Die EU-Staaten haben sich im Rat auf eine gemeinsame Position zur Verwässerung der Netzneutralität geeinigt. Diese ist in den vergangenen Wochen noch deutlich schlechter geworden. Die Pressemitteilung des Rates klingt zwar verheißungsvoll:
The draft regulation is to enshrine the principle of end-users‘ right to access and distribute content of their choice on the internet. It also sets out to ensure that companies that provide internet access treat traffic in a non-discriminatory manner.
Aber der Text gibt das nicht her. Wir haben ihn noch nicht zu Ende analysiert, aber klar ist: Da steht zwar groß Netzneutralität und Verbraucherrechte drauf, aber davon ist nicht soviel drin. Stattdessen gibt es Formulierungen, die Netzsperren und dem Zweiklassen-Netz den Weg bahnen. Dazu wird gegen derzeitige Verletzungen der Netzneutralität fast nichts unternommen, stattdessen soll alles eher legalisiert werden. Wohl inklusive Deep-Packet-Inspection.
Bei Access gibt es eine Kurzanalyse: Latest Net Neutrality proposal in the EU: a wolf in sheep’s clothing?
While the Council was on the right track towards Net Neutrality in January, making slow but measured progress, several EU member states pushed forward a proposal that radically shifted the direction of the negotiations. As a result, Net Neutrality has now been gutted everywhere in the text that was introduced by the Council today. Not only does the proposal enable the creation of slow and fast lanes by allowing paid prioritization and discriminatory practices such as “zero-rating” schemes, but the proposal also introduces loopholes that could authorise the blocking by Internet Service Providers of legal content, contradicting the EU Charter of Fundamental Rights. The Council therefore appears ready to not only ignore the EU human rights framework and the right to freedom of expression of EU citizens, but also to severely compromise competition and innovation in the EU digital economy.
Jetzt starten die Trialogverhandlungen – Und das sieht nicht besser aus
Zuerst legte die EU-Kommission vor, das EU-Parlament stimmte vor einem Jahr in erster Lesung für Änderungen und nun hat der EU-Rat wiederum was anderes beschlossen. Das folgende Verfahren nennt sich Trialog, alle drei Institutionen verhandeln nun eine gemeinsame Position. Die Verhandlungsführer lassen leider auf das Gesamtergebnis schließen. Da haben wir für die EU-Kommission unseren Cyberkommissar Günther Oettinger, dessen Aussagen zum Thema denen von Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone fast bis aufs Komma gleichen. Für das EU-Parlament verhandelt die konservative spanische Abgeordnete Pilar del Castillo, die zuvor schon Berichterstatterin war, aber wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte das Parlament anders abgestimmt. Als konservative Spanierin vertritt sie selbstverständlich die Interessen von Telefonica im Parlament. Und dann haben wir die lettische EU-Ratspräsidentschaft, die halt gerade dran ist und die Mehrheitsmeinung im Rat vertreten wird. Es sieht also ganz schlecht aus.
Eine genauere Analyse gibt es in den kommenden Tagen. Es ist enttäuschend, dass unsere Spitzenpolitiker in der Frage der Netzneutralität vor allem die Interessen weniger mächtiger Telekom-Konzerne vertreten und ein Zweiklassen-Netz schaffen wollen, während die USA genau in die andere Richtung laufen und dort das offene Netz geschützt werden soll.
Update:
Joe McNamee von European Digital Rights (EDRi) kommentiert:
„Der Ratsbeschluss gibt vor, ein offenes Internet zu verteidigen, würde aber tatsächlich jede mögliche Verletzung der Netzneutralität erlauben.“
Und da wundert sich noch jemand, dass viele von EU Rat (und Kommission) enttäuscht sind.
Enttäuscht?! Gib mir nen Eimer Teer, nen Sack Federn und ein Ticket nach Brüssel! Dann zeig‘ ich denen wie enttäuscht ich bin.
Was tun? Wen anrufen?
Es ist traurig, das so nach und nach alles den wirtschaftlichen Interessen einiger Weniger geopfert wird. Auch die Abschaffung der Netzneutralität wird den Kunden am Ende noch als grosser Vorteil verkauft und es ist interessant, dass sich in dieser Richtung hier offenbar Politiker eines bestimmten Lagers besonders hervortun. So wird die Informationsfreiheit Schritt für Schritt immer weiter ausgebremst und am Ende können sich nur noch diejenigen, die es sich leisten können, bzw. die bereit sind dafür extra zu bezahlen, ein ungebremstes (… also gewissermassen unzensiertes) Internet leisten.