Polizeigewalt beim G20Keine einzige Anklage

Kein einziger Polizist wurde wegen Polizeigewalt beim G20-Gipfel in Hamburg angeklagt. Die Straflosigkeit ist eine Bankrotterklärung des vielbeschworenen Rechtsstaats und ein Freibrief für Täter:innen in Uniform. Ein Kommentar.

Polizei geht gegen Demonstranten vor
Polizeieinsatz beim G20 in Hamburg. CC-BY-NC 2.0 Tim Lüddemann

Unmittelbar nach dem G20-Gipfel in Hamburg tauchten dutzende Videos, Fotos und Augenzeugenberichte auf, in denen Fälle von mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt dokumentiert sind. Die teilweise brutalen Videos lösten eine bundesweite Debatte über Polizeigewalt aus.

Drei Jahre später sind die Ermittlungen so gut wie abgeschlossen. Die traurige Bilanz: Von den 169 eingeleiteten Verfahren, 133 davon wegen Körperverletzung im Amt, hat bislang kein einziges zu einer Anklage geführt.

Täter:innen konnten oftmals entweder nicht identifiziert werden oder die Ermittlungsbehörden hielten den Gewalteinsatz für gerechtfertigt. Mittlerweile sind 120 Verfahren eingestellt. Das geht aus den Antworten auf eine Große Anfrage der Fraktion der Linken in Hamburg hervor. Der einzige erlassene Strafbefehl richtete sich gegen einen Polizeibeamten, der einen anderen Polizeibeamten am Finger verletzte.

Um ein Gefühl zu bekommen, welche Art von Gewalt die Staatsanwaltschaft für gerechtfertigt hält, muss man sich die Beispiele anschauen.

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Das mildeste Mittel?

Eine Frau in roten Leggins und blauem Shirt war auf einen Räumpanzer der Polizei geklettert. Dass die Polizei hier Maßnahmen ergreifen darf, ist unstrittig.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim polizeilichen Handeln legt fest, dass die Polizei als Träger des Gewaltmonopols immer das mildeste Mittel einsetzen muss, das geeignet und erforderlich ist, um das Ziel einer Maßnahme zu erreichen. Polizist:innen haben nicht das Recht, die für sie einfachste, bequemste, effektivste und schnellste Maßnahme umzusetzen.

In einem längeren Video sieht man, dass die Polizei nicht unter Druck ist oder angegriffen wird. Ein Polizist spricht die Frau auf dem Panzer an, etwas später erscheinen etwa 30 weitere Polizist:innen und zwei Wasserwerfer. Das mildeste Mittel ist ganz offenbar, dass die Polizei nun die Frau noch einmal anspricht und dann mit Polizist:innen unter Anwendung einfacher Gewalt vom Dach des Panzers holt.

Stattdessen greifen zwei Beamte zu Pfefferspray, einem Reizstoff, das vom Bundesgerichtshof als „gefährliches Werkzeug“ eingestuft wird und dessen nicht-polizeilicher Einsatz regelmäßig zu Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung führt. Der Reizstoff löst starke körperliche Schmerzen aus, außerdem können bei bestimmten gesundheitlichen Voraussetzungen Komplikationen mit Todesfolge auftreten.

Pfefferspray ist offensichtlich nicht das mildeste Mittel, in der Antwort des rot-grünen Senats aber heißt es: Der „Einsatz von Pfefferspray gegen Person auf Räumpanzer war gerechtfertigt“.

Zusammenschlagen und weitergehen

Im Fall des „Mannes mit den lila Haaren und der Beinschiene“ schlagen mehrere Beamten eine Person, werfen sie zu Boden traktieren sie mit einem Tritt und mehreren Faustschlägen ins Gesicht. Die Polizist:innen lassen irgendwann von ihm ab und gehen einfach weiter. Es sieht damit wie eine Strafmaßnahme aus.

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Auch hier wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, „weil die polizeilichen Maßnahmen gerechtfertigt waren“, heißt es in der Antwort.

Es gibt zahlreiche Fälle wie diesen.

