KindesmissbrauchsdarstellungenBritische Regierung plant Angstkampagne gegen Verschlüsselung

Die britische Regierung plant eine Kampagne gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit Elementen, welche die Öffentlichkeit „verunsichern“ sollen. Während Großbritannien gegen Verschlüsselung an sich abzielt, geht die EU-Kommission mit der Chatkontrolle andere Wege.

Kind vor riesiger Spinne
Großbritanniens Innenministerium setzt auf Angst. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Vadim Bogulov

Die britische Regierung plant eine Kampagne gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, in der sie den Schutz von Kindern in den Vordergrund stellen will, berichtet der Rolling Stone. Hierfür hat das britische Innenministerium die Agentur M&C Saatchi angeheuert. Die Kampagne soll in den nächsten Tagen anlaufen und richtet sich offenbar gegen Facebook und dessen Ankündigung, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf alle seine Produkte auszudehnen.

„Wir haben M&C Saatchi beauftragt, die vielen Organisationen zusammenzubringen, die unsere Besorgnis über die Auswirkungen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf unsere Fähigkeit, Kinder zu schützen, teilen“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums laut des Rolling Stone in einer Erklärung. Für die Initiative seien £534,000 Pfund als Budget vorgesehen.

Die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnsons plant derzeit ein Gesetz zur Regulierung von Online-Inhalten, vor dem NGOs unter anderem wegen negativer Auswirkungen auf Verschlüsselungsmöglichkeiten warnen. Die neue Kampagne konzentriert sich laut Rolling Stone auf das Argument, dass Verschlüsselung die Bemühungen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Kindern im Internet behindern würde.

Zu den Plänen gehören laut dem Bericht eine Medienkampagne, Kampagnen von britischen Wohltätigkeitsorganisationen und Strafverfolgungsbehörden sowie mehrere Offline-Aktionen, von denen einige darauf abzielen, die Öffentlichkeit „zu verunsichern“. Außerdem solle die Öffentlichkeit aufgerufen werden, sich direkt an Tech-Unternehmen zu wenden. Dabei müsse verhindert werden, dass eine Debatte „Privatsphäre vs. Sicherheit“ entsteht.

„Panikmache des Innenministeriums“

Die Präsentation, aus der der Rolling Stone zitiert, wurde offenbar erstellt, um potenzielle gemeinnützige Koalitionspartner anzuwerben. Es sei nicht klar, ob die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen für die endgültige Kampagne genehmigt wurden oder nicht. Ziel der Kampagne soll unter anderem sein, Facebook von mehr Verschlüsselung abzuhalten. Dafür will das Innenministerium mit Kinderschutzorganisationen zusammenarbeiten und „prüft“ eine Medienpartnerschaft mit der auflagenstarken Boulevardzeitung „The Sun“.

Im Bericht heißt es weiter, wie die Kampagne aussehen soll:

Laut den vom Rolling Stone eingesehenen Dokumenten ist eine der Aktivitäten, die als Teil der Werbeoffensive in Betracht gezogen werden, ein auffälliger Stunt, bei dem ein Erwachsener und ein Kind (beide Schauspieler) in einen Glaskasten gesetzt werden, wobei der Erwachsene das Kind „vielsagend“ anschaut, während das Glas schwarz wird. Mehrere Quellen bestätigten, dass die Kampagne noch in diesem Monat beginnen soll, wobei Datenschutzgruppen bereits eine Gegenkampagne planen.

„Die Panikmache des Innenministeriums ist ebenso unaufrichtig wie gefährlich“, sagte Robin Wilton, Direktor von Internet Trust bei der Internet Society, gegenüber dem Rolling Stone. „Ohne starke Verschlüsselung sind Kinder im Internet gefährdeter als je zuvor. Verschlüsselung schützt die persönliche Sicherheit und die nationale Sicherheit … was die Regierung vorschlägt, gefährdet jeden“.

„Chatkontrolle“ in der EU geplant

Die EU will in Sachen Überwachung und Kindesmissbrauch einen etwas anderen Weg gehen. Die so genannte „Chatkontrolle“ richtet sich nicht direkt gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sondern setzt schon im Vorfeld der Kommunikation an. Die bisher bekannt gewordenen Ideen der EU-Kommission sehen eine Durchsuchung von Dateien auf den Endgeräten der Nutzer:innen vor. Die Dateien sollen mit Datenbanken von Kindesmissbrauchsdarstellungen abgeglichen werden.

Technisch gesehen ermöglicht diese Form der anlasslosen Massenüberwachung zwar noch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, aber deren Wert ist fraglich, wenn die Nachricht bereits vor dem Abschicken nach gezielten Inhalten durchsucht wird. Expert:innen haben solche Pläne als Gefahr für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und die Demokratie als Ganzes bezeichnet. 

Netzpolitik.org hat in einem ausführlichen Artikel vorgestellt, wie Chatkontrolle funktioniert und warum diese auf verschiedenen Ebenen gefährlich für Grundrechte ist. Die EU-Kommission will laut ihrem Terminkalender die Pläne am 2. März vorstellen.

Update 18.1.:
Die Kampagne ist unter noplacetohide.org.uk gestartet.

5 Ergänzungen

  1. Auf diese Art werden Kinder auch missbraucht. Und zwar dazu, ihre Meinungsfreiheit in späteren Jahren einschränken zu können.
    Meiner Ansicht nach wiegt das schwerer als dieser Weg, die Symptome von Kindesmissbrauch bekämpfen zu wollen, statt die Ursachen. Wenn solches Material existiert, ist der Missbrauch bereits passiert.
    Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller, die für derartige Vorhaben nötigen Ressourcen – Zeit, Geld, Personal der Ermittlungsbehörden usw. – direkt dazu zu verwenden, Kriminalität (auch im Allgemeinen) auszubauen. Klassische gezielte Ermittlungen halte ich für wesentlich nachhaltiger. Die zur Verfügung stehenden Methoden und Gesetze müssen nur konsequent angewendet werden. Mit ausreichend Ressourcen würden die sicherlich entsprechende Erfolge bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch, und auch anderen Vergehen, liefern.
    Ich habe selbst Kinder. Und ein echter demokratischer Staat wäre mir für ihre Zukunft wesentlich lieber. Und vermutlich auch wesentlich sicherer.

  2. In meinem vorigen Kommentar fehlen ein paar Worte, das möchte ich richtig stellen. Korrektur in .

    […] direkt dazu zu verwenden, Kriminalität (auch im Allgemeinen) auszubauen. […]

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