Creative-Commons-Lizenzen und Verwertungsgesellschaften

Creative Commons führt das Volk. Bild: Eugène Delacroix. Bearbeitung: Ju gatsu mikka. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0.

Da die EU-Mitgliedsstaaten bis April 2016 Zeit haben, die neue EU-Richtlinie zur kollektiven Rechtewahrnehmung umzusetzen, haben sich Prof. Axel Metzger und Tobias Heinemann in einer gerade erschienenen Analyse den Status Quo und die denkbaren Optionen für die Zukunft angesehen. Es geht dabei vor allem um die Vorgabe der Richtlinie, nach der Urheberinnen und Urheber zukünftig trotz Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft (VG) nicht-kommerzielle Freigaben selbst vornehmen können sollen. Hier fragt sich, ob, wie und durch wen CC-Lizenzen mit der Einschränkung „NC“ eingesetzt werden können, um nicht-kommerzielle Nutzungen zu erlauben.

Kern der Problematik ist nach der Analyse die allumfassende Rechtewahrnehmung, die zumindest in Deutschland mit einer Mitgliedschaft bei Verwertungsgesellschaften meist einher geht. Sie lässt es in der Regel schlicht nicht zu, dass das jeweilige VG-Mitglied parallel auch eigene Lizenzen vergibt. Einzelne Werke ganz aus der VG herauszunehmen, geht aber oft ebenso wenig (siehe auch Beitrag dazu bei irights.info) Allerdings gebe es durchaus Unterschiede zwischen den verschiedenen Werkgattungen. Vor allem bei der Zweitverwertung von Texten sei vieles schon nach heutiger Ausgestaltung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWahrnG) und der Wahrnehmungsverträge der VG Wort möglich, so die Autoren des Papers.

Es wird deutlich, dass dem gegenüber gerade die GEMA (und mit ihr die GVL) besonders auf ausschließliche Wahrnehmung auch für solche Nutzungen setzt, die als nicht-kommerziell angesehen werden können und nach der EU-Richtlinie in Zukunft auch durch die GEMA-Mitglieder in Eigenregie zu erlauben sein sollen. Das Paper benennt auch die dazu von der GEMA immer wieder beschworene Gefahr des „Cherry Picking“. Gemeint ist das Szenario, dass besonders erfolgreiche und damit für die Solidargemeinschaft der GEMA-Mitglieder ertragreiche Musiktitel zukünftig durch die Mitglieder aus dem Repertoire genommen und selbst vermarktet werden.

Erster Exkurs in eigener Sache: Wie bereits in früheren Diskussionen zwischen CC DE und GEMA immer wieder betont wurde, ist alles andere als klar, warum gerade die „Kirschen“, also die erfolgreichen Titel für eine nicht-kommerzielle Freigabe interessant sein sollten. Gerade wenn das Argument stimmen würde, dass eine solche Freigabe dem Verschenken gleichkomme, wie Vertreter der GEMA wiederholt sagten, erscheint ein Herausnehmen aus dem Repertoire wenig sinnvoll zu sein. Wer verschenkt schon gerne seine lukrativsten Stücke? Das Paper von Metzger und Heinemann bietet in diesem Zusammenhang die Erklärungsvariante der GEMA an, dass solch erfolgreiche Stücke dann als kostenlose Zugpferde für Konzertpromotion, Merchandise und ähnliche angedockte Einnahmen der GEMA-Wahrnehmung entzogen werden könnten. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob ein Herausnehmen aus dem Repertoire wirklich so viel mehr Publicity bringt (die ja auch bei Verbleib in der GEMA nicht unbedingt gering ist), dass es den Verlust einer Beteiligung etwa an den Radio-Erlösen wirklich lohnt, für die die GEMA dann ja nichts mehr ausschütten würde.

Auch die Autoren des Papers bleiben im Ergebnis eher skeptisch. Sie schließen sich jedoch der Forderung verschiedener VGs an, dass die genaue Bedeutung von „nicht-kommerzielle Nutzung“ genauer definiert werden sollte. Die Richtlinie bleibt an dieser Stelle noch deutlich unklarer als die viel diskutierte NC-Bedingung in den CC-Lizenzen. Auch über letztere wird oft gesagt, sie sei zu ungenau.

Zweiter Exkurs in eigener Sache: Übersehen wird dabei in der Regel, dass die Ungenauigkeit ihren Sinn darin hat, verschiedenen Communities von Kreativen und ihren Nutzern Raum zu lassen, ihre jeweiligen eigenen Normen zur Bedeutung von „kommerziell“ in die Lizenzbeziehungen zwischen Lizenzgebern und -nehmern einfließen zu lassen. Die CC-Lizenzen würden insofern auch für VGs ausreichend Raum lassen, ihre jeweiligen Vorstellungen über kommerziell versus nicht-kommerziell innerhalb des vom Lizenztext gesteckten Rahmens (am besten demokratisch) selbst festzulegen. Das wäre allerdings kaum noch möglich, wenn bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht bereits auf gesetzlicher Ebene eine Definition von „nicht-kommerziell“ vorgenommen würde, die genauer und damit enger ist als der in den CC-Lizenzen gesteckte Rahmen. Die Lizenzen würden dann äußerlich mehr erlauben als gesetzlich vorgesehen ist. Da dann massenhaft, nämlich bei allen VG-Mitgliedern, mit einem sogenannten „verdeckten Einigungsmangel“ zwischen Lizenzgebern und Lizenznehmern zu rechnen wäre, könnten CC-Lizenzen nicht verwendet werden, um die nicht-kommerzielle Freigabe im Sinne der Richtlinie praktisch umzusetzen. Es müssten eigene NC-Lizenzen dafür geschaffen werden, im Zweifel also ein europaweiter Flickenteppich. Darauf hat CC DE das Bundesjustizministerium auch bereits im Rahmen einer Anhörung letztes Jahr hingewiesen.

