Gericht bestätigt Abschaffung der WLAN-Störerhaftung

Teilerfolg im Streit um Abmahnungen in offenen WLANs: Strafen aus der Zeit vor Abschaffung der Störerhaftung müssen bezahlt werden. Es könne aber nicht verlangt werden, zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern, urteilt das Oberlandesgericht München.

– CC0 Erin Pettigrew

Betreiber offener WLAN-Hotspots können weiterhin darauf vertrauen, nicht für Urheberrechtsverletzungen belangt zu werden. Wie das Oberlandesgericht München entschieden hat, dürfen sie auch nicht durch einen Unterlassungsanspruch dazu verpflichtet werden, den Zugang zu beschränken. Dieser Anspruch sei mit der Abschaffung der Störerhaftung nicht mehr gegeben. Abmahnungen aus der Zeit vor der Reform sind jedoch rechtens.

Jahrelang hatten sich der Piratenpolitiker Tobias McFadden und Sony Music vor Gericht um eine Abmahnung gestritten, die McFadden 2010 erhalten hatte. Damals hatte jemand aus dem offenen WLAN-Netz in McFaddens Geschäft ein Lied der Band „Wir sind Helden“ illegal zum Download angeboten. Sony Music schickte dem Piratenpolitiker eine Abmahnung, weil er laut dem Konzern gemäß der damals geltenden Störerhaftung als Anschlussinhaber für eine Rechtsverletzung haftet. Kostenpunkt: 800 Euro.

McFadden sagte, er habe das Musikstück nicht selber angeboten, könne aber auch nicht ausschließen, dass jemand den von ihm angebotenen WLAN-Zugang dazu genutzt hat. Der Freifunker hatte sein WLAN aus Überzeugung nicht durch ein Passwort geschützt, sondern wollte der Öffentlichkeit Zugang zum Internet ermöglichen.

Störerhaftung abgeschafft

Abmahnungen wie im Falle McFadden geschahen in Deutschland zu Zeiten der Störerhaftung wohl in Hunderttausenden Fällen. McFadden wehrte sich juristisch gegen die Abmahnung und ließ nicht locker. Der Fall ging bis vor den Europäischen Gerichtshof und lag jetzt wieder beim Oberlandesgericht München vor.

In der Zwischenzeit hatte die Bundesregierung, im zweiten Anlauf, die Störerhaftung mit einer Änderung des Telemediengesetzes abgeschafft. Damit sollen Betreiber von offenen WLANs künftig vor etwaigen Abmahnungen geschützt sein.

Vor dem Oberlandesgericht München ging es nun erneut um die Frage, ob die Abmahnung von 2010 rechtens war. Zudem wollte Sony per Unterlassungsanspruch erreichen, dass McFadden in Zukunft alles tut, damit solch eine Rechtsverletzung nicht mehr geschieht. Etwa durch die Abschaltung des WLAN oder eine Beschränkung der Nutzung. Dem hatte die Bundesregierung aber mit der Gesetzesreform einen Riegel vorgeschoben. In der Verhandlung argumentierte Sony Music, dass die Reform nicht mit EU-Recht vereinbar sei.

Alte Abmahnungen rechtens

Das Gericht entschied nun – wie zu erwarten -, dass die Abmahnung von 2010 aufgrund der damaligen Gesetzeslage rechtmäßig gewesen ist. McFadden muss die 800 Euro an Sony Music zahlen, sagte eine Gerichtssprecherin gegenüber netzpolitik.org. Die Entscheidung gelte jedoch nur für Fälle, die vor Inkrafttreten der Gesetzesreform am 12. Oktober 2017 geschehen sind. Seitdem gilt die Störerhaftung nicht mehr – Betreiber von offenen WLANs sind vor Abmahnungen geschützt.

Im zweiten Aspekt hat McFadden allerdings Recht bekommen: Das Gericht wies den Unterlassungsanspruch von Sony zurück. Er darf sein WLAN weiterhin offen betreiben, so wie in der Neufassung des Telemediengesetzes vorgesehen. Der Anspruch auf Unterlassung sei nicht mehr gegeben, sagte eine Gerichtssprecherin gegenüber netzpolitik.org. Ebenso hat das Gericht die Argumentation von Sony Music, die Reform sei nicht mit EU-Recht vereinbar, nicht bestätigt.

„Meilenstein für offene WLANs“

McFadden zeigte sich gegenüber netzpolitik.org erleichtert über das Urteil. „Das ist ein Meilenstein für kleine Anbieter von offenen WLANs und Netzwerken in Bürgerhand“, sagte der Piratenpolitiker. Erstmals habe ein Oberlandesgericht die Abschaffung der Störerhaftung bestätigt. Das vereinfache den Betrieb offener WLANs erheblich. „Nebenbei ist auch das Geschäftsmodell der Abmahnindustrie damit endlich kaputt“, freut sich McFadden.

