Heute blicken wir nicht nur zurück auf die Woche, sondern auf ganze 16 Jahre deutscher Politikgeschichte. Die Ära Merkel geht zu Ende, Ingo Dachwitz zieht in seinem Artikel eine netzpolitische Bilanz ihrer Zeit als Kanzlerin. Stand heute: Der Breitband-Ausbau und die Digitalisierung von Behörden in Deutschland stehen weitgehend still, die IT-Sicherheit lässt zu wünschen übrig. Bei einem Thema ging es aber so richtig voran: Der Überwachungsstaat wurde weitreichend ausgebaut. Fraglich ist, ob die nächste Regierung aus diesen Fehlern lernen wird.
Digitale Überwachung in der EU und an ihren Grenzen
Für Menschen auf der Flucht sind ihre Handys oft die einzige Kontaktmöglichkeit zu ihren Angehörigen. EU-Agenturen wollen sie jedoch zur Überwachung nutzen. Frontex und Europol raten dazu, verstärkt Mobiltelefone von Asylsuchenden zu beschlagnahmen und auszulesen. Mit Tipps in Handreichungen erklären sie den europäischen Polizeibehörden, wie sie vorgehen sollen. Matthias Monroy berichtet über die digitale Verfolgung von Geflüchteten.
Europol selbst soll mehr Befugnisse bekommen. Eine neue Verordnung könnte es der Behörde erlauben, eigenständig europaweite Fahndungen auszuschreiben. Auch die Nutzung „künstlicher Intelligenz“ ist in den Plänen vorgesehen. Matthias Monroy fragt in seinem Text, ob uns bis Jahresende ein europäisches FBI erwartet.
Aus Brüssel gibt es derweil auch positives zu berichten: Wenn es um Strafverfolgung geht, will das Europaparlament die Nutzung künstlicher Intelligenz stärker regulieren. Bürgerechtler:innen sind positiv überrascht. Rechtlich bindend sind die Vorschläge des Parlaments bisher aber noch nicht. In der neuen Folge unseres Podcasts erfahrt mehr zu der neuen Entwicklung.
Ruf nach Meinungsfreiheit und Cybersicherheit
Wenn es mal wieder knallt im Netz, ist schnell die Forderung nach einer Klarnamen- oder Identifizierungspflicht auf dem Tisch. Besonders hitzig geht es oft auf Twitter zu, doch auch Aktivist:innen und Angehörige von marginalisierten Gruppen nutzen die Plattform, um sich Gehör zu verschaffen. Twitter spricht sich jetzt gegen Identifizierungspflichten aus, da sie die Meinungsfreiheit gefährde. Markus Reuter berichtet.
Gute Nachrichten für Nutzer*innen gibt es aus der Schweiz: der E-Mail-Anbieter ProtonMail, der mit strengen Datenschutzauflagen und Verschlüsselung wirbt, sollte mehr Daten speichern und an Behörden weitergeben müssen. Dagegen wehrte sich die Firma jetzt vor Gericht und bekam Recht. Franziska Rau erklärt, wie Schweizer Behörden Firmen wie ProtonMail zur Überwachung einspannen wollen.
In Deutschland dürfen inzwischen alle Geheimdienste Staatstrojaner einsetzen. Ein Bündnis aus Journalist*innen und Whistleblower*innen sieht dadurch die Pressefreiheit gefährdet und hat diese Woche mehrere Klagen eingereicht. Sie wollen erreichen, dass „Nebenbetroffene“, die nicht direkt unter Verdacht stehen, nicht vom Staat gehackt werden dürfen. Die Sorge um die Pressefreiheit ist berechtigt, doch die grundsätzlichen Probleme, die Staatstrojaner verursachen, werden durch die Klagen nicht angesprochen, findet Andre Meister.
Gibt es ein Grundrecht auf Sicherheit? Das ist wohl eine der bedeutendsten Fragen, wenn es um Datenschutz geht. Dass bei der Diskussion um Bürgerrechte und Sicherheit auch das Thema Freiheit nicht fehlen darf, macht der FDP-Politiker und langjährige Datenschützer Gerhart Baum im Interview mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg, Stefan Brink, deutlich. Constanze Kurz hat einen Ausschnitt des 50-minütigen Gesprächs veröffentlicht.
Von Transparenz und Arbeit im Verborgenen
Auch in der Anhörung der Geheimdienst-Chefs vor dem parlamentarischen Kontrollgremium ging es um Staatstrojaner. BND und Verfassungsschutz wollen die Spionage-Software weiterhin verwenden, auch smarte Kühlschränke und Armbanduhren sehen sie als mögliches Mittel zur Überwachung. Holly Hildebrand und Sebastian Meineck berichten außerdem, was die Geheimdienste zu Gefahren von rechts zu sagen haben.
