Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Schon der Untertitel der Pressemeldung zum Start des neuen ZDF-Bildungsangebots „Terra X plus Schule“ verrät, dass einiges im digitalen Umbruch ist bei den Öffentlich-Rechtlichen. „In der ZDFmediathek und bei YouTube“ heißt es dort. Das ZDF startet damit nämlich ein reines Digitalangebot mit Inhalten, die primär für Online-Nutzung gestaltet oder aufbereitet wurden. Solche Angebote „ohne Sendungsbezug“, die also nicht nur der Ergänzung von linear ausgestrahlten Fernsehsendungen dienen, darf das ZDF erst seit Juli diesen Jahres anbieten. Voraussetzung dafür waren der im Mai 2019 in Kraft getretene neue Staatsvertrag und der Beschluss eines neuen „Telemedienkonzeptes“ durch den Fernsehrat.
Ebenfalls bemerkenswert an dem Untertitel der Pressemeldung ist, dass „ZDFmediathek“ und „YouTube“ hier als völlig gleichberechtigte Ausspielwege genannt werden. Das ist nicht nur wegen der Zielgruppe Kinder und Jugendliche sinnvoll, die bei YouTube einfach besser erreichbar ist. Im Unterschied zur Mediathek bietet YouTube nämlich auch einen Rückkanal in Form der Kommentarfunktionen. Ein kurzer Blick unter die dort veröffentlichten Videos reicht um zu sehen, dass diese Funktion auch intensiv genutzt wird. (Dass es dringend vergleichbare Funktionen auch auf den eigenen öffentlich-rechtlichen Plattformen braucht, ist klar und habe ich andernorts bereits mehrfach ausgeführt.)
Freie Lizenzen werden zur Selbstverständlichkeit
Teil des neuen ZDF-Bildungsangebots sind auch wieder Inhalte, die unter freien und Wikipedia-kompatiblen Lizenzen zur Verfügung gestellt werden. Im Video zu Geysiren wird beispielsweise gleich zu Beginn auf die mit dieser Lizenz verbundenen, größeren Nutzungsfreiheiten verwiesen. Die Selbstverständlichkeit, mit der zumindest bei Terra X freie Lizenzen zum Einsatz kommen, ist aus Publikumsperspektive erfreulich und darf auch als Beleg für die guten Erfahrungen mit frei lizenzierten Inhalten gelten.
Denn es ist gerade einmal ein Jahr her, dass Terra X in einem ersten Testlauf zunächst eine Handvoll Videos zu Klimathemen unter Wikipedia-kompatiblen Lizenzen veröffentlicht hatte. Schon damals begründete die Redaktion diese Entscheidung mit dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag. Im Juni diesen Jahres kam es dann zu einer ersten substantiellen Ausweitung des frei lizenzierten Angebots und seither werden kontinuierlich neue Videos auf diese Weise veröffentlicht.
Erste Zahlen zur Nutzung von ZDF-Inhalten in der Wikipedia
Die Veröffentlichung der Videos ist aber nicht nur aus Sicht der Beitragszahlenden von Vorteil, die solche Inhalte ohne komplizierte Rechteklärung nutzen, weiterverbreiten und sogar verändern dürfen. Auch aus Perspektive des ZDFs zahlt sich die freie Lizenz aus, weil die Clips so in der reichweitenstarken Wikipedia eingebunden werden können. Mit Ende Oktober 2020 waren gut 100 Terra-X-Videos in der Wikipedia – genauer: in dessen Medienarchiv Wikimedia Commons – verfügbar und erreichten insgesamt in diesem Monat ca. 1 Million Menschen. Obwohl sich Zahl der Terra-X-Clips von Juni bis Oktober fast verdoppelt hat, blieb die durchschnittliche Zahl an Views je Video ziemlich konstant bei 10.000 pro Monat (siehe Abbildung).
Der Löwenanteil der Views entfällt allerdings auf einige Blockbuster-Clips. Die fünf meistgesehenen Terra-X-Clips in der Wikipedia zwischen Juli und Oktober brachten es zusammen auf insgesamt 1,3 Millionen Views:
- So wurde die Berliner Mauer gebaut (376.065 Views)
- Taj Mahal – Mausoleum der Liebe (331.098)
- Karthago, Phönizische Großstadt (278.933)
- Klimafaktor CO₂ (163.036)
- Rekonstruktion der Stadt Köln im 17. Jahrhundert (174.217; Detail am Rande: die „Geschichte der Hauptstadt Berlin“ brachte es im selben Zeitraum nur auf 142.103 Views)
Das sind Zahlen, die durchaus beachtlich sind. Vielleicht bringen sie auch die Verantwortlichen bei der ARD Tagesschau dazu, ihre restriktivere Lizenzpolitik zu überdenken. Auch dort waren kürzlich Videos unter Creative-Commons-Lizenzen veröffentlicht worden, allerdings nicht kompatibel mit der Wikipedia. Im Ergebnis führt die restriktive Lizenz dazu, dass weniger Menschen mit diesen öffentlich finanzierten Nachrichten- und Bildungsinhalten erreicht werden.
„Digitalangebot mit Inhalten, die primär for Online-Nutzung gestaltet oder aufbereitet wurden.“
Das soll wohl „für“ statt „for“ heißen.
„In kurzer Blick unter die dort veröffentlichten Videos“
Hier fehlt ein E am Anfang.
Danke für die Hinweise, sind korrigiert.