Ob das Urteil das Ende des jahrelangen Rechtsstreits bedeutet, ist ungewiss. Die Richter am Oberlandesgericht München räumten Sony Music die Möglichkeit ein, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

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5 Ergänzungen

  1. Gut, die Störerhaftung sind wir also los. Wobei ich mir eigentlich sicher bin, dass Sony in die nächste Instanz gehen wird. Aber nehmen wir ab, die ist wirklich Geschichte.

    Ich werde mich trotzdem hüten mein WLAN aufzumachen. Da ist immer noch die Sache mit dem Strafrecht. Was ist denn, wenn jemand (um mir eins reinzuwürgen?) Morddrohungen oder Kipo über den Zugang hochlädt? Selbst wenn sich alles klären lässt ist erstmal die Hardware weg und den Makel einer HD wird man auch nie wieder los. Gibt es halbwegs verlässliche Einschätzungen zu dem Problem?

    1. Um dir Morddrohungen und Kipo anzuhängen, ist ein offenes WLAN nur eine von vielen Möglichkeiten, die die Schakale zur Verfügung haben. Ihnen steht das ganze Feld schmutziger Tricks zur Verfügung, digital oder nicht. Kein Grund gegen offenes WLAN.

    2. Wegen Deiner Bedenken bzgl. Strafrecht würde ich weiterhin auf Freifunk (https://freifunk.net/) setzen, das habe ich bei mir für meine Gäste und Besucher eingerichtet, auch die Nachbarn können es getrost nutzen. Störerhaftung hin oder her, aber ich möchte nicht für sämtliches Schindluder haftbar gemacht werden.

  2. Wen es weiterhin öffentlich strafbar wäre Daten von urheberechte oder anderen Verboten Musik zb. wie Sony es meint zu senden, müssten sofort auch die von ARD & ZDF Deutschlandradio & Radios und andere Privat TV verklagt werden! Wieso verklagt den Sony oder andere Möchtegern Verklägern diese Sender nicht? Angst oder wat? Am Ende beißen sich die Wölfe sich selber in den Schwanz!

  3. Der Gesetzgeber hat mit einer Gesetzesänderung, die am 13.10.2017 in Kraft getreten ist, die so genannte Störerhaftung für WLAN-Betreiber überwiegend abgeschafft. In der Theorie sind hierdurch Unternehmer und Privatpersonen, die ihr WLan anderen Personen frei zur Verfügung stellen nicht mehr für das rechtswidrige Verhalten der jeweiligen Internetnutzer haftbar zu machen. Leider gibt es hier einige wichtige Haken, die es zu bedenken gilt.
    Zunächst ist es so, dass die Störerhaftung lediglich zivilrechtliche Ansprüche betrifft! Jedoch selbst in dieser Kategorie scheint es unterschiedliche Ansichten bei den Gerichten zu geben. So hat das Amtsgericht Köln unter dem AZ 148 C 400/19 nicht nur die Abmahnung bestätigt, sondern auch im Sinne des klagenden Rechtenutzers entschieden: der Beklagte muss 2.000 € zahlen -zzgl. Zinsen. Dem Beklagten werden darüber hinaus die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das gesamte Urteil ist hier veröffentlicht:
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2020/148_C_400_19_Urteil_20200608.html
    Soviel zur zivilrechtlichen Seite der Risiken. Eine Schadensvermeidung gilt es jedoch für Gastgeber nach wie vor im Hinblick auf strafrechtlich relevante Delikte zu beachten: der gesamte Bereich der Internetkriminalität (von Kinderpornografie über Hassmails zu Darknet-Geschäften) ist auch nach der Abschaffung der Störerhaftung nach wie vor ein potentielles Risiko für Hotspot-Betreiber. Hier kann es zu Hausdurchsuchungen mit Beschlagnahme von Rechnern als Beweismaterial kommen. Darüber hinaus darf wegen des Fernmeldegeheimnisses der Betreiber nicht wissen, was seine Gäste im Internet so treiben.
    Es gibt also genügend Gründe, seine Gäste-WLan einem professionellen Dienstleister anzuvertrauen, der gemäß § 8 TMG haftungsprivilegiert ist und durch Tunnelung des Gäste-Internetverkehrs sicherstellt, dass nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtlich relevante Vorgänge nie auf dem Schreibtisch des Gastgebers landen.
    Unternehmen und Privatpersonen, die ihr WLan Gästen zur Verfügung stellen tun gut daran, sich diesbezüglich beraten zu lassen, um Ärger zu vermeiden.

    Beste Grüße aus Freiburg
    Wendelin Ackermann

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.