Anfang dieser Woche hat der russische Präsident Wladimir Putin ein neues Fake-News-Gesetz unterzeichnet, berichtet unter anderen die Moscow Times. Das Gesetz verbietet es, Informationen zu verbreiten, die „eine eklatante Respektlosigkeit gegenüber der Gesellschaft, der Regierung, den offiziellen Regierungssymbolen, der Verfassung oder den Regierungsorganen Russlands aufweisen“.
Vage Formulierungen: Alles könnte „Fake News“ sein
Das Gesetz ist besonders umstritten, weil aufgrund seiner vagen Formulierungen alles als „Fake News“ bezeichnet und zensiert werden könnte. Sowohl Oppositionelle, Aktivist:innen aber auch Journalist:innen könnten mit empfindlichen Strafen belegt werden, wenn sie sich kritisch gegenüber Putin oder der Regierung äußern.
Das Gesetz erlaubt der Medienaufsichtsbehörde „Roskomnadzor“, das sofortige Löschen von Falschnachrichten anzuordnen, wenn es in Äußerungen eine „Beleidigung von Regierung und Gesellschaft“ sieht. Wer das Gesetz bricht, dem drohen hohe Geldstrafen oder bis zu 15 Tage Gefängnis. Das berichtet unter anderem die unabhängige Nachrichtenplattform meduza.
Gefängnis für kritische Postings
Bereits vor dem neuen Gesetz mussten Kritiker:innen mit empfindlichen Strafen rechnen, wenn sie von ihrer Meinungsfreiheit gebrauch machten. Dies zeigt der Journalist Alexander Borodikhin für Mediazona (russisch). Er trug über zehn Verfahren gegen Personen zusammen, die sich in sozialen Medien regierungskritisch äußerten und dafür teilweise mehrere Jahre ins Gefängnis kamen.
Was das bedeuten kann, wird im Falles des Aktivisten Dmitry Tretyakov besonders deutlich. Er sitzt seit einem Jahr im Gefängnis, weil er in einer Unterstützer-Gruppe für den Oppositionspolitiker Navalny bei Telegram einen regierungskritischen Artikel teilte, wie meduza berichtet.
(Selbst)Zensur der Journalist:innen
Doch es besteht nicht nur die Gefahr, dass staatliche Behörden schärfer gegen Kritik von Opposition und Aktivist:innen vorgehen werden und unliebsame Inhalte löschen. Auch die Arbeit von Journalist:innen wird erheblich betroffen sein. Mehr als 100 Journaliste:innen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisieren das Gesetz in einer Petition als „direkte Zensur“, das gegen die Freiheit der Medien verstoße.
Genauso ist zu befürchten, dass Journalist:innen sich zunehmend selbst zensieren werden. Da sich die unabhängige Berichterstattung fast komplett ins Internet verlagert hat, wären auch sie durch das Gesetz betroffen und fürchten nun empfindliche Strafen.
Reporter ohne Grenzen kritisiert das Gesetzesvorhaben als Wiederbelebung sowjetischen Rechts, denn russische Staatsanwälte und Richter dienten hier als zusätzliche Waffen, um Kritik zum Schweigen zu bringen: „Mit dem ständigen Trampeln auf den Grundfreiheiten stehen die russischen Gesetzgeber selbst an der Spitze der Missachtung von Gesellschaft und Staat“, sagt Johann Bihr, Leiter des RSF-Desks Osteuropa und Zentralasien.
Sogar der Menschenrechtsrat der Regierung (russisch) forderte Putin auf, das Gesetz abzulehnen.
Teil einer neuen Internetstrategie
Das Fake-News-Gesetz ist Teil einer neuen Strategie, um das Internet stärker unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Denn die russische Regierung arbeitet auch an einem Gesetz, laut dem der russische Internetverkehr nicht mehr über ausländische Server laufen soll.
Putin bewirbt solche Intiativen als Maßnahmen für ein „souveränes Internet“. Ein abgeschirmtes Netz solle vor Cyber-Angriffen durch fremde Mächte schützen, wie Bloomberg berichtet. Dabei ist es offensichtlich, dass es vor allem um die Unterdrückung unliebsamer Stimmen im eigenen Land geht.
Der Staat als Hüter der Wahrheit
Besonders die Kommunikation von Oppositonellen und Aktivist:innen soll damit strikter unterbunden werden, die meist über ausländische Server kommunizieren, um die russische Kontrolle zu umgehen. Da russische Behörden auf diese keinen Zugriff haben, werden immer mehr ausländische Websites und Online-Dienste wie der Email-Provider ProtonMail gesperrt.
Mit der Abschirmung vom weltweiten Netz würde nicht nur die Kommunikation für Oppositionelle und Aktivist:innen schwieriger. Auch die freie Meinungsbildung der Zivilgesellschaft wäre erheblich beschränkt und abgeschirmt von der Welt in besonderem Maße beeinflussbar.
Zudem wäre auch möglich, Internetseiten willkürlich zu sperren oder vereinzelte Regionen ganz vom Netz zu nehmen. Unruhen und Proteste gegen die Regierung könnten dadurch effektiver unterbunden werden. Denn mit dem Gesetz soll eine Behörde eingerichtet werden, die den gesamten Informationsfluss des russischen Cyberspace kontrollieren und bei Bedarf zensieren kann. Staatliche Kontrollorgane würden quasi zum alleinigen Hüter der Wahrheit.
Proteste sind chancenlos
Auch wenn Proteste gegen solche Gesetze nun auch die russische Zivilgesellschaft erreichen, gilt es als sicher, dass auch dieses Gesetz durch Putin unterzeichnet wird. Die neue Internetstrategie Putins wird nicht nur kritische Stimmen im Netz stärker als bisher zensieren, sondern die gesamte Zivilgesellschaft im Internet kontrollieren und überwachen. Damit würde die Putin-Oligarchie im langen Kampf zwischen staatlichem Zensurapparat und Online-Aktivist:innen ein weiteres Mal gewinnen.
„Was das bedeuten kann, wird im Falles des Aktivisten Primorsky Krai besonders deutlich. Er sitzt seit einem Jahr im Gefängnis, weil er in einer Unterstützer-Gruppe für den Oppositionspolitiker Navalny bei Telegram einen regierungskritischen Artikel teilte, wie meduza berichtet.“
Primorsky Krai ist der Name der Region, aus der dieser Aktivist kommt (Wladiwostok liegt z.B. dort). Laut verlinktem Artikel heißt der Mann Dmitry Tretyakov.
Danke für den Hinweis. Wir ändern das sofort