Das Paper weist auf zusätzliche Gründe wie Kündigungsmöglichkeiten bestimmter Online-Nutzungsrechte hin, die nach dem derzeitigen Sachstand gerade der GEMA-eigenen Regeln zu einer Unverträglichkeit mit sowohl der neuen Richtlinie als auch CC-Lizenzen führen. Zudem werden die Unterschiede zwischen Text- und Musikverwertung in Deutschland auch in ihrer historischen Genese beleuchtet. Weiter geht es mit einer Beschreibung der drei CC-Pilotprojekte, die VGs in den Niederlanden, Dänemark und Frankreich gemeinsam mit CC durchgeführt haben. Das Fazit hierzu fällt gemischt aus. Einerseits sei ein Zusammengehen von CC-Lizenzierung und klassischem VG-Betrieb durchaus möglich, wenn alle Beteiligten nur wollen. Andererseits hätten sich( eher weniger VG-Mitglieder an den Pilotprojekten beteiligt (zu diesem Punkt bringt das Paper den immer wieder auftauchenden Hinweis, dass die geringe Beteiligung auch damit zu tun haben dürfte, dass viele entsprechend interessierte Kreative schlicht gar nicht erst in VGs organisiert sind).

Nach einer detaillierten Darstellung der Entstehungsgeschichte der neuen Richtlinie und ihrer Regel zu nicht-kommerzieller Eigenlizenzierung durch Kreative schließt das Paper mit einer Diskussion der Umsetzungsmöglichkeiten. Neben dem Für und Wider einer genaueren Definition von „nicht-kommerziell“ auf gesetztlicher Ebene bzw. eine Ebene tiefer durch die jeweiligen VGs selbst wird auch auf die Erwägungsgründe der neuen Richtlinie verwiesen, die eher für eine Festlegung auf der tieferen Eben sprechen. Auch die erst vor Kurzem in Deutschland entstandene Rechtsprechung zur NC-Klausel von CC-Lizenzen wird vorgestellt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die EU-Mitgliedsstaaten aufgrund der Richtlinie verpflichtet seien, den in VGs organisierten Kreativen zudem effektive rechtliche Mechanismen zur Verfügung zu stellen, um die neuen Freiheiten notfalls gegenüber ihrer VG erstreiten zu können.

Zur praktischen Umsetzung im Verhältnis VG zu Mitgliedern zeigt das Paper verschiedene Möglichkeiten auf (von vorn herein limitierte Rechteeinräumung an die VG contra Rückeinräumung der für NC-Freigabe nötigen Rechte nebst Unterlizenzierungsbefugnis) und stellt die berechtigte Frage, ob die nicht-kommerzielle Rechteeinräumung ausschließlich beim Mitglied liegen müsse oder nicht. Kurz wird auch auf den Ansatz der im Aufbau befindlichen neuen VG C3S hingewiesen und darauf, dass dieser sich auf Wahrnehmung einzelner statt aller Werke eines Mitglieds gründet.

Das Paper schließt mit einem Ausblick und der Einschätzung, dass es auch Sache der Rechtsprechung sein wird, den neuen Regelungen klare Formen zu geben. Um hier mitwirken zu können, empfehlen die Autoren den VGs und ihren Mitgliedern, pro-aktiv in Verhandlungen darüber zu treten, wie die relevanten unbestimmten Rechtsbegriffe zu verstehen sein sollen.

Dieser Beitrag erschien zeitgleich im Blog von Creative Commons Deutschland

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1 Ergänzungen

  1. Nachdem ich jahrelang ohne Verwertungsvertrag bei der VG Wort meine wissenschaftlichen Artikel abrechnen konnte, geht es nunmehr nicht ohne diesen Vertrag. Darin tritt man aber eine elendig lange Liste an Rechten an die VG Wort ab. Mit dem Passus, dass ich einzelne Rechte davon behalten kann. Jetzt würde ich mir natürlich gern die Möglichkeit offen halten, weiterhin unter CC-BY zu veröffentlichen.

    Erste Idee: Super. Es gibt über 100.000 Leute mit Wahrnehmungsvertrag in DE, da wird doch irgendwer das gleiche Problem gehabt haben. Oder die VG Wort weiß Bescheid.
    Nach vier Wochen:
    Äh… per Google findet man nix Handfestes. Und die VG Wort weiß auch nur, dass es „in der Praxis nicht relevant ist“.

    Butter bei die Fische: Bin ich zu blöd zum Googlen? Oder hat niemand sonst die Situation, sowohl die ohnehin fälligen Kopierabgaben mitnehmen zu wollen, als auch die Möglichkeit zur CC-BY-Lizenzierung zu erhalten? Oder hat hier irgendwer die insgesamt nicht weniger als 32 Positionen umfassende Liste an Rechten pauschal an die VG Wort abgetreten, weil es „in der Praxis nicht relevant ist“?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.