrenvolle Aufgabe schafft man es nun mal weniger oft in die Geschichtsbücher als wenn man ein kleines Land überfällt. Das ist heute auch nicht anders. Hillary Clinton wäre vor 700 Jahren vielleicht eine glückliche Mutter von 14 Kindern gewesen und keiner hätte sie gekannt.

        1. So, so, das Patriarchat gibt es also nicht. Klar, Frauen, denen bis in das20. Jahrhundert elementare Rechte vorbehalten wurden, haben sich das natürlich selbst ausgesucht. Kein Wahlrecht zu haben, nicht studieren zu dürfen, klar alles Schuld der Frauen. Bei soviel Geschichtsrelativierung, die Sie betreiben, kann einen echt nur schlecht werden. Übrigens, warum haben vor 700 Jahren Frauen 14 Kinder gehabt? Weil es sie es wollten? Eher nicht. Und außerdem, warum hat sich zu dieser Zeit nicht der Mann paritätisch um seine Brut gekümmert? Da war doch was. Zum Beispiel Klerikalfaschisten, die irgendetwas von „Natur“ schwadronierten und nur ihre eigen Deutungshoheit über die angeblich „natürliche“ Rollenverteilung der Geschlechter durchgesetzt haben. Interessant auch, das eine Person namens Gesine Horstmeier bei der sogenannten „Achse des Guten“ kommentiert. Sollten Sie mit dieser Person identisch sein, ist mir klar, wessen Geistes Kind Sie sind.

  12. Das Hauptproblem ist eben, dass sich fast jeder irgendeine Bezahlung für seine Arbeit „holt“. Fallen die üblichen Bezahlungen weg, also materielle Bezahlung (Geld etc.) oder eben auch die Bezahlung auf Basis von Lob oder Anerkennung gibt es Probleme. Letzteres scheitert daran, dass niemand sieht wer einen Artikel verfasst hat, was zusätzliche Probleme erzeugt, etwa bei der Einordnung der Seriosität oder ob der Artikel manipuliert wurde.
    Gibt es keine Bezahlung holen sich eben viele Leute ihre Bezahlung auf anderem Weg. Einer ist Ausübung von Macht, das führt fast immer zu einer toxischen Umgebung bei der viele das Schiff eben verlassen. Sowas ist in ehrenamtlichen Gruppen gar nicht so selten und nur schwer auszumerzen.
    Auf der anderen Seite gibt es Leute, die nicht ihren Willen durchsetzen können und dann die vermeintlich „Bösen“ bestrafen. Auch das ist typisch für Ehrenamt.
    Am Ende torpediert sich das System selbst. Das Ganze kann man nur verhindern, wenn es eine übergeordnete Instanz gibt, die einfach rigoros Fehlverhalten ahndet. Bezahlung wie hier geschrieben, wäre eine andere Alternative.

  13. Michael Anfang
    Ich kann sehr gut nachvollziehen, warum die Zahl der Beiträger in der deutschsprachigen Wikipedia seit Jahren abnimmt. Seit kurzem bin ich als Beiträger tätig geworden, werde aber die Tätigkeit aufgrund negativer Erfahrungen mit einer Editorin wohl bald wieder einstellen. In einem Beitrag über eine Professorin habe ich auf die gesellschaftliche Relevanz ihrer Forschung zur Rechtschreibdidaktik hingewiesen. Der Abschnitt über die Forschungsschwerpunkte wurde von der Editorin komplett gelöscht ohne jede Begründung. Darauf schaute ich mir mehrere Beiträge dieser Editorin an und musste feststellen, dass diese an Belanglosigkeit und gesellschaftlicher Irrelevanz kaum zu übertreffen sind. Auch die Redundanz der Texte dieser Editorin ist erstaunlich hoch. So wird z.B. der Hinweis, dass ein Kontrabassist zu Lebzeiten in vielen europäischen Städten aufgetreten ist, mit der Aufzählung von über 20 Städten ergänzt.
    Außerdem wird anhand der Beiträge dieser Editorin ganz offensichtlich, dass sie in einem Bereich qualifiziert ist, der mit den Beiträgen, in denen sie heftig ohne Begründung löscht, keinerlei Berührungspunkte hat. Vermutlich hat die Editorin mal ein paar Semester Musikgeschichte studiert. Es wird völlig fachfremd und willkürlich in Texten gestrichen und verschlimmbessert. Da fragt man sich als Autor, ob man einer solchen Plattform seine Expertise noch weiter zur Verfügung stellen soll. Es ist auch eine Unsitte bei Wikipedia, dass sich die Editoren untereinander mit Lobhudeleien und Dankbarkeitsbekundungen beweihräuchern. Das befördert nur die Arroganz einer machtgeilen Clique. Wie schade; war die ursprüngliche Idee doch eine gute Sache. Ich wollte gerade 50 Euro spenden, als ich diese Erbebnisse mit der Editorin hatte. Meine Spende liegt erst einmal auf Eis.

