Nennung im VerfassungsschutzberichtWie ein Urteil zur Jungen Freiheit Indymedia helfen könnte

Der Verfassungsschutz nennt das Portal de.indymedia.org in seinem jüngsten Bericht einen Verdachtsfall. Ausgerechnet ein Urteil, das eine rechte Zeitung erstritten hat, könnte jetzt dem linken Portal helfen. Es hebt hervor, dass der Verfassungsschutz wegen einzelner verfassungsfeindlicher Artikel nicht dem ganzen Medium einen Strick drehen darf.

Aufkleber von Indymedia
Aufkleber von de.indymedia.org (Archivbild von 2008) CC-BY-NC 2.0 urbanartcore.eu

Die linke Plattform de.indymedia.org wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Im gerade vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2019 wird das Portal als Verdachtsfall geführt. Nach dem Verbot von linksunten.indymedia habe sich die Internetplattform de.indymedia zum „wichtigsten Informations- und Propagandamedium für die linksextremistische Szene im deutschsprachigen Raum“ entwickelt.

Dabei wird angeführt, dass es eine Moderation gäbe, die bestimmte Beiträge umgehend moderiere, andere aber nicht – darunter Inhalte, die Gewalt rechtfertigen. Daraus folgert der Verfassungsschutz: „Umso mehr müssen sich die Betreiber von „de.indymedia“ die Beiträge mit linksextremistischen oder strafbaren Inhalten zurechnen lassen, die nicht unmittelbar wieder gelöscht worden sind.“

Verdachtsfall zu sein heißt, dass der Inlandsgeheimdienst mit nachrichtendienstlichen Mitteln zur Ausforschung und Überwachung agieren kann. Die Beobachtung ist brisant, weil durch diese auch die Pressefreiheit tangiert wird.

Stigmatisierende Wirkung

Der Jurist David Werdermann, der bei der Stellungnahme der Gesellschaft für Freiheitsrechts (GFF) zu einem anderen Indymedia-Fall vor zwei Jahren mitgewirkt hat, sieht die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht kritisch: „Die Erwähnung greift wegen ihrer stigmatisierenden Wirkung in die Freiheit der Medien ein und ist daher nur innerhalb der aus Artikel 5 des Grundgesetzes folgenden Grenzen zulässig.“

Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zur Zeitung Junge Freiheit festgestellt, dass es von der Pressefreiheit auch umfasst ist, ein Forum zu eröffnen, in dem die Autor:innen innerhalb gewisser Grenzen weitgehende Freiheiten haben. Die rechte Zeitung hatte damals gegen das Land Nordrhein-Westfalen geklagt, weil dessen Verfassungsschutz die Zeitung als „rechtsextrem“ in seinem Bericht genannt hatte – und gewonnen.

Werdermann sagt weiter:

Bei einem solchen „Markt der Meinungen“ bedarf es besonderer Anhaltspunkte um von einzelnen Beiträgen auf die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Mediums zu schließen. Nichts anderes kann im Netz gelten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz müsste also nachweisen, dass sich die Betreiber:innen von de.indymedia mit den angeblich verfassungsfeindlichen Beiträgen und nicht mit den zahlreichen unbedenklichen Beiträgen identifizieren. Im Verfassungsschutzbericht finden sich dafür keine Anhaltspunkte.

„Angriff auf Pressefreiheit“

Britta Rabe vom Grundrechte-Komitee sieht in der Einschätzung des Verfassungsschutzes einen „Angriff auf die Pressefreiheit“. Sie verweist darauf, dass die Einstufung als Verdachtsfall zu Beobachtung und einem späteren Verbot der Plattform wie im Fall linksunten.indymedia führen könnte.

Nach deren Verbot stellte Reporter ohne Grenzen noch im Januar fest, dass es sich bei linksunten.indymedia.org, auch strafrechtlich relevanten Inhalten zum Trotz, um ein informationelles Online-Angebot handele, das dem hohen Schutzstandard der Pressefreiheit unterliege.

Im Jahr 2017 hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Portal linksunten.indymedia.org mit dem umstrittenen Mittel des Vereinsverbotes verboten. Der Rechtsstreit dauert an, die Betroffenen ziehen nun vor das Verfassungsgericht.

Indymedia als mediengeschichtlich wichtiges Projekt

Das 1999 entstandene Indymedia-Projekt gilt als ein Vorreiter des Bürgerjournalismus im Netz. Lange vor Facebook und Blogs bot es Menschen die Möglichkeit, online und anonym Nachrichten zu publizieren. Nicht nur bei den Protesten zum G8-Gipfel in Genua 2001 stellte das „gigantische Internet-Demokratie-Projekt“ eine wichtige Quelle für aktivistischen Journalismus und alternative Berichterstattung dar. Mit dem Aufkommen von Blogs und Social Media wurde Indymedia mit der Zeit unwichtiger.

Indymedia und auch seine Ableger sind immer auch Plattformen für fundierte Recherchen über die rechtsradikale Szene, beispielsweise über das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds und militante Rechtsextremisten. Daneben fand man auch Aufrufe zu Gewalt und Bekennerschreiben auf der Seite, was Indymedia auch für Polizei und Verfassungsschutz interessant macht.

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