NSO-StaatstrojanerEU-Parlament wird Einsatz von Pegasus untersuchen

Das EU-Parlament wird einen Untersuchungsausschuss zum Pegasus-Skandal einrichten. Das Mandat ist dabei bewusst weit gefasst, denn Polen und Ungarn sind womöglich nicht die einzigen Mitgliedstaaten, in denen illegal ausgespäht wurde.

Foto von Sophie in ´t Veld im blauen Blazer
Sophie in ´t Veld und ihre liberale Fraktion forderten schon im Herbst einen Untersuchungsausschuss zu Pegasus.(Archiv) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

Nun kommt er also doch. Die Konferenz der Präsidenten des Europaparlaments hat sich darauf geeinigt, einen Untersuchungsausschuss zum Einsatz der Spähsoftware Pegasus in ihren Mitgliedsstaaten einzusetzen. Das teilten die Abgeordneten Sophie in ´t Veld und Róża Thun von der Fraktion „Renew Europe“ bei einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag mit.

Bereits im September hatte die Fraktion der Liberalen auf eine Untersuchung von Pegasus gedrängt, war damit aber gescheitert. Zuvor hatte ein internationaler Verbund von investigativen Journalist:innen gemeinsam mit Amnesty International aufgedeckt, dass die Spähsoftware der israelischen NSO Group auch in Europa gegen Politiker:innen, Oppositionelle, Anwält:innen und Journalist:innen eingesetzt worden war. Mit Pegasus lassen sich alle auf einem Smartphone befindlichen Daten unbemerkt und in Echtzeit überwachen – von verschlüsselten Nachrichten und Kalendereinträgen bis zum Standort.

Ausschlaggebend für den Kurswechsel und die Entscheidung war laut in ´t Veld nun, dass nach Ungarn Ende des Jahres ein weiterer Fall in der EU bekannt wurde. Das kanadische Citizen Lab an der Universität Toronto hatte Pegasus unter anderem auf den Telefonen eines polnischen Oppositionsanwaltes und einer kritischen Staatsanwältin nachgewiesen. Daraufhin hat die polnische Regierung im Januar eingestanden, Pegasus beschafft zu haben, bestreitet aber, die Software illegal gegen die Betroffenen eingesetzt zu haben. 

Kompetenzen des Ausschusses begrenzt

Eine Abstimmung des gesamten Parlamentes und damit das offizielle Mandat ist für Mittwoch geplant. Der Vorschlag für den Beschluss, den das Parlament inzwischen veröffentlicht hat, zeigt jedoch bereits, wie weit die Untersuchungen reichen könnten.

Der Untersuchungsausschuss mit 38 Abgeordneten soll ein Jahr lang arbeiten und dabei untersuchen, in welchem Ausmaß Mitgliedstaaten, darunter Ungarn und Polen, gegen die Regeln der EU verstoßen haben – von Datenschutzauflagen bis zum Wahlrecht und zu Fragen der Menschenwürde und Nichtdiskriminierung. Auch die Frage, ob die EU-Kommission über die Vorgänge Bescheid wusste und welche Rolle Israel bei der Lieferung der Software an EU-Mitgliedsstaaten spielte, soll untersucht werden.

Dazu kann der Ausschuss Sachverständige und Betroffene einladen, aber auch diejenigen, die die Software einsetzten oder das veranlasst habe – in Ungarn waren das laut einem Regierungsvertreter die Geheimdienste.

Die Kompetenzen von Untersuchungsausschüssen im EU-Parlament sind begrenzt. So können sie keine Aussagen gegen den Willen der jeweiligen Regierung erzwingen. Ungarn, Polen und andere Staaten könnten die Befragung ihres Personals also verhindern. Trotzdem könnte der Ausschuss dazu beitragen, dass weitere Details zum Skandal an die Öffentlichkeit kommen. in ´t Veld sagte auf der Pressekonferenz vergangene Woche, dass die Parlamentarier:innen mittlerweile davon ausgehen, dass auch weitere Staaten Pegasus illegal eingesetzt haben könnten – und erwähnte dabei Bulgarien.

Theoretisch könnten im Rahmen der Befragung auch Vertreter:innen aus Deutschland vor den Ausschuss zitiert werden. Das Bundeskriminalamt hat die Beschaffung von Pegasus inzwischen eingeräumt, auch der Bundesnachrichtendienst soll Recherchen zufolge Pegasus im Ausland einsetzen. Zugleich ist völlig unklar, wie diese Behörden Pegasus gesetzeskonform einsetzen.

„Pegasus und vergleichbare Überwachungs-Spionagesoftware“

Bemerkenswert ist auch, dass das Mandat des Untersuchungsausschusses sich weit über Pegasus hinaus erstreckt. Der Ausschuss soll den Einsatz von „Pegasus und vergleichbarer Überwachungs-Spionagesoftware“ untersuchen.

Damit könnte sich die Untersuchung theoretisch auf weit mehr als die Software der NSO Group erstrecken. In der EU sind zahlreiche weitere Trojaner bekannt – von Eigententwicklungen des Bundeskriminalamtes bis zu kommerziellen Produkten wie HackingTeam und FinFisher, die wie Pegasus nur an staatliche Kunden verkauft werden. Über ihren Einsatz ist wenig bekannt, weil etwa in Deutschland die Regierung nicht offenlegen will, über welche Produkte deutsche Behörden überhaupt verfügen.

Vergangenen Monat hatte der oberste Datenschützer der EU ein Verbot von Pegasus und vergleichbarer Software gefordert. Die Verwendung von Pegasus sei mit demokratischen Werten unvereinbar, teilte er mit. „Hochentwickelte militärische Spionagesoftware“ wie Pegasus habe das Potenzial, die Grundrechte und -freiheiten des Einzelnen sowie „die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in nie dagewesenem Maße zu gefährden und zu schädigen“.

5 Ergänzungen

  1. Legal, illegal, scheissegal 8)

    Das Bayrische LKA hat uebrigens gerade Palantir als Dienstleister eingekauft, mit einem Rahmenvertrag, den andere Bundeslaender und das BKA ohne erneute Vergabe nutzen koennen.

    Russischer Faschismus ist boese, kapitalistischer Faschismus ist gut, oder so.

    1. Laut Spiegel war die Ausschreibung zu 112% auf Palantir zugeschneidert. Andere „Anbieter“ konnten die Anforderungen gar nicht erfüllen.

  2. Rein formal:
    „Das EU-Parlament wird einen Untersuchungsausschuss zum Pegasus-Skandal einrichten.“ wiederspricht „Eine Abstimmung des gesamten Parlamentes und damit das offizielle Mandat ist für Mittwoch geplant.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.