Nach dieser „Aufarbeitung“ der Polizeigewalt von Hamburg müssen wir fragen: Was bitte müssen Polizeibeamte eigentlich noch machen, damit eine Maßnahme später nicht mehr als gerechtfertigt eingestuft wird?

In jedem fünften Fall bleiben Polizist:innen unerkannt

Neben den Entscheidungen, dass derart brutale Vorgehensweisen gerechtfertigt sein sollen, zeigt der Stand der Ermittlungen ein anderes Problem auf: Viele mutmaßliche Täter:innen in Uniform können gar nicht erst identifiziert werden.

In 24 Fällen der 120 eingestellten Verfahren konnten die Polizist:innen nicht gefunden werden. Das ist jedes fünfte Ermittlungsverfahren.

Mit einer konsequenten Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamt:innen ließe sich diese Ermittlungslücke in vielen Fällen schließen. Daran besteht aber auf Seiten von Polizei, Polizeigewerkschaften und konservativer Sicherheitspolitik kein Interesse, die Kennzeichnung wird als „Generalverdacht“ verunglimpft. Bis heute haben mehrere Bundesländer und die Bundespolizei keine Kennzeichnungspflicht.

„Bankrotterklärung des Rechtsstaats“

Der Republikanische Anwaltsverein (RAV) spricht bei der Aufarbeitung der Polizeigewalt beim G20-Gipfel von einer „Farce“. Es seien keine Ermittlungen, sondern es gehe um die „umfassende Immunisierung der Polizei gegen jede Strafverfolgung“. Philipp Krüger von Amnesty International nennt die bisherige Aufarbeitung „eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats“.

Deniz Celik von der Fraktion der Linkspartei in Hamburg sagt gegenüber netzpolitik.org, es sei „unfassbar, dass nach wie vor kein einziger Polizist angeklagt wurde.“ Die derzeitigen Strukturen zur Aufarbeitung und Verfolgung von Polizeigewalt seien offenbar völlig ungeeignet.

Das Signal, das von Hamburg ausgeht, ist fatal: Polizist:innen können sich sicher sein, dass sie selbst in eindeutigen Fällen keine Strafverfolgung zu befürchten haben und dabei die Rückendeckung der Politik genießen.

Während gegen mutmaßliche Gewalttäter:innen unter den Demonstrierenden immer wieder die „ganze Härte des Rechtsstaates“ in Stellung gebracht wird, bleibt dieser in der Verfolgung von Straftaten von Polizist:innen windelweich und zahnlos.

Ein Rechtsstaat zeichnet sich aber dadurch aus, dass er verbindliche Regeln für alle schafft und auch die staatlichen Organe diesen unterwirft. Der so oft beschworene Rechtsstaat wird sonst zur hohlen Phrase, die einzig und allein der „Desavouierung des politischen Gegners, der dadurch zum inneren Feind gestempelt wird“ dient, wie Danijel Majic nach dem G20-Gipfel treffend schrieb.

Es gibt Ideen für Reformen

Der staatliche Umgang mit der Polizeigewalt von Hamburg macht deutlich, dass sich etwas ändern muss, wenn wir der Polizei in Zukunft nicht einen Freibrief für Gewalttaten gegen Protestierende geben wollen.

In einer Demokratie gibt es viele mögliche Reformansätze, die das Ausmaß von rechtswidriger Polizeigewalt eindämmen können. Das fängt mit Kleinigkeiten an, wie die Hürden für den Einsatz von Pfefferspray höher zu setzen und dessen Gebrauch und die dadurch entstehenden Schäden zu erfassen. Eine Kennzeichnungspflicht würde zumindest die Chance bietet, dass Täter:innen in Uniform ermittelt werden können.

Wir könnten polizeiliche Befugnisse zurückdrehen oder die Grundrechte von Demonstrierenden stärken. Wir könnten die Militarisierung der Polizei stoppen, mit Anti-Diskriminierungsgesetzen Rassismus bekämpfen oder versuchen die Cop Culture in der Ausbildung der Polizei zu verändern. Es gibt viele Ansätze.