Schon in der letzten Woche haben wir das Urteil angekündigt, jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Öffentliche Stellen müssen auch weiterhin keine Direktnachrichten auf Twitter, Whatsapp und Co. herausgeben. Warum die Organisation für Informationsfreiheit FragdenStaat darin eine vergebene Chance für mehr Informationsfreiheit sieht? Alexander Fanta und Markus Reuter berichten. Und was Markus Reuter persönlich davon hält, erfahrt ihr in seinem Kommentar.
Bei uns dagegen wird Transparenz groß geschrieben: Wir veröffentlichen auch, was mit euren Spendengeldern passiert. Stefanie Talaska schreibt im Transparenzbericht, wie es im August um unsere Finanzen stand.
Mal wieder Ärger mit Facebook
Die sogenannten Facebook-Files haben gezeigt, dass Facebook viel über die schädlichen Auswirkungen der eigenen Produkte weiß, eine Verbesserung der Zustände aber geringe Priorität hat. Ein internationaler Zusammenschluss von Medien hat die Dokumente ausgewertet und weitere Details enthüllt. Markus Reuter fasst die Ergebnisse zusammen.
Das Kerngeschäft von Facebook ist Werbung. Mit Google soll der Konzern geheime Absprachen getroffen haben, um sich Vorteile auf dem Online-Werbemarkt zu verschaffen. Alexander Fanta und Ingo Dachwitz haben sich die Gerichtsdokumente angeschaut, die zeigen, wie die beiden Firmen einen „Burggraben“ zwischen sich und der Konkurrenz ziehen wollten.
Facebook macht nicht nur Werbung im großen Stil, sondern weiß auch viel über die Interessen seiner Nutzer:innen. Eine neue Studie zeigt, dass diese Datenmassen von Werbetreibenden genutzt werden können, um Anzeigen gezielt einzelnen Menschen zuzuspielen. Christina Braun berichtet über die Ergebnisse der Studie und die Gefahren von sogenanntem „Nanotargeting“.
Die Macht von großen IT-Konzernen soll in Zukunft durch das Digitale-Märkte-Gesetz der EU eingeschränkt werden. Die Regierungen der EU-Staaten haben sich jetzt auf einen Kompromiss geeinigt. Der Weg zum fertigen Gesetzestext ist aber noch lang. Alexander Fanta berichtet über den aktuellen Stand der Debatte
Undankbares Youtube, Hitlers Impfpass und eine etwas anderes „Outing“
Freiwillige Helfer*innen helfen YouTube beim Löschen von Spam, Gewaltdarstellungen und anderen Inhalten, die gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen. Doch in letzter Zeit macht sich Unzufriedenheit unter den sogenannten „Trusted Flaggern“ breit, da YouTube ihnen immer weniger Unterstützung bietet. Sebastian Meineck hat mit einigen von ihnen über ihren Unmut gesprochen und gefragt, warum sie trotzdem weitermachen.
Mit dem digitalen Impfnachweis von Adolf Hitler ins Restaurant? Oder doch lieber mit dem von Spongebob Squarepants in den Club? Anfang der Woche tauchen auf Twitter und in Dark-Web-Foren gefälschte Corona-Impfnachweise auf. Ein italienischer Twitter-Nutzer postet am Dienstag ein Bild, auf dem der Nachweis vom EU-System als gültig anerkannt wird. Chris Köver geht der Geschichte in ihrem Text auf den Grund.
Kurioses gibt es wie immer zum Schluss: Ein Berliner Gesundheitsamt hat bis zu 150 Teilnehmende einer schwulen Sexparty aus Versehen geoutet. Dem Amt passierte der Klassiker unter den Datenschutzpannen: Es sendete bei der Warnung vor einem Corona-Fall die Mailadressen in Kopie an alle. Schlimm ist an der Teilnahme natürlich nichts, eine gewisse Anonymität wünschen sich die meisten Betroffenen wahrscheinlich dennoch, schreibt Markus Reuter.
In diesem Sinne: passt auf, wen ihr ins CC setzt und habt ein schönes Wochenende!
Für datenschutzaffine Dienste mit Internet und Leuten ist eigentlich alle Zeit vertan. Konzeptionell ist da nicht viel übrig, jetzt kannste dich für einen vertrauenswürdigen, umsichtigen und kompetenten Staat einsetzen. Wie läuft es damit eigentlich gerade mal so?
„mex“ Toll was Facebook neues probiert. Alles in VR machen, inklusive Passworteingaben usw.
Die Menschen, die das dann (so) nutzen, gehören verboten.