Deutschland hinkt beim Breitband- und insbesondere Glasfaserausbau im europaweiten Vergleich deutlich hinterher. Das weiß auch die Bundesregierung, deren Mitglieder in unregelmäßigen Abständen jeweils neue und mit anderen Ressorts nicht abgestimmte „Digitalstrategien“ vorstellen, die die unterentwickelte digitale Infrastruktur Deutschlands endlich auf ein angemessenes Niveau bringen sollen.
Doch glaubt man Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU), liegt eine kohärente Strategie bereits seit Jahren vor. Gleich zu Beginn der Legislaturperiode habe die Bundesregierung eine Gigabitstrategie gestartet, erklärte der Unionspolitiker überraschend im Bundestag, wo letzte Woche Donnerstag der Gesetzentwurf zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) debattiert wurde (Video, Protokoll). Die Umsetzung einer EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass künftig Glasfaserkabeln und passive Netzinfrastrukturen wie Leerrohre mitverlegt werden sollen, sobald eine Straße neu gebaut oder saniert wird.
Dauerbaustelle Breitbandausbau
Tatsächlich findet sich im Koalitionsvertrag (PDF) das Wort „Gigabit“ an keiner Stelle. Gefordert wird lediglich das allseits bekannte Breitbandziel von 50 MBit/s im Downstream bis 2018, eine laxere Regulierung des Telekommunikationsmarktes und die finanzielle Förderung der umstrittenen Vectoring-Technik – allesamt Maßnahmen, die mit Gigabitnetzen im besten Fall nichts zu tun haben und schlimmstenfalls dazu führen, dass sich weite Teile Deutschlands auf absehbare Zeit mit dem technischen Auslaufmodell Kupferkabel statt mit modernen Glasfaserleitungen begnügen müssen.
Von einer schlüssigen Gesamtstrategie ist freilich nach wie vor nichts zu sehen. Vielmehr erinnert der lahmende Breitbandausbau in Deutschland an eine Dauerbaustelle, was den einleitenden Worten Dobrindts eine unfreiwillig komische Note verleiht: „Jede Baustelle schafft Bandbreite“, so der Internetminister.
Alles so geplant!
Überhaupt versuchten Vertreter der Regierungsparteien, die unkoordiniert wirkenden Einzelmaßnahmen der Koalition rückwirkend als wohlüberlegtes Gesamtpaket zu verkaufen. Zwar räumte etwa der Unionspolitiker Patrick Schnieder ein, dass es in Deutschland an flächendeckender Breitbandversorgung mangele – eine Einsicht, die einige seiner Parteikollegen nicht teilten –, allerdings sollen die weißen Flecken auf der Ausbaukarte nicht mehr lange unterversorgt bleiben:
Diese Bundesregierung hat in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um dieses Ziel, dieses Zwischenziel [50 MBit/s bis 2018] zu erreichen, und die Weichen gestellt, um die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Infrastruktur in Deutschland zu schaffen. Dazu zählt nicht nur das Breitbandförderprogramm, das der Bund aufgelegt hat […], sondern auch die Abschaffung der Störerhaftung, die wir gestern auf den Weg gebracht haben, wodurch eine flächendeckende WLAN-Versorgung möglich wird. Mit dem Entwurf eines DigiNetz-Gesetzes, das wir heute in erster Lesung beraten, unternehmen wir einen weiteren wichtigen Schritt. Das muss man zusammen als Strategie betrachten.
Seit Jahren schon bastelt die Regierung an einer Überarbeitung des Telemediengesetzes, um laut eigener Aussage die Störerhaftung abzuschaffen. Dadurch soll es auch in Deutschland endlich zur Norm werden, dass man beispielsweise in Kaffeehäusern davon ausgehen kann, ein offenes WLAN vorzufinden. Im Bemühen, es allen recht zu machen, also auch der Urheberrechtslobby und der Abmahnindustrie, baute die Koalition jedoch eine Hürde nach der anderen ein, die einen rechtssicheren Betrieb von tatsächlich offenen WLANs unmöglich gemacht hätten.
David gegen Goliath
Obwohl die Regierung nun angekündigt hat, die viel kritisierten Stolpersteine wie die Lügenseite oder die Verschlüsselungspflicht fallen zu lassen, sollte man sich mit vorzeitigem Jubel freilich zurückhalten. Denn solange nicht eindeutig geklärt beziehungsweise gesetzlich geregelt ist, welche Auswirkungen das Bundesgerichtshofurteil im Fall Goldesel auf mögliche Abmahnungen von Internetzugangsanbietern hat, lässt sich nicht von Rechtssicherheit sprechen. Und ohne die wird es nichts mit einer freien WLAN-Versorgung, wie man sie in weiten Teilen der Welt vorfindet.