Die Pseudo-Aufarbeitung von Hamburg zeigt aber vor allem eines: Wir brauchen so schnell wie möglich von der Polizei unabhängige Beschwerdestellen, damit nicht die Polizei gegen sich selbst ermittelt und so wie in Hamburg auch die härtesten Rechtsverletzungen unter den Tisch gekehrt werden.

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19 Ergänzungen

  1. „Unfassbar“ trifft es sehr gut.
    Was ich nicht verstehe: in der Polizei laufen doch nicht nur Vollidioten rum – zumindest nicht mehr, als im Rest der Bevölkerung auch. Sehen diese Leute nicht, was sie da anrichten? Verstehen sie nicht, welchen Effekt so etwas hat? Sind die Scheuklappen so groß? Der Korpsgeist so gewaltig? Die Indoktrination so vollständig? Was erwartet ‚die Polizei‘ denn als Ergebnis einer solcher Handlungsweise und eines solchen Urteils? Jedem noch so dämlichen Volldepp muss doch klar sein, dass das Vertrauen in die Polizei so immer und immer weiter geschädigt wird, bis es komplett verloren ist.
    Früher – also vor 30, 40 Jahren – sah man Polizisten noch Streife laufen. Ganz normale Beamte in ganz normaler Uniform alleine oder zu zweit unterwegs in der Stadt. Nicht nur in der Innenstadt oder an Brennpunkten, nein, quer durch alle Stadtteile. Heute muss man schon froh sein, wenn einem nicht direkt eine gepanzerte Hundertschaft in Kampfmontur begegnet. ‚Normale‘ Polizeibeamte sieht man (ich) fast nur noch, wenn sie mal wieder in Mannschaftsstärke irgendwo zur Unterstützung rumstehen und warten, ob etwas passiert. Manchmal auch noch Streife fahren, aber sonst… Vertrauen aufbauen und Nähe zum Bürger zeigen geht anders.
    Es gibt sicher viele Ursachen für diese Entwicklung, aber so ein Urteil kann doch nur den Anschein erwecken, dass sie genau so gewollt ist.

    1. Du schreibst: »in der Polizei laufen doch nicht nur Vollidioten rum – zumindest nicht mehr, als im Rest der Bevölkerung auch.« aber hä? Hast du den Artikel oben gesehen. Wie kommst du zu dieser waghalsigen behauptung? Das klingt ja wie das gesülze der Polizeigewerkschaften, die immer erklären ihre Polizei sein ein Abbild der Gesellschaft. Das ist sie nicht.

      1. »in der Polizei laufen doch nicht nur Vollidioten rum – zumindest nicht mehr, als im Rest der Bevölkerung auch.«
        Ohne darüber zu urteilen, ob nun Vollidioten oder nicht – so ist die Grundannahme dieser These Fehlerhaft. Die Polizei ist kein Abbild der Gesellschaft. Wir wissen mittlerweile aus genügend wissenschaftlichen Studien, dass die Polizei keine randomisiert gewählte Stichprobe aus der Grundgesamtheit der Bevölkerung ist, sondern das es eine starke Selbstselektion gibt. D.h. Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Grundüberzeugungen entscheiden sich eher für einen Beruf als Polizist als Menschen, die diese Persönlichkeitsmerkmale und Grundüberzeugungen nicht haben. Als Beispiel: Jemand, der gerne Macht ausübt, an das Recht des Stärkeren glaubt und recht unempathisch ist entscheidet sich eher für den Beruf des Polizisten (oder Soldaten) als ein überzeugter Pazifist mit hohen Neurotizismus Werten.

  2. „Vertrauen und Naehe zum Buerger“ ist politisch leider nicht gewollt und wird daher weder finanziert noch gefoerdert. Man will einen moeglichst schwachen Staat, eine Konkurrenzgesellschaft mit dem Vorrecht des Staerkeren, und eine kampfstarke Polizei zum Ausfechten der Konflikte auf der Strasse und Aufrechterhalten der etablierten Strukturen. Siehe USA.