  14. Hallo, ich habe vor Jahren mehrere Edits in PC Prozessoren und Technik gemacht, mit dem Ergebnis, dass all meine Änderungen (alle sind sogar von Dritten in meinem Bekanntenkreis überprüft worden) verworfen / gelöscht worden sind, ohne mir Rückmeldung zu geben.
    Daraufhin hatte ich keinerlei Lust mehr.

  15. Also wenn man die Kommentare allein schon hier teilweise liest, vergeht einem ja alle Lust, irgendwas im Internet zu irgendwas gemeinschaftlichem noch beizutragen. Sinngemäß, Frauen schreiben nicht bei wikipedia, weil sie sich um die Kinder kümmern müssen?! Meine Fresse. Und dann von angeblichem Modewort Patriachat schwadronieren. Kommt mal kla, ihr incels

    1. „Sinngemäß, Frauen schreiben nicht bei wikipedia, weil sie sich um die Kinder kümmern müssen?!“ Dein Textverständnis ist herausragend. Übrigens: Es gibt einen „Antworten“-Button, der es dir erlaubt, direkt auf den Kommentar, der dir aufstößt, zu antworten.

      „Kommt mal kla, ihr incels“ Danke für diesen konstruktiven Beitrag.

      Ehrlich gesagt erschließt sich mir die Moderationspraxis bei netzpolitik.org nicht zu 100%. In den Kommentarregeln steht „Wir werden Meinungsbeiträge, die keine inhaltliche Ergänzung darstellen, einfach und ohne weitere Erklärung löschen.“ Trotzdem gehen solche Kommentare durch. Gerade bei Artikeln wie diesem, wo einige Kommentare gelöscht wurden, ist das nicht nachvollziehbar.

      1. Laut Eigendartellung moderieren die Redakteure selber, wobei regelmaessig ein Goblin durchzutoben scheint.

        Wirklich konsequent sind nur die „progressiven“ Autoren, die jegliche Realitaetsanmutung mit Widerspruch zu ihrem Weltbild ausfiltern 8)

  16. unique & too big to fail

    Zwei sehr beunruhigende Erkenntnisse bleiben aus diesem Artikel:
    1) das interessanteste, überzeugendste und leider wohl auch das relevanteste wurde in den Zuschriften, nicht im Artikel verhandelt.
    Während ich bei dem Artikel permanent dachte, wenn das die Probleme sind, dann gibt es kein großes Problem, haben
    2) die Zuschriften ein erschreckend konsistentes, hoffnungslos systemisches und völlig anderes Bild gezeichnet, wieso die Wikipedia langsam aber stetig erodiert in ihrer Qualität.

    Diktatorische Erbhöfe neurotischer Rechthaber mit zu viel Zeit stoßen das scheue Reh des reflektierten, selbstkritischen Wissens ab, im Handumdrehen.

    Der Konsens über die relevanten Probleme ist drängend!
    Verstanden habe ich noch nicht, wieso seit vielen Jahren Pseudoprobleme in den Vordergrund gehievt werden, nicht wenigstens die Ursachen oder wenigstens die Phänomene klar benannt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.