Unabhängig davon mutet es aber skurril an, wenn sich die deutsche Bundesregierung als kleiner David im Kampf gegen einen übermachtigen Goliath darzustellen versucht, den man nun endlich bezwungen hätte. Wenn der großen Koalition eine flächendeckende Versorgung mit WLANs tatsächlich am Herzen gelegen wäre, dann hätte sie die Störerhaftung mit einer verhältnismäßig unkomplizierten Gesetzesänderung schon längst abschaffen können.
Sharing is caring
Für Heiterkeit im Parlamentsplenum sorgte auch Thomas Jarzombek von der Union, der augenscheinlich Schwierigkeiten damit hat, sich vorzustellen, wofür man überhaupt Gigabitanschlüsse benötigt.
Wir haben endlich die Störerhaftung beim WLAN beseitigt. Das ist ein großer Schritt, denn irgendwas muss man mit den Gigabitanschlüssen doch anfangen können. Insofern: Teilen ist doch eine gute Sache an dieser Stelle.
Vollkommen unklar blieb, was der Seitenhieb Jarzombeks in Richtung Opposition zu bedeuten hatte, die in puncto Netzneutralität angeblich einen „nationalen Alleingang“ fordere. Das würde nur zu einem Flickenteppich führen. Gut möglich, allerdings dürfte Jarzombek bekannt sein, dass die EU-Verordnung, im Unterschied zu EU-Richtlinien, kaum gestalterischen Spielraum für Mitgliedsstaaten offen lässt. Vielleicht stieß sich Jarzombek aber einfach nur daran, dass der linke Bundestagsabgeordnete Herbert Behrens in einer Stellungnahme an die Bundesnetzagentur (PDF) auf eine effektive Verankerung der Netzneutralität in Europa pochte, was laut Jarzombek bereits jetzt sichergestellt ist. Die Rolle der Opposition sei offenbar, gemeinsam mit der Regierung an einem Strang zu ziehen:
Ich weiß nicht, ob es eine kluge Strategie der Opposition ist, wenn man das Land immer schlechtredet.
„Hervorragende Leistungsbilanz“
Insgesamt beschränkten sich die Vertreter der Regierungsparteien vorrangig darauf, sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und die angeblich gute Arbeit der Regierung zu loben. So verwies etwa Ulrich Lange (CSU) auf die „hervorragende Leistungsbilanz“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, die der Bundesrechnungshof in einem (noch nicht veröffentlichten) Bericht freilich ganz anders bewertet.
Udo Schiefner von der SPD betonte, der Bund und die Koalition müssten sich hier nicht verstecken, während sein Parteikollege Martin Dörmann die Zweifel der Opposition beiseite wischte und „einfach Fakten sprechen“ lassen wollte: Immerhin hätte das Verkehrsministerium bereits einige Anträge des Bundesförderprogramms zum Breitbandausbau bewilligt. Das ist sicherlich besser als nichts, in Anbetracht des Aufholbedarfs zu Ländern wie Rumänien oder Schweden aber reichlich dürftig.
Die heftig umstrittene und auch von der EU-Kommission argwöhnisch betrachtete Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur, die nicht nur den Glasfaserausbau, sondern auch den Wettbewerb im deutschen Telekommunikationsmarkt nachhaltig schädigen könnte und die deshalb eine entscheidende Rolle in der Frage rund um eine kohärente Breitbandstrategie spielt, griff neben der Grünen-Politikerin Tabea Rößner einzig Lars Klingbeil (SPD) auf. Er warnte vor einer möglichen erheblichen Verzögerung des geplanten Breitbandausbaus sowie davor, in Vectoring mehr zu sehen als eine Brückentechnologie. Das DigiNetz-Gesetz sei ein guter Auftakt, werde aber nicht ausreichen, sagte Klingbeil und verwies hoffnungsvoll auf die „Digitale Strategie 2025“ des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel.
Unter den Tisch fielen die nicht unerheblichen Details zur Finanzierung des Vorhabens, was bereits den Bundesrat auf den Plan rief. So seien etwa die mit der Umsetzung verbundenen Kosten für die Länder bislang „nicht hinreichend spezifiziert“. Ebenfalls unklar bleibt das Einsparpotenzial, das im Gesetzentwurf mit etwa 20 Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre angegeben wird. Das wiederum bezweifeln die einschlägigen Providerverbände, die die angepeilte Kostenreduzierung als „extrem hoch angesetzt“ und unrealistisch einschätzen. Es bleibt also noch viel zu klären, damit die EU-Kostensenkungsrichtlinie rechtzeitig umgesetzt werden kann – bis zum 1. Januar 2016 bleibt nicht mehr viel Zeit.
Oh.
Hm, wann kommt Hinkel und macht den Modern Times Tanz mit dem Glasfaserkabel.
Also ich blicke überhaupt nicht mehr durch, und das bei soviel Glasfaser überall.
Lieben Gruß SUSI