CopBird-HackathonAuf Twitter macht jede Polizei ihr eigenes Ding

Mehr als 20 Teams durchforsteten am Wochenende einen Twitter-Datensatz nach Auffälligkeiten. Ihr Ergebnis: Bei der Nennung von Nationalitäten und im Umgang mit Demonstrationen gibt es weiterhin große regionale Unterschiede bei der Polizei.


Weniger einheitlich als bei der Uniform, geht es bei der Polizei auf Twitter zu. (Symbolbild) CC-BY-NC 2.0 Kai Schwerdt

Das Interesse an dem ersten „CopBird-Hackathon“ war groß: Rund 90 Teilnehmer:innen hatten sich angemeldet. Am Pfingstwochenende analysierten sie dezentral in 23 Teams einen Datensatz, der rund 45.000 Tweets deutscher Polizeien ab Herbst 2020 enthält.

Veranstalterin war die AG Link, ein Zusammenschluss aus technikinteressierten Menschen aus dem Umfeld der Universität Leipzig. Motivation, sich näher mit den Tweets der deutschen Polizei zu beschäftigen, sei der rechtsextreme Anschlag in Hanau gewesen, bei dem neun Menschen starben, sagt deren Sprecherin Rosa Beck. Rassistische Tweets der Polizei wollten sie nicht länger hinnehmen.

Nationalitäten in Polizei-Tweets

Die am Wochenende erstellten Datenanalysen liefern Zahlen und zeigen, wo es online Ungleichbehandlung durch die Polizei gibt, beispielsweise bei der Nennung der Nationalität. Die Bundespolizei, die Polizei Frankfurt-Flughafen und Polizei Bayern würden häufiger Nationalitäten in ihren Tweets nennen als andere Polizeiaccounts, so das Ergebnis eines der Teams am Sonntag. Das deckt sich mit einer Recherche von BR und NDR, nach der es erhebliche regionale Unterschiede bei der Nennung von Nationalitäten in herkömmlichen Pressemitteilungen gibt.

Kriminolog:innen warnen, dass die Praxis, nach der manche Polizeibehörden Türk:innen und Syrer:innen um ein Vielfaches öfter in ihren Pressemitteilungen nennen als deutsche Tatverdächtige, zu einer verzerrten Wahrnehmung von Kriminalität und deren Urheberschaft führen kann. Rechtsradikale nutzen solche Nennungen darüber hinaus in rassistischen Desinformationsprojekten wie „Einzelfallinfos“, um dieses Zerrbild in der rechten Zielgruppe zu verstärken.

Kritisiert wird die Polizei neben Falschmeldungen auch für ihre ironischen Kommentare und Berichterstattung auf politischen Veranstaltungen. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Pressemitteilungen spricht die Polizei auf Twitter direkt und in Echtzeit zur Öffentlichkeit und stellt dabei ihre Sicht der Geschehnisse dar. Dabei ist sie eigentlich zu Neutralität und Sachlichkeit verpflichtet. Auf der Jagd nach Likes und Retweet übertreten Polizeiaccounts diese rechtliche Grenze immer wieder. Eine kritische Einordnung durch Journalist:innen geht in dieser direkten Kommunikation verloren.

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Das ist besonders heikel bei politischen Versammlungen, auf denen die Polizei live twittert. Durch Schilderungen von Gewalt oder Ankündigung von polizeilichen Maßnahmen könnten Menschen im schlimmsten Fall abgeschreckt werden, sich einer Demonstration anzuschließen.
Die Polizei Sachsen würde von allen Polizeien am häufigsten unter dem Hashtag „#demo“ twittern, so das Ergebnis eines der Teams beim Hackathon. Damit lässt sich jedoch nicht feststellen, zu welcher Demonstration die Polizei insgesamt am meisten getwittert hat, da andere Polizeien schlicht andere Hashtags nutzen könnten.

Positiver Tonfall und viele Tiere

Gleich zwei Teams haben sich die Tweets der Polizeien im Vergleich zu herkömmlichen Pressemitteilungen angeschaut. Demnach twittern die Polizei in Hamburg und Bayern viel mehr als andere Bundesländer im Verhältnis zur Anzahl ihrer Pressemitteilungen. Der Tonfall auf Twitter sei insgesamt etwas positiver als in den Pressemitteilungen, was teilweise durch Eigenwerbung wie Stellenausschreibungen zu erklären ist. Eine Hypothese, nach der die Polizei überproportional oft zu Drogen- und Sexualstrafdelikten twittert, konnte das Team jedoch nicht bestätigen. Beim Hackathon fiel auch auf, dass ein nicht unerheblicher Teil der verbreiteten Bilder Tiere enthielt.

Bereits vor drei Jahren haben wir bei auf netzpolitik.org zur Polizei auf Twitter recherchiert und das Thema in der Folge weiter beobachtet. Mit Unterstützung des Datenjournalisten Luca Hammer haben wir damals Tweets aus fünf Jahren ausgewertet, Anfragen bei Polizeien zu internen Richtlinien gestellt und mit Jurist:innen gesprochen. Schon 2018 haben wir festgestellt, dass es kaum verbindliche Regeln gibt und polizeiliches Twittern oft in einer Grauzone geschieht. Daran hat sich bis heute offenbar kaum etwas geändert.

Über die Daten:
Der vollständige Datensatz ist nicht online, kann aber mit einer Twitter API über die Tweet IDs rekonstruiert werden. Ergebnisse der einzelnen Teams sollten in den kommenden Tagen hier zu finden sein.

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