  3. Eine Polizei die systemisch das demokratisch verfasste Recht nicht respektiert, keinen Anstand oder Moral zeigt, und dessen Einhaltung (des Rechts) von ihr, mit den Maßgaben des Rechts, nicht eingefordert werden. Eine Justiz, die der Polizei einen Glaubwürdigkeitsvorteil im scheinbaren Übermaß willkürlich zuspricht. Eine Polizei, die augenscheinlich über Ausbildung. Führung und rassistisch, klassistisch im Kadergehorsam und anti-individualistisch geprägt wird. Das alles ist eines autoritären Systems sehr würdig. Einer Demokratie ist sie nur eine Schande. Unfassbar.
    Wer soll eine solche Polizei respektieren? Wenn das ganze System dahinter und darin nur eines zeigt: Keinen Respekt vor Menschen. Das muss sich ändern. Weg von einem unantastbaren, fast militärischen Staatsschutz zurück zu einer Bürgerpolizei ohne Panzer und martialischer Rüstung.

    1. „Kein Respekt vor Menschen“ ist im gewaehlten(sic!) System nunmal systemimmanent(sic!). Es gibt ja auch keinen Respekt vor Leiharbeitern in der Fleischverarbeitung, vor Pflegekraeften, etc, pp, letztlich auch keine vor den Polizisten, die verheizt werden und idR nicht fuer sowas Polizist geworden sind.

      Die Staerksten respektieren nur sich selbst, und es ist wichtig, dass alle anderen sich nicht solidarisieren, denn sonst kippt das System. Warum die Mehrheit der Buerger das noch immer waehlt, ist mir schleierhaft.

  4. Meine Ergänzung ist eher eine Frage:
    169 eingeleitete Verfahren… Irgendwie hab ich im Hinterkopf, dass die Anzahl der aufgegebenen Anzeigen knapp zehnfach so viele waren? Ich finde gerade nichts auf die Schnelle dazu…
    Will sagen: Ein Großteil der Anzeigen von Bürgern wegen Polizeigewalt wurde gar nicht erst zur Verhandlung zugelassen.
    Kann das jemand widerlegen oder bestätigen?

    1. „Keine einzige Anklage“

      Wirklich?
      7120 Js 34/18 wird geführt als Anklage.
      Offensichtlich wurde das Verfahren abgetrennt.

      Wenn das Dokument schon verlinkt ist, wäre es doch sinnvoll auf die Unregelmäßigkeit in Nummer 30 hinzuweisen.

      1. Ja, hierfür gibt es eine Erklärung. Bei dem Verfahren handelt es sich um das Verfahren gegen einen Münchener Ex-Polizisten, der eine Bierdose auf Polizist:innen geworfen hat (vergleiche: 7120 Js 37/18 in https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/62238/verfahren-gegen-polizeibedienstete-im-rahmen-des-g20-gipfels-und-der-gipfelproteste.pdf). Der Mann war damals Polizist, ist aber heute kein Polizist mehr, wie aus diesem Artikel hervorgeht: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/G20-Prozess-Ex-Polizist-gesteht-Bierdosenwurf,gipfeltreffen854.html

        Ich sehe da keinen Widerspruch zum Artikel und der Überschrift.

        1. Uebrigens Freispruch. Im Vergleich mit allen anderen Verfahren gegen Demoteilnehmer legt es den Schluss nahe, dass Polizisten selbst dann besser gestellt sind, wenn sie nicht als Polizisten gehandelt haben: sie sind fuer die Justiz offensichtlich grundsaetzlich besser als Normalbuerger.

  5. Es ist müßig sich mit dem Verhältnis von Polizei und Staatsanwaltschaften zu beschäftigen – hier existieren zu viele Abhängigkeitsverhältnisse. Spannend wird aber sein, wie die Staatsanwaltschaft mit dem “Fahrrad-Gate“ bei der Leipziger Polizei umgeht. Für die mit asservierten Fahrrädern dealende Polizei-Bande könnte es sehr unangenehm werden, frei nach dem Sprichwort: Der Hehler ist schlimmer als der Stehler.

