Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung soll in den USA ab 2026 unmittelbar frei zugänglich werden, gab das Weiße Haus Ende letzter Woche bekannt. Damit sollen steuerlich finanzierte Forschungserkenntnisse nicht mehr hinter teuren Paywalls verschwinden oder erst mit Verzögerung breit öffentlich werden.
Spätestens die Coronapandemie habe gezeigt, dass eine reibungsarme Zusammenarbeit zwischen Regierung, Industrie und Forschenden „gewaltige Resultate“ hervorbringen kann, heißt es in der Verfügung der US-Regierung. Forschung und Daten seien frei geflossen, ungehindert zugängliche Erkenntnisse hätten die Entdeckung neuer Ansätze in den „Turbo-Modus“ geschaltet. Künftig soll dies nicht nur in Krisenzeiten geschehen, sondern dabei helfen, Forschung etwa zu Krebs, erneuerbaren Energien oder Klimawandel voranzubringen, so die US-Regierung.
Ausgeweiteter Zugang
Die neue Offenheit setzt eine Initiative des früheren US-Präsidenten Barack Obama aus dem Jahr 2013 fort. Seitdem sind staatliche Einrichtungen mit einem jährlichen Forschungsbudget von über 100 Millionen US-Dollar verpflichtet, ihre Erkenntnisse innerhalb eines Jahres frei zugänglich zu machen. Allerdings hatte dies nur rund 20 der größten US-Forschungseinrichtungen umfasst, etwa die National Science Foundation.
Künftig sollen diese Grenzen fallen. Die Regeln gelten nun für beinahe alle Stellen des Bundes, der New York Times zufolge für mindestens 400 Einrichtungen. Erfasst sind auch alle staatlich finanzierten Veröffentlichungen, die nach dem Peer-Review-Prozess in Fachpublikationen erscheinen. Zudem sollen die Veröffentlichungen maschinenlesbar und damit unter anderem barrierearm sein. Die vollständige Umsetzung der Pläne ist für 2026 geplant.
Viele Forschende wollen offenen Zugang
Mit diesem Vorstoß dürfte der Druck auf die europäische Politik steigen, ebenfalls mehr auf „Open Access“ zu setzen. Bislang zählen hohe Bezahlschranken zum Geschäftsmodell wissenschaftlicher Großverlage wie Elsevier. Doch das Modell bröckelt schon seit geraumer Zeit: So können oder wollen sich zunehmend mehr deutsche Universitäten und sonstige Forschungseinrichtungen nicht mehr leisten, die steigenden Abo-Gebühren zu bezahlen. Das schneidet jedoch viele Forschende von wissenschaftlichen Papieren ab.
Zugleich decken Schattenbibliotheken im rechtlichen Graubereich den Bedarf nach Forschungsdaten ab, etwa die Online-Dienste Sci-Hub oder LibGen. Dem Druck der Öffentlichkeit nach frei zugänglicher Forschung haben bereits einige Verlage nachgegeben, beispielsweise der Großverlag Wiley. Gemäß ausgehandelter Verträge zahlen hier die Wissenschaftseinrichtungen festgelegte Beträge für eine Open-Access-Veröffentlichung und bekommen im Gegenzug Zugang zu den Veröffentlichungen des Verlags.
Ernst machen könnte die Ampelkoalition, die mit einem geplanten Forschungsdatengesetz den Zugang für öffentliche und private Forschung „umfassend verbessern“ will. Open Access soll sich als gemeinsamer Standard etablieren, zudem soll es ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht geben, heißt es im Koalitionsvertrag. Ein konkreter Gesetzentwurf steht allerdings noch aus. In einem Positionspapier aus dem Juni fordert der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten, der die Bundesregierung in Fragen der Forschungsdateninfrastruktur berät, einen diskriminierungsfreien Zugang zu wissenschaftsbasierten Daten.
… wie mir aus interessieren Kreisen zugetragen wurde, liegt ein Teil der Verzögerung daran, das ziemlich viel Forschung mit (anteilig) Drittmitteln betrieben wird und die entsprechenden Partner einige Einspruchsrechte bei den Veröffentlichungen haben …
Und das ein Gesetz nicht unbedingt nötig wäre, würden die „Grossen“ Unis einfach mal mit OpenAccess anfangen.
