Das Leistungsschutzrecht – ein Zombie-Gesetz aus Deutschland wird bald in ganz Europa Realität

Seit fünf Jahren gibt es in Deutschland das Leistungsschutzrecht. Eigentlich hat es nie funktioniert – doch die Bundesregierung will das bis heute nicht zugeben, wie ihre Antwort auf eine Anfrage der Grünen zeigt. Trotz allem könnte das umstrittene Gesetz bald auf EU-Ebene eingeführt werden.

Zombie
Das Leistungsschutzrecht: Ein Untoter sucht Deutschland heim CC-BY-NC-ND 2.0 Kevin Baird

Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten arbeiten emsig an der Einführung eines europaweiten Leistungsschutzrechtes nach deutschem Vorbild. Doch kann in Europa funktionieren, was in Deutschland nie so recht klappte? Das Gesetz, das die Internetkonzerne in Deutschland zur Finanzierung von (journalistischen) Inhalten zwingen sollte, bleibt bis zum heutigen Tag ein Streitpunkt. Die Bundesregierung gibt auch fünf Jahre nach Einführung des Leistungsschutzrechts auf die Frage, ob das Gesetz auch sinnvoll ist, nur eine ausweichende Antwort. „Eine abschließende Bewertung ist nach wie vor nicht möglich. Die am 1. August 2013 in Kraft getretene Regelung ist auch heute noch umstritten“, heißt es in der schriftlichen Antwort der Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Tabea Rößner. Wir veröffentlichen die Antwort hier im Volltext.

Die grüne Abgeordnete Rößner sieht in der Haltung ein Zeichen der fehlenden Lernbereitschaft der Bundesregierung. „Die Antwort macht deutlich, was seit Jahren offensichtlich ist: Die Bundesregierung ist trotz anderslautenden Bekundungen die Evaluierung des Leistungsschutzrechts nicht mal angegangen und hat dies auch gar nicht vor. Und das, obwohl sie über Jahre und auf etliche unserer Anfragen hin immer wieder das Gegenteil behauptet hat“, schrieb sie in eine Stellungnahme an netzpolitik.org.

Was am Leistungsschutzrecht faul ist

Worum es bei dem umstrittenen Gesetz geht: Vor fünf Jahren führte die damals noch schwarz-gelbe Bundesregierung in Deutschland das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ein. Dieses sollte den Verlagen einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google und andere Plattformen mit Anzeigen rund um Links zu verlegerischen Angeboten verdient. Doch das ganze klappte nie so recht, denn die Verlage knickten rasch nach Einführung vor Google ein und erlaubten dem Konzern, Verlagsinhalte auf Google News und anderen Suchseiten kostenlos darzustellen. Für die Verlage war die Angst zu groß, von Google aus dem Index gestrichen zu werden und damit Besucher auf den eigenen Webseiten zu verlieren.

In Deutschland zerpflückt seit Jahren eine breite Gegeninitiative das Leistungsschutzrecht. Sie befürchtet, das LSR schränke die Urheberrechte von Journalistinnen und Journalisten ein und beeinträchtige überdies die Kommunikationsfreiheit aller Internet-Nutzenden, da es selbst kleine Textausschnitte und kurze Wortfolgen wie einzelne Sätze oder Überschriften zu vergütungspflichtigen Inhalten mache. Außerdem wenden die Kritikerinnen ein, dass das Gesetz ohnehin nur großen Verlagen helfe, da diese in den zu gründenden Verwertungsgesellschaften am Hebel säßen.

Politisch untot

Seit seinem Flop kurz nach der Einführung geistert das Leistungsschutzrecht als politischer Zombie durch Deutschland – als Maßnahme ist es unwirksam, doch es will nicht recht sterben. Die lange von der Bundesregierung versprochene Prüfung der Wirksamkeit des Gesetzes ist bisher ausgeblieben. Zuletzt war es kurz nach der Bundestagswahl 2017 der damalige Noch-Bundesjustizminister Heiko Maas, der die Evaluierung des Leistungsschutzrechts wiedermal aufschob.

Bei den Plänen für ein EU-Leistungsschutzrecht will sich die Bundesregierung nicht so ganz festlegen. Der Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD vermied ein klares Bekenntnis dazu, die neue Digitalministerin Dorothee Bär bekräftigte in einem Interview gar ihre Ablehnung.

