Frankreich drängt SPD-Abgeordnete zu Ja bei der Urheberrechtsreform

Ungewöhnliche Lobby-Taktiken kurz vor der Abstimmung im EU-Parlament: Die französische Botschafterin warb in Berlin direkt bei SPD-Politikern für deren Zustimmung im Europaparlament.

Macron Merkel
Lobbying in Berlin: Frankreichs Präsident Macron möchte Uploadfilter durchsetzen – Alle Rechte vorbehalten European Union

Kurz vor der Abstimmung über die umstrittene EU-Urheberrechtsreform greifen ihre Befürworter zu ungewöhnlichen Mitteln: Die französische Botschafterin in Berlin, Anne-Marie Descôtes, lobbyierte zuletzt persönlich bei SPD-Abgeordneten für ein Ja zum vorliegenden Text. Die französische Botschaft bestätigte auf Anfrage von netzpolitik.org, es habe ein „informelles Gespräch“ mit den Sozialdemokraten gegeben.

Die Begegnung fand bei einem Europa-Abend der SPD am Donnerstag in Berlin statt. Botschafterin Descôtes bemängelte dort das „merkwürdige“ Verhalten der Partei beim Thema Urheberrecht, berichtet ein Teilnehmer. Botschaftsangehörige verteilten demnach Flyer, die vor „falschen Interpretationen“ der Reform warnen. Auf dem Flugzettel, der netzpolitik.org vorliegt, heißt es, Artikel 13 der Reform führe nicht zu Uploadfiltern. Der Text liest sich wortgleich wie einer des Rechteinhaberverbands GESAC.

In Berlin verteilt: Rechteinhaber-Argumente. (Klick auf Bild für volle Größe)

Frankreich: „Ausgewogener Kompromiss“

Die französische Botschaft sagte auf Anfrage, die Botschafterin habe bei dem SPD-Abend informelle Gespräche geführt, deren Wortlaut nicht bestätigt werden könne. „Botschafterin Anne-Marie Descôtes hat natürlich die Position Frankreichs noch einmal erläutert, die darin besteht, den ausgewogenen Kompromiss zu verteidigen, der vor wenigen Wochen zusammen mit unseren deutschen Partnern im EU-Rat erzielt wurde“, schreibt die Pressesprecherin der Botschaft in einer Antwort an netzpolitik.org. Die SPD-Delegation im EU-Parlament wollte keine Stellungnahme abgeben.

Dass Botschafter vor einer wichtigen Abstimmung in anderen EU-Ländern direkte Lobby-Arbeit bei Abgeordneten einer Regierungspartei leisten, ist ungewöhnlich. Hintergrund ist: Frankreichs Präsident Emanuel Macron und seine Regierung setzen sich vehement für die Einführung von Uploadfiltern ein, mit denen das Land vermeintlich seine Kulturindustrie schützen möchte.

Botschafterin Anne-Marie Descôtes
Botschafterin Anne-Marie Descôtes - CC-BY-SA 4.0 Raimond Spekking

Die Urheberrechtsreform entfachte zuletzt große Proteste. Der Entwurf, über den das Europaparlament nächste Woche endgültig abstimmt, soll Uploadfilter für Plattformen und ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführen. Netzaktivisten und ein breites Bündnis von Startups, Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft warnen vor den Vorschlägen. Sie fürchten, die Filterpflichten könnte große Mengen an legalen Inhalten aus dem Netz fegen und den Weg zu einer Zensurinfrastruktur bereiten.

Urheberrecht: SPD ist gespalten

Die deutschen Sozialdemokraten fahren beim Urheberrecht einen Zickzack-Kurs. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD lehnte Uploadfilter als „unverhältnismäßig“ ab. Dennoch stimmte die Bundesregierung in Brüssel der Reform zu, nachdem sich Berlin und Paris zuvor auf eine gemeinsame Linie einigten. Bereits im September hatten zahlreiche Sozialdemokraten im EU-Parlament für die Reform gestimmt.

Doch bei den Sozialdemokraten rumort es. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken kritisiert die Reform seit längerem scharf, auch seine Fraktionskollegin Birgit Sippel warnt vor Uploadfiltern. In SPD-Kreisen fürchten einige, eine Zustimmung zur Reform könnte bei der Europawahl für die Partei verheerende Folgen vor allem unter jungen Wählern haben.

Zum Showdown kommt es nächste Woche, wenn das Europaparlament bei einer Sitzung in Straßburg endgültig über die Annahme oder Ablehnung des neuen Urheberrechts (inklusive Uploadfiltern) entscheidet. Zuvor werden am 23. März in ganz Europa Demonstrationen gegen die Reform erwartet.

1 Ergänzungen

  1. Keine Sorge, die haben den Generalfehler gemacht und den Zettel auf Englisch geschrieben. Das liest keiner durch.

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