Störerhaftung: Sachverständige verreißen Gesetzentwurf

Unfreiwilllige No-Wifi-Zonen dank Störerhaftung? CC BY-NC 2.0 via flickr/Amber Case

In der Anhörung des Wirtschaftsausschusses zur Störerhaftung waren sich die geladenen Sachverständigen weitgehend einig und kritisierten den Gesetzentwurf in jeder Hinsicht. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags ist federführend an dem Gesetzentwurf beteiligt. Wir waren bei dem Ausschuss vor Ort.

In dem Entwurf geht es um die Haftungsprivilegien von Access- und Host-Providern. Es soll unter anderem eine Verbreitung offener WLANs in Deutschland erreicht werden. Da der Gesetzentwurf aber sogenannte „zumutbare Maßnahmen“ für Betreiber_innen vorsieht, zu denen das Sichern des WLANs mit einem Passwort gehört, kann von offenen WLANs gar keine Rede sein und es ist davon auszugehen, dass die Verbreitung eher rückläufig sein wird.

Mit dem Passwortzwang soll der Zugriff Unberechtigter verhindert werden. Die Sachverständigen haben mehrmals darauf hingewiesen, dass ein Passwort nicht mit der Verschlüsselung des WLANs gleichzusetzen ist. Somit kritisierten sie, ob sich mit einem Passwort überhaupt der Zugriff Unberechtigter einschränken lässt. Hinzu kommt, dass sich die Nutzer das Passwort nur vor dem ersten Zugriff beschaffen müssen. Solange das Passwort danach nicht geändert wird, ist der Zugang uneingeschränkt nutzbar.

Ebenfalls kritisierten die Sachverständigen die Rechtstreue-Erklärung, welche WLAN-Nutzer nach dem aktuellen Entwurf zukünftig abgeben müssen. Ob diese Erklärung Nutzer davon abhält, rechtswidrig zu handeln, ist ziemlich fragwürdig, zumal ein Zuwiderhandeln gegen die Erklärung sanktionslos bliebe.

Weiterer großer Kritikpunkt ist die EU-Rechtswidrigkeit. In diesem Punkt entsprach die Einschätzung der Sachverständigen in weiten Teilen der Kritik der EU am Gesetzentwurf, die wir hier analysiert haben. Größter Streitpunkt ist dabei Artikel 12 der e-Commerce-Richtlinie. Demnach ist die Störerhaftung an sich bereits EU-rechtswidrig, unabhängig von der Ausgestaltung, also unabhängig von den besagten zumutbaren Maßnahmen.

Die Verbreitung öffentlicher WLANs

Uneinig mit den anderen Sachverständigen war vor allem Herr Meier von der Hotsplots GmbH. Er betonte etwa, dass es mit dem Ausbau von WLANs gar nicht so schlecht aussehe, berücksichtigte dabei aber nicht nur die öffentlichen Netze. Die Hotsplots GmbH bietet die Einrichtung von WLANs an, etwa für Cafés und Hotels. Es liegt also nahe, dass die Interessen von Herrn Meier aufgrund des Geschäftsmodells seines Arbeitgebers anders gelagert sind als die der restlichen Sachverständigen.

Doch nun zu den Zahlen: Insgesamt kommen in Deutschland etwa zwei öffentliche WLANs auf 10.000 Einwohner. Zählt man die nicht-öffentlichen mit, sind es über 180 pro 10.000 Einwohner. In Ländern mit fortgeschrittenerem Ausbau öffentliche nutzbarer WLANs sehen die Zahlen deutlich besser aus. In Großbritannien kommen fast 29 WLANs auf 10.000 Einwohner, Vorreiter ist Südkorea mit 37 öffentlichen Zugängen pro 10.000 Einwohner, geht aus einer Erhebung des „eco – Verband der Deutschen Internetwirtschaft e. V.“ hervor.

Auch Host-Provider sind von dem Gesetzentwurf betroffen

Neben den WLAN-Betreiber_innen, also den Access-Providern, ging es auch um das Haftungsprivileg der Host-Provider. Hier sieht der Gesetzentwurf vor, dass das bestehende Haftungsprivileg nicht mehr für „gefahrengeneigte Diensteanbieter“ gelten soll. Kritisiert wurde von den Sachverständigen die rechtliche und praktische Durchsetzbarkeit der geplanten Regelung. Gefahrengeneigte Diensteanbieter sind solche, bei denen der Großteil der Nutzung angeblich rechtswidrig geschieht beziehungsweise das Geschäftsmodell auf einer rechtswidrigen Nutzung basieren soll. Im Hinblick auf die Zunahme an Host-Providern, zum Beispiel Cloud-Diensten, ist diese Feststellung äußerst problematisch. Soll herausgefunden werden, ob ein Host-Provider gefahrengeneigt ist, müssten die Inhalte umfassend überwacht werden. Rechtlich würde das zu großen Unsicherheiten führen.

Der weitere Verlauf

Wie es mit dