Öffentlich fast unbemerkt beschloss die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – besser bekannt als GEMA – im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung Ende April in Berlin, ihren Mitgliedern ein „Recht zur Vergabe vergütungsfreier Lizenzen“ einzuräumen (PDF des Beschlusses). Was unspektakulär klingt, ist in Wahrheit eine durchaus weitreichende, wenn auch nicht ganz freiwillige Änderung. Ob damit GEMA-Mitgliedern endlich und erstmals auch legal die Nutzung ausgewählter Creative-Commons-Lizenzen erlaubt wird, ist jedoch weiterhin unklar.
Nicht ganz freiwillig ist die Änderung, weil sie auf eine Änderung der EU-Richtlinie für Verwertungsgesellschaften zurückzuführen ist, die eine solche Möglichkeit vorschreibt. Tatsächlich fand die GEMA-Mitgliedersammlung genau einen Tag vor der abschließenden Beratung des VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes am 28. April 2016 im deutschen Bundestag statt (konkret geht es um § 11 des VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, PDF des BGBL).
Weitreichend ist die Änderung deshalb, weil die GEMA damit vom bisherigen Prinzip abweicht, kostenfreie Nutzungen nur für bestimmte Nutzungsarten (z.B. Online-Nutzung) aber nicht generell oder nur für bestimmte Werke zu erlauben. Im Ergebnis führt der Beschluss dazu, dass GEMA-Mitglieder ab sofort einzelne Werke für individuelle Nutzer oder auch in standardisierter Weise für nicht-kommerzielle Nutzungen freigeben können. Letzteres zielt eigentlich auf bisweilen (und auch von der GEMA als) „Jedermann-Lizenzen“ bezeichnete Formen der Lizenzierung wie Creative Commons ab. Und eigentlich sind Creative Commons auch die einzigen im Musikbereich wirklich verbreiteten, standardisierten „Jedermann-Lizenzen“.
Zur Anwendung der von der GEMA als „GEMA-NK-Lizenz“ bezeichneten neuen Lizenzierungsweise veröffentlichte die Verwertungsgesellschaft mittlerweile eine ausführliche Sammlung von Fragen und Antworten (PDF). In ihrer konkreten Ausformung gelten die Regeln für vergütungsfreie GEMA-Lizenzen vorerst für zwölf Monate und sollen danach evaluiert werden.
Erlaubt die GEMA jetzt Creative Commons?
Vorweg ist klar, dass von der GEMA-NK-Lizenz nur Creative-Commons-Lizenzen mit NonCommercial(NC)-Klausel erfasst sein können. Die teilweise umstrittene NC-Klausel erlaubt die nicht-kommerzielle Nutzung von derart lizenzierten Werken ohne individuelle Rechteklärung (zu den potentiellen Nachteilen der NC-Lizenz wie fehlender Wikipedia-Kompatibilität empfiehlt sich ein Blick in eine Broschüre von Wikimedia und Creative Commons Deutschland, PDF). Bei Nutzung einer Creative-Commons-Lizenz mit NC-Klausel kann die GEMA für kommerzielle Nutzung derselben Werke weiterhin Vergütung verlangen und diese an die Rechteinhaber weitergeben, die Verhandlungsmacht der GEMA im Bereich kommerzieller Verwertung bleibt also unbeeinträchtigt.
Der Teufel steckt jedoch im Detail. Creative-Commons-Lizenzen erlauben keine die Lizenzbedingungen weiter einschränkenden Zusatzklauseln, damit sich Nutzer von CC-lizenzierten Werken auf die gewöhnlich mit den Lizenzen verbundenen Rechte und Pflichten verlassen können (Einräumung weitergehender Rechte wäre hingegen erlaubt). Nun schreibt die GEMA aber vor, dass Nutzer der von GEMA-Mitgliedern für nicht-kommerzielle Nutzung freigegebenen Werke diese Nutzung der GEMA melden müssen. In den Erläuterungen zur den GEMA-NK-Lizenzen heißt es wörtlich:
Der Nutzer der Werke – d.h. Sie selbst oder der jeweilige Dritte – muss der GEMA die betreffende Nutzung mitteilen. Nur auf diese Weise kann die GEMA gewährleisten, dass die Vergütungsfreiheit der Nutzung bei der Lizenzierung berücksichtigt wird. Zur Erleichterung der Mitteilung an die GEMA erhalten Sie mit der GEMA-NK-Lizenz ein entsprechendes Formular („Nutzungsmeldung für die Nutzung unter einer vergütungsfreien Lizenz“). Wir bitten Sie, das Formular denjenigen Personen, denen Sie eine vergütungsfreie Lizenz erteilen, zur Einreichung bei der GEMA zur Verfügung zu stellen.
