Als die EU-Kommission im September einen neuen Migrationspakt vorstellte, berichteten Medien vor allem über schnellere Asylverfahren an den Außengrenzen und mehr Abschiebungen. Pro Asyl bezeichnete die vorgeschlagenen Maßnahmen als „teuflischen Pakt der Entrechtung“. Doch nicht nur auf das Recht auf Asyl wird sich das Migrations- und Asylpaket auswirken, auch datenschutzrechtlich bringt es Probleme. Der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiorówski hat seine Bedenken in einer Stellungnahme zusammengefasst.
Datenschutz sei „eine der letzten Verteidigungslinien für schutzbedürftige Personen“, betont der Datenschutzbeauftragte. Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen „auf der uneingeschränkten Achtung der Grundrechte von Personen, die internationalen Schutz suchen, und anderen Migranten, einschließlich ihres Rechts auf Datenschutz und Privatsphäre, beruhen“. Doch daran hapert es offenbar.
Fingerabdrucksystem wird beständig ausgeweitet
Der Datenschutzbeauftragen sorgt sich um die Vorschläge zur Eurodac-Verordnung. Die EU-Staaten speichern in der Eurodac-Datenbank Fingerabdrücke von Asylsuchenden, die europaweit abgeglichen werden können. So soll etwa verhindert werden, dass Personen in mehreren Mitgliedstaaten Asyl beantragen. Nach dem Willen der Kommission sollen unter anderem mehr Personengruppen erfasst und die Altersgrenze für Fingerabrücke von 14 auf 6 Jahre herabgesetzt werden. Außerdem sollen die Daten zu erfassten Personen in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten in einem zentralen System verknüpft werden.
Wiewiorówski mahnt unter anderem an, dass die Behörden auch bei den verknüpften Daten nur die Daten einsehen können sollen, „die für die Erfüllung ihrer spezifischen Aufgaben relevant sind“. Er kritisiert außerdem die Auffassung der Kommission, dass eine Verknüpfung von Daten keinen Einfluss auf den Datenschutz habe. Neue Datenkategorien und mehr zugriffsberechtigte Stellen wirkten sich sehr wohl auf Betroffene aus.
Bereits sein Vorgänger hatte sich zum Fingerabdruck-System geäußert. In einer früheren Stellungnahme wies er etwa darauf hin, dass die Praxis bei Minderjährigen besonders geprüft und eine ausführliche Datenschutzfolgeabschätzung vorgenommen werden solle. Diese Empfehlungen von Wiewiorówskis Amtsvorgänger bleiben weiter aktuell.
Problematisches Screening von Schutzsuchenden
Ein weiteres Datenschutzproblem stelle das vorgesehene Screening von Schutzsuchenden dar, die beispielsweise ohne Visum in die EU einreisen. Sie sollen in Zukunft noch umfassender durchleuchtet werden. Dazu gehören neben der Identitätsfestellung auch eine Sicherheitsüberprüfung und eine medizinische Untersuchung. Der Europäische Datenschutzbeauftragte kritisiert, dass der Vorschlag für die Screening-Verordnung „keinerlei substanzielle Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten“ und auch keinen Verweis auf den geltenden Rechtsrahmen der EU hält. Es sei nur sehr vage beschrieben, wie die Daten erhoben werden sollen. Außerdem sei nicht definiert, wie Betroffene etwaige falsche Daten korrigieren können. Offene Fragen bleiben auch bei der Aufsicht über das Verfahren.
Grundlegende Kritik äußert der Europäische Datenschutzbeauftragte daran, dass mit dem Migrationspakt die Grenzen zwischen verschiedenen Bereichen wie Asylpolitik, Kriminalitätsbekämpfung, Polizeizusammenarbeit und innerer Sicherheit weiter verwischen. Das folge einem „Trend“, dass alle europäischen Systeme für Grenzen, Migration, Sicherheit und Justiz miteinander verbunden sein sollen.
Dieser „Trend“ gilt nicht nur gesamt-europäisch, auch in Deutschland sammeln die Behörden immer mehr Daten über Asylsuchende und tauschen sie untereinander aus. Das Ausländerzentralregister wurde erweitert, es finden mehr Datenübermittlungen an den Verfassungsschutz statt und mit digitalen Systemen wie der Smartphoneanalyse versuchten staatliche Stellen, immer mehr über Geflüchtete zu erfassen.
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