Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (PDF) beschlossen.
Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas kommentiert in einer Pressemitteilung:
Unternehmen erheben und verarbeiten immer mehr personenbezogene Daten. Daten sind im Internet eine neue Währung. Egal ob wir surfen, eine App herunterladen oder ein Foto posten, bei nahezu jedem Klick und jeder Aktion werden Daten von Verbrauchern gesammelt. Diese Daten werden nicht nur für die Vertragsabwicklung benötigt, sondern zunehmend auch kommerziell verwertet. Ihre missbräuchliche Verwendung kann zu erheblichen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Datenschutzregeln auch durchgesetzt werden.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es schwer, Verstöße der Unternehmen gegen das Datenschutzrecht überhaupt zu erkennen. Viele scheuen zudem die Kosten und Mühen gegen datenschutzrechtliche Verstöße vorzugehen. Viele wagen es nicht, alleine einen Rechtsstreit gegen große Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu führen. In solchen Situationen brauchen die Verbraucher einen starken Anwalt ihrer Interessen: die Verbraucherorganisationen. Diese werden künftig das Recht haben, Abmahnungen auszusprechen und Unterlassungsklagen zu erheben. Wir stärken damit die Durchsetzung von Verbraucherrechten – auch und gerade gegenüber marktmächtigen Unternehmen im Internet.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) freut sich: Erweiterte Verbandsklagebefugnis sorgt für besseren Schutz persönlicher Daten
Der vzbv bewertet den Ansatz der Gesetzesnovelle einer nicht abschließenden Regelung grundsätzlich positiv. Der Gesetzentwurf umfasst auch Verstöße, bei denen Unternehmen Daten ohne Angabe eines bestimmten Zwecks unzulässig erheben oder speichern. So lässt der Entwurf damit Spielraum für Klagen bei Verstößen, die heute noch gar nicht vorstellbar sind – etwa durch neue Erhebungsmethoden oder Geschäftspraktiken.
Laut Gesetz wird es eine gesetzliche Anhörungspflicht der Datenschutzaufsichtsbehörden im Rahmen der Unterlassungsverfahren geben. Das sieht der vzbv als große Chance, vor allem gegenüber Internetgiganten gemeinsam mit den Behörden zu agieren und so effektiver für die Einhaltung geltender Verbraucher- und Datenschutzvorschriften zu sorgen.
Hinweis: Gerd Billen, seit Dezember 2013 Staatssekretär im BMJV, war bis Ende 2013 Vorstand des vzbv.
Update 1: Peter Schaar, ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter und Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, kommentiert gegenüber netzpolitik.org:
Die auf Initiative des BMJV beschlossene Erstreckung des Verbandsklagerechts auf datenschutzrechtliche Vorschriften ist überfällig. In meiner früheren Funktion als Bundesdatenschutzbeauftragter habe ich dies gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten der Länder bereits vor Jahren gefordert. So gut es ist, dass nun auch Verbraucher- und Datenschutzverbände die gerichtliche Überprüfung des Umgangs von Unternehmen mit personenbezogenen Daten veranlassen können, so wichtig bleibt die Modernisierung und europaweite Stärkung des Datenschutzrechts. Insbesondere halte ich es für dringend erforderlich, die Transparenz der Datenverarbeitung beim Scoring durch Kreditauskunfteien wie die Schufa zu verbessern und die immer weiter um sich greifende Profilbildung zu besgrenzen. Der Gesetzgeber hat es in der Hand, dafür zu sorgen, dass derartige Verfahren nicht mehr als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse behandelt werden.
Update 2: Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, kommentiert gegenüber netzpolitik.org:
Wir begrüßen, dass sich die Große Koalition dazu durchringen konnte, den Verbänden ein Klagerecht einzuräumen. Dies ist eine seit Jahren von uns verfolgte Forderung. Die Einführung eines Verbandsklagerechts für Datenschutzansprüche war überfällig. Sie wird zu einer weiteren, notwendigen Stärkung des Datenschutzes führen. Den nun zwischen den Ministerien ausgehandelten Kompromiss werden wir genau auf Verwässerung prüfen, auch, um sicherzustellen, dass die Landesdatenschutzbeauftragten weiterhin ungehindert parallel gemäß ihrer eigenen Befugnisse verfolgen können.
Update 3: Der BITKOM ist dagegen, weil Wirtschaft:
Mit dem Aufbau paralleler Strukturen werde die Stellung der Datenschutzbeauftragten geschwächt. Zudem könnten die Verbraucherschützer schon jetzt gegen Unternehmen klagen, wenn diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gegen Datenschutzvorschriften verstoßen. Kempf: „Für Unternehmen, die Daten von Kunden verarbeiten, wird die Rechtsunsicherheit steigen, wenn es verschiedene Rechtswege gibt.“
Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat es in den letzten beiden Tagen leider nicht geschafft, auf unsere Presseanfrage zum Thema zu antworten. In der Presestelle geht auch gerade niemand ans Telefon.
Update 4: Jetzt endlich meldet sich Andrea Voßhoff:
Das Ziel der Bundesregierung, dem Datenschutz zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen, ist dem Grunde nach zu begrüßen. Dass dazu Verbraucherverbände künftig Zuwiderhandlungen von Unternehmen beim Umgang mit zu kommerziellen Zwecken erhobenen, verarbeiteten oder genutzten personenbezogenen Daten von Verbrauchern abmahnen und im Wege der Unterlassungsklage verfolgen können, kann hilfreich sein. Nach europäischem Recht ist es allerdings vorrangig Aufgabe der Datenschutzbehörden, über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu wachen. Hierfür stehen den in der Regel zuständigen Landesdatenschutzbehörden gegenüber den Unternehmen umfassende Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse zu. Damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger eine einheitliche Rechtsverfolgung gewährleistet ist, war mir die im Gesetzentwurf vorgesehene Schaffung einer Anhörungspflicht der Datenschutzbehörden im Verbandsklageverfahren als Sicherung des gegenseitigen Informationsaustausches ein wichtiges Anliegen.
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hörten wir, dass Voßhoff ursprünglich gegen das Verbandsklagerecht war. Das passt zum äußerst zurückhaltenden Ton dieser Pressemitteilung.
Das Gesetz ist ja schön und gut, aber solange der Datenhandel nicht verboten wird, nützt die beste Gesetzgebung nichts.
Nehmen wir mal an, man hat sich auf ein Selbsthilfeportal angemeldet oder irgendeinem Händler seine Daten preisgegeben, vielleicht noch mit Telefonnummer. Was dann garantiert passiert, dass man plötzlich Telefonaten von irgendwelchen dubiosen Firmen bekommt. Leider ist der Betroffene nicht in der Lage, nachzuvollziehen, woher die plötzlich seine Daten bekommt. Man weiß also nicht, wo seine Daten überall herum kursieren. Selbst aus dem Ausland rufen Betrüger an, meistens sogar mit falscher Telefonnummer (Call ID Spoofing) ist dann Gang und Gebe.
Schuld sind sogenannte Datenhändler, die die Daten an Firmen und/oder an unseriöse Firmen, um sich eine goldenen Nase zu verdienen. Das scheint wohl sehr lukrativ zu sein.
Gruß
Peter S.
Entschuldigung für meine Rechschreibung.