Jetzt stellt sich die Frage, ob eine solche Pflicht zur „Nutzungsmeldung“ an die GEMA mit einer Creative-Commons-Lizenz kompatibel ist. Die GEMA selbst ist scheinbar dieser Ansicht, wie eine diesbezügliche Antwort von @GEMAdialog auf Twitter belegt:
Eine weitere Frage hinsichtlich der Kompatibilität zwischen GEMA-NK-Lizenz und Creative-Commons-NC-Lizenzen betrifft die Interpretation dessen, was als „nicht-kommerzielle Nutzung“ gilt. Die GEMA führt hierzu unter Punkt 7 in ihren FAQs einige Fälle an, die eine relativ restriktive Auslegung von Nicht-Kommerzialität implizieren. So heißt es beispielsweise:
Wenn Dritte Ihre Werke auf einer nicht-kommerziellen Website kostenlos öffentlich zugänglich machen. Die Website darf keine kostenpflichtigen Angebote von Produkten oder Dienstleistungen oder Werbung für Produkte, Dienstleitungen oder Unternehmen enthalten.
Ob der Ausschluss jeglicher „kostenpflichtiger Angebote“ – unabhängig von Profiterzielungsabsichten – mit NC-Lizenzen vereinbar ist, ist zumindest fraglich. Allerdings verweist die GEMA richtigerweise und im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsprechung darauf, dass die Frage „[o]b eine Nutzung kommerziell oder nicht-kommerziell ist, immer nach den Umständen des konkreten Nutzungsfalls zu entscheiden [ist]“. Die Auslegung von „Nicht-Kommerzialität“ ist deshalb kein prinzipielles und nur in Grenzfällen relevantes Problem für die Vereinbarkeit von GEMA-NK- und Creative-Commons-NC-Lizenzen.
Fazit
Der deutsche Gesetzgeber hat es in seiner Umsetzung der EU-Richtlinie zu Verwertungsgesellschaften ebendiesen überlassen, die Bedingungen festzulegen, „zu denen der Berechtigte jedermann das Recht einräumen kann, seine Werke oder sonstigen Schutzgegenstände für nicht kommerzielle Zwecke zu nutzen“ (§ 11 VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz). Eine Kompatibilität dieser Bedingungen mit dem etablierten Lizenzstandard für die Einräumung nicht-kommerzieller Nutzung im Musikbereich – Creative-Commons-Lizenzen mit NC-Modul – ist demnach gesetzlich nicht vorgeschrieben, praktisch aber natürlich überaus sinnvoll. Ob die GEMA mit ihren Vorschriften ebendiese Creative-Commons-Kompatibilität hergestellt hat, ist fraglich – eine offizielle Klarstellung jenseits von @GEMAdialog auf Twitter wäre deshalb wünschenswert.
[Update, 30.05.2016] Zwar schweigt @GEMAdialog bislang auf Twitter, es gibt aber eine Stellungnahme von John Weitzmann, Chefjurist bei Creative Commons Deutschland, der zur Frage der Meldepflicht folgende Rechtsansicht vertritt:
Vor diesem Hintergrund ist die Meldebedingung zumindest nach dem CC-Lizenztext unwirksam, lässt sich aber dennoch über die GEMA-Vermutung durchsetzen, die ja bekanntlich allen (Offline-)Lizenzen im Musikbereich in D vorgeht.
Mit anderen Worten: GEMA-Mitglieder können demnach Creative Commons mit NC-Klausel verwenden, Nutzer ihrer Werke sind aber auf Grund der GEMA-Vermutung gezwungen, ihre vergütungsfreie Nutzung bei der GEMA zu melden. Demnach wäre ein diesbezüglicher Hinweis zwar als Zusatzbedingung zur Lizenz unwirksam, aber als für Deutschland relevante Information zur Rechtslage hinsichtlich GEMA-Vermutung zu verstehen. Außerhalb Deutschlands wäre eine Nutzung entsprechend der Creative-Commons-Lizenzbedingungen wohl auch ohne Meldung unproblematisch. [/Update]
Ganz primitive Verständnis Frage: Was hat der Künstler bzw Nutzer davon? Inwiefern ist es überhaupt wichtig, dass die Lizenzen kompatibel sein sollten?
Gründe für CC gibt es viele, zehn davon finden sich hier.
Was die Kompatibilität betrifft, so ist die entscheidend für – gerade im Bereich der Musik wichtige – Remixwerke.
Danke für die Antwort, aber ich möchte ergänzen, dass ich nicht allgemein die Vorteile von CC meinte, sondern was z. B. ein GEMA-Mitglied davon hat.