Zumindest mein Forschungszweig (Informatik, Elektronik) befindet sich in da einer schwierigen Situation. Historisch und kulturell ist die Wissenschaft und Forschung eng mit der produzierenden Insdustrie verwoben. Das bedeutet, dass, im Gegensatz zur Physik oder Mathematik, Mäzenatentum nicht das dominante Finanzierungsmodell ist. Außerdem befinden sich Firmen in einer natürlichen Konkurrenzsituation zueinander, Mäzene nicht. Die von ihnen finanzierte Forschung wird, dual-use, auch zum eigenen Marketing verwendet.
Das hat zu einer eigenartigen Situation geführt: Um möglichst viel Aufmerksamkeit für sich zu erzeugen, investieren Firmen in Konferenzen und Journale. Aufgrund der Konkurrenz gibt es den Incentive für unterlegene Firmen, neue Konferenzen auszurufen. Deshalb gibt es Organisationen (IEEE, ACM), die Konferenzen sanktionieren (wie Sportwettbewerbe). Die sanktionierenden Organisationen sind dabei selbst auch die Publisher und in ihnen sind praktisch nur Firmen mit ihren Interessen vertreten (IBM Fellow, Intel Fellow, Microsoft Fellow, you name it).
Soviel zum Stand der Dinge. Jetzt ist seit einigen Jahren jedoch die inhaltliche Beteiligung der sanktionierenden Organisationen am wissenschaftlichen Output 0, in Worten: Null. Da ist kein Personal an irgendwas beteiligt. Das Schreiben der Artikel: Wissenschaftler, Organisation einer neuen Journalausgabe: Wissenschaftler, Prüfung und Editing: richtig, Wissenschaftler. Niemand von denen steht auf deren Gehaltsliste. Seit Corona organisieren die nicht mal mehr die Konferenzen, weil die ja virtuell ablaufen. Im Wesentlichen sind die Organisationen jetzt noch glorifizierte Webseiten-Betreiber.
Braucht es sanktionierende Organisationen? Ja. Die Informatik ersäuft sich selbst in Bullshit Papers. Es gibt da zwei Klassen:
1. Behauptungen mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit die nur exemplarisch belegt sind (inklusive p-Hacking, Wahl von pathologischen Beispielen etc.)
2. Wiederholungen von altem Wissen. Es gibt inzwischen so viele sanktionierte Konferenzen, dass man eine Arbeit im Bereich Datenbanken gerne nochmal im Bereich Software-Design unverändert zum 2. Mal veröffentlichen kann.
Wer sollte darin sitzen? Wissenschaftler. Werft die Firmen raus! Die sollen Geld geben, den Wissensvorsprung in mehr Geld umsetzen aber ansonsten die Klappe halten; also, Mäzene werden.
Jetzt zu deutschem Recht: 1. Als Urheber darf ich meine Arbeiten nach 6 Monaten veröffentlichen, auch an den sanktionierenden Organisationen vorbei. Das wird in der Informatik gemacht. Google Scholar spuckt in der Regel auch den Link zur Uni-Seite aus, auch wenn die Erst-Veröffentlichung eigentlich hinter einer Paywall verschwunden ist. Es gibt da also gar kein praktisches Problem mehr. Wissen viele nicht und interessiert noch mehr Leute leider auch nicht.
2. Die Veröffentlichung vorher auf arxiv.org oder so als pre-print machen. Dann landet zwar eine Version hinter der Paywall aber die „unautorisierte“ Version ist frei verfügbar.
Wenn die anderen, informatikfernen Wissenschaftszweige nicht so unwillig wären, dann wären Verlage wie Elsevier (für die Informatik z.B. praktisch irrelevant als Verlag) schon längst Geschichte oder zu mindest viel mehr bereit zu Gesprächen. Das Wasser der Bedeutungslosigkeit würde ihnen nämlich bis zum Halse stehen.