Drei Wochen nachdem eine von der EU-Kommission beauftragte und dann jahrelang unveröffentlichte Piraterie-Studie für Aufsehen gesorgt hat, liefert eine weitere EU-Studie zum Urheberrecht (PDF) Diskussionsstoff. Der für die EU-Urheberrechtsreform zuständige Rechtsausschuss hatte eine Studie angeregt, die den Entwurf der EU-Kommission hinsichtlich der Stärkung der Position von Presseverlegern, Autoren und ausübenden Künstlern untersuchen sollte.
Zumindest was den Vorschlag der Kommission zur Einführung eines EU-Leistungsschutzrechts (LSR) für Presseverleger betrifft, ist der Befund der AutorInnen Lionel Bently, Martin Kretschmer, Tobias Dudenbostel, María del Carmen Calatrava Moreno und Alfred Radauer eindeutig:
Die Studie kommt zum Schluss, dass die Bedenken bezüglich der eher ungewissen Folgen des [LSR für Presseverlegers] berechtigt sind, und viele der Probleme, mit denen Presseverleger konfrontiert sind, mit viel weniger umstrittenen Interventionen gelöst werden können. Wir befürworten deshalb den Vorschlag im Entwurf für eine Position des Rechtsausschusses, nämlich das LSR für Presseverleger aufzugeben und stattdessen eine Vermutungsregel für Presseverleger einzuführen, wonach diesen Urheberrechte an den Inhalten ihrer Publikationen zukommen. (S. 8, meine Übersetzung)
Der im zweiten Satz angesprochene Alternativvorschlag zum LSR stammte von Therese Comodini Cachia, die jedoch in der Zwischenzeit in ihre Heimat Malta zurückgekehrt. Sie ist deshalb nicht mehr Berichterstatterin des EU-Parlaments für Urheberrechtsfragen ist. Ihr Nachfolger in dieser Rolle, der deutsche CDU-Abgeordnete Axel Voss, hat ihren Vorschlag jedoch inzwischen einkassiert und ist wieder klar auf Pro-LSR-Kurs.
Einhellige Kritik unter unabhängigen Experten
Voss dürfte deshalb alles andere erfreut über die vom Rechtsausschuss angeregte Studie sein, wonach unter unabhängigen Experten aus verschiedenen Ländern nahezu einhellig Kritik („nearly universal criticism“, S. 17) am Vorschlag der Kommission geübt werde. Auch gebe es kaum Belege dafür, dass Nachrichtenaggregatoren bzw. das Fehlen eines LSR für Umsatzrückgänge von Zeitungen verantwortlich seien. Neben zahlreicher prinzipieller Kritikpunkte wird in der Studie auch der konkrete Regulierungsvorschlag in Art. 11 des Kommissionsentwurfs als zu breit und ungenau definiert verworfen.
Was die übrigen Vorschläge der Kommission zur Stärkung der Rechtsposition von Autoren und ausübenden Künstlern betrifft, so finden diese bei den Studienautoren mehr Anklang. Dennoch warnen sie vor allzu großem Optimismus und verweisen darauf, dass der ungleich verteilten Verhandlungsmacht in Urheberrechtsmärkten mit urheberrechtlichen Mitteln nur schwer beizukommen ist.
Verschiebung verschafft Zeit zur Diskussion
Fragwürdig war wie schon bei der Piraterie-Studie der EU-Kommission das Timing ihrer Veröffentlichung. Ursprünglich war die Abstimmung zum Urheberrecht im Rechtsausschuss für 10. Oktober 2017 angesetzt, wurde aber zum wiederholten Male verschoben. Ohne diese Verschiebung wäre kaum Zeit zur Diskussion der Studienergebnisse geblieben.
Die neuerliche Verschiebung der Abstimmung zum Urheberrecht dürfte aber nicht nur an der Uneinigkeit über das LSR für Presseverleger, sondern vor allem auch am strittigen Thema Upload-Filterpflicht für Plattformbetreiber liegen. Über den aktuellen Stand der Debatte zu beiden Themen habe ich gestern auch in der Reihe Digital.Leben des österreichischen Deutschlandfunk-Pendants Ö1 mit Julia Gindl gesprochen (mp3-Datei, 2,4 MB).
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