Nach meiner bisherigen Wahrnehmung vertritt die GEMA doch absolut konträre Interessen (überwiegend im Sinne ihrer Mitglieder) im Vergleich zu CC, in der die Gemeinschaft im Vordergrund steht. Oder umgekehrt, wenn ich als Künstler unter CC veröffentlichen möchte, würde ich doch nie Mitglied der GEMA werden, oder nicht? Also konkret glaube ich nicht – auch wenn das zwar zunächst nach einer positiven Entwicklung klingt -, dass das irgendeine praktische Relevanz haben wird.
Das sehe ich völlig anders. Gerade als Künstler/in, der die mit seiner/ihrer Musik auch Einkünfte erzielen möchte bzw. muss, kann es mir ein Anliegen sein, bestimmte nicht-profitorientierte Nutzungsweisen einfach und pauschal zuzulassen. Und zwar einerseits, weil mir auf diese Weise keine Einnahmen entgehen. Und andererseits, weil es Fankunst und -kultur und damit letztlich auch Aufmerksamkeit befördert.
Die Beschränkung auf NC-Lizenzen dient ja genau diesem Zweck: kommerzielle Nutzungen müssen weiterhin und unverändert vergütet werden, private und nicht-kommerzielle Nutzungen sind dafür unproblematisch und rechtssicher erlaubt.
Ich glaube aber auch, dass es noch länger dauern wird, bis das auch prominentere KünstlerInnen für sich entdecken werden.
Bingo. Wobei die CC-NC Lizenz gerade für Remixe im Alltagsgebrauch wenig geeignet ist. Denn wenn jemand einen Remix macht, will er den auch der Öffentlichkeit zeigen = ins Internet stellen. Nun aber im Inet einen Anbieter zu finden, der 100% die NC Anforderung erfüllt, ist schwer, und YouTube & co fallen raus weil nicht NC.
Die schlichte Frage: Ist es überhaupt möglich, Inhalte im Internet „Nichtkommerziell “ zu „Teilen“? Schlicht Antwort: Nein !. Natürlich machen die zwischengeschateten Plattformen, Suchmaschinen etc. etc. Immer Geld damit. Und sei es, weil der Kunde einen DSL Anschluß bucht, weil er ja exakt diese Inhalte abrufen will. Das CC Gedöns ist eine Verschleirung dieser Tatsache, das die Vorteile nicht etwa beim „Nutzer “ liegem , dieser darf privat ohnehin teilen was er will, sondern bei den Plattformen, die das CC Gedöns zur Verschleirerung Ihrer Wertschöpfungsinteresse einsetzen. Anders wäre es, wenn die pauschale Plattform Abgabe endlich mal diskutiert und kommen sollte. Ähnlich wie bei der Geräteabgabe ergibt eine pauschale Abgeltung an die Content ersteller Sinn. Nehmen wir die dafür üblichen ca. 7 – 14 % des Umsatztes als Grundlage, gäbe es für die Content Ersteller sattes Geld, und die Diskussion darüber wäre beendet. Das diese Diskussion in Netzkreisen nicht geführt wird, zeigt dann halt leider doch, das es nicht um eine angemessene handhabe geht, sondern dass die Diskussion als Lakaienstellvertreter der Digital Industrie geführt wird.
Interessanter Gedanke.
Hallo,
wir betreiben als Hobby eine Seite zum Thema Tanzen. Dort werden auch Kurse angeboten, für die der Lehrer eine bescheidene Vergütung erhält. Für ihn ist es auch Hobby, und die Vergütung ist eher eine „Aufwandsentschädigung“. Der Betreiber des Lokals, in dem das stattfindet, verdient durch den Umsatz, den die Leute bringen. Wir verdienen nicht, im Gegenteil, wir zahlen drauf (sind sogenannte „Sponsoren“). Nun meine Frage: Wir wollen einen Komponisten beauftragen, uns eine Tanzmusik zu komponieren, für unsere Webseite als Erkennungsmelodie. Dafür wollen wir ihm ein Honorar zahlen. Allerdings ist er GEMA-Mitglied, denn seine Einkünfte sind bescheiden. Wir sehen nicht ein, der GEMA Geld zu zahlen, die mit diesem Geschäft nichts zu tun hat und nichts geleistet hat. Trotzdem kann man behaupten, dass unsere Webseite „kommerziell“ ist, denn die Tanzstundenteilnehmer zahlen etwas, und der Wirt verdient etwas. Wir könnte man dieses Problem denn lösen? Ach ja, und der Komponist verdient auch, und zwar mehr als er durch die Gema bekäme.
Wie ist da der aktuelle Stand?
Die einzige Möglichkeit wäre wohl, den konkreten Fall der GEMA zur Klärung vorzulegen.