Das hinderte die EU-Kommission allerdings nicht, als Teil ihrer seit Jahren geplanten Urheberrechtsreform einen solchen Vorschlag zu machen. Kritiker in Brüssel warnen davor, das Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene bedeute eine absurde Steuerpflicht auf das Setzen von Links. Zunächst nahm die Politik die Warnung auch ernst: Ein Bericht der konservativen EU-Abgeordneten Therese Comodini an das Europaparlament aus dem Vorjahr macht Alternativvorschläge. Auch eine wenig später vom Rechtsausschusses im EU-Parlament beauftragte Studie empfiehlt, die Idee eines EU-Leistungsschutzrechts für Presseverleger nicht weiterzuverfolgen.

Handeln oder tot stellen?

Geholfen hat das alles nichts: Der CDU-Politiker Axel Voss, der die Reform des EU-Urheberrechtes im Europaparlament seit Comodinis Abgang aus dem Europaparlament federführend verhandelt, drängt inzwischen sogar auf eine Verschärfung des Leistungsschutzrechts.

Das Gesetz könnte nun bald Realität werden. Seit vergangener Woche wird der Vorschlag von einer klaren Mehrheit der Mitgliedsstaaten formell unterstützt: Bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen in Brüssel beschlossen die Staaten – gegen die Stimme Deutschlands – ihre gemeinsame Position für die Verhandlungen mit Parlament und Kommission. Die Große Koalition muss sich nun entscheiden, ob sie vehement Protest einlegt und zudem Druck auf den CDU-Abgeordneten Voss ausübt, den Vorschlag fallen zu lassen – oder sich tot stellt und das europäische Leistungsschutzrecht stillschweigend Gesetz werden lässt.

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11 Ergänzungen

  1. Die Schweiz wirds freuen – sie wäre von der Regelung nicht betroffen und kann zumindest den deutsche, französischen und italienischen Sprachraum abdecken.

    Das ist doch bereits mit Spanien passiert. Die hatten (oder haben immer noch) so ein tolles Leistungsschutzrecht, nur dass die Verlage dort verpflichtet waren Geld einzufordern und keine gratis Lizenz vergeben konnte.

    Was war die Folge davon?

    Google News in Spanien wurde dicht gemacht und es kamen dann halt nur noch News aus Latein-Amerika.

  2. Heute ist Deutschland sowas von penetrant, nervig, ich hasse dessen Politiker einfach, aufpassen was schreiben. Aber kaum hort man Deutschland und Politik muss man fast kotzen

  3. „Vor fünf Jahren führte die damals noch schwarz-gelbe Bundesregierung in Deutschland“ meines Wissens haben wir seit vielen Jahren eine GroKo.

    1. In der Grauen Vorzeit (2013) gabs tatsächlich mal einen sogenannten „Rösler“ in der Regierung. Leider wurde die Funktion nicht überliefert, Historiker stehen vor einem Rätsel. Die gängigste Theorie ist, dass es sich um einen Space Lizard handelte, der inzwischen die fünfte Häutung hinter sich hat, das Ergebnis ganz klar: Christian Lindner. Mehr Details siehe Wikipedia.

  4. Voss muss ja ein paar tolle Trinkkumpanen haben, dass er sich so vehement für die Verleger einsetzt, ganz getreu der neoliberalen Ideologie. Und ist ja alles legal, ergo „in Ordnung“, was? Die eine oder andere Mail mit anderen Positionen mag sich in sein Postfach verirren. Da kann ich mir gut vorstellen, dass er diese Mails als Grundlage für eine Nicht-Umsetzungsliste verwendet. ;-)

  5. Man muss aber auch die Seite der Verleger sehen. Deren Rechte werden so besser geschützt. Diese Textklauerei im Internet durch Google ist doch übel oder?

    1. „Diese Textklauerei im Internet durch Google ist doch übel oder?“ *kopfstreichel, klopf, klopf auf die Backe: Mädchen, Google ist eine S-U-C-H-M-A-S-C-H-I-N-E. Die EU könnte auch einfach Suchmaschinen verbieten oder in abgespeckter Variante, das Anzeigen ganzer Artikel in / über Suchmaschinen. Aber daran verdient ja der/die Einbringer/in des Gesetzesentwurfes nichts. Verstehst du. Nein? Tja, kann man nichts machen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.