  6. Unabhängig von der Bewertung in den einzelnen aufgeführten Fällen oder der Unterscheidung zwischen der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns nach Verwaltungsrecht und der Strafbarkeit des Handelns einzelner Polizisten wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip in dem Kommentar leider falsch dargestellt. Es erfordert, dass jede Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, geeignet, erforderlich und angemessen zur Verfolgung eines legitimen Zwecks ist. Erforderlich heißt: es muss das mildeste, zur Erreichung des Zwecks mindestens gleich geeignete Mittel sein. Im Zweifel also doch die für die Polizei „einfachste, bequemste, effektivste und schnellste Maßnahme“.

    1. Verstehe ich sie richtig? Gewaltanwendung ist angemessen, wenn Vereinfachungsgründe dafürsprechen?

      Warum nicht gleich erschießen? Das Schlagen und Treten kostet doch wertvolle Zeit.

      1. Erschießen wäre dann wohl völlig außer Verhältnis zum angestrebten Zweck, mithin unangemessen, und nach den meisten Polizei- bzw. Unmittelbarer-Zwang Gesetzen der Bundesländer sowieso nur in engen Ausnahmefällen erlaubt. Wenn Sie sich eingehender mit der Rechtslage in Deutschland beschäftigen möchten, würde ich Ihnen zum Einstieg die Lektüre des Wikipediartikels „Verhältnismäßigkeitsprinzip (Deutschland)“ sowie des VwVG und UZwG als Beispiele für die Regelung polizeilicher Gewalt durch die Bundespolizei empfehlen.

    2. @whodunit: Ich muss da widersprechen. Die Erforderlichkeit bezieht sich ja auf die Person, welche die Maßnahme erdulden muss. Die Frage, die sich ein Polizist stellen muss ist hier: „Ist es möglich, das angestrebte Ziel auch durch eine schonendere bzw. mildere Maßnahme zu erreichen?“ Das steht eben häufig im Gegensatz zur Effektivität: Es ist natürlich effektiver, schneller, bequemer und einfacher eine Sitzblockade mit Pfefferspray einzunebeln, so dass die Blockierer unter Schmerzen selber gehen, anstatt sie mühsam wegzutragen. Aber es ist eben nicht das schonendste/mildeste Mittel.

      Das ist eben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dass eine Abwägung stattfinden muss, die nicht die Belange und Interessen des Polizisten höher stellt als die eines anderen Menschen. In der Theorie zumindest.

      1. Ich gebe Ihnen Recht, dass eine Abwägung stattfinden muss. Allerdings hat diese zwei Seiten. Zum einen wurde sie vom Gesetzgeber (also mithin auf demokratischem Wege) teilweise vorweggenommen, indem geregelt wurde, dass Anweisungen von Polizisten Folge zu leisten ist, solange sie nicht nichtig sind (also selbst wenn sie rechtswidrig sind!). Die verbleibende Abwägung findet dann nur noch auf dem Level der Angemessenheit statt, also ob das eingesetzte Mittel völlig außer Verhältnis zum angestrebten Zweck liegt. Das ist dann natürlich stark einzelfallabhängig und diskutabel. Aber das schonendste Mittel ist nach deutschem Recht eben – bis auf die erwähnte Grenze des völlig-außer-Verhältnis-stehens – nur einzusetzen, soweit es gleich geeignet ist. Und da scheiden Maßnahmen, die z.B. langsamer sind oder mehr kosten eben regelmäßig aus.

        1. Ich denke die Beschreibung der Verhältnismäßigkeit @whodunit oben entspricht der Logik, wie sie ggf. von den Ordnungskräften betrieben wird. Sie entspricht nicht der Intention der rechtlichen Verfahrensvorgaben.

          > indem geregelt wurde, dass Anweisungen von Polizisten Folge zu leisten ist, solange sie nicht nichtig sind (also selbst wenn sie rechtswidrig sind!)

          Auch hier ein Widerspruch. Das ist in der Einfachheit, Kontextfreiheit und Unspezifität zum Glück nicht der Fall. Um es ganz platt zu verdeutlichen, falls das unklar wäre. „Schlagen Sie das Kind, und springen dann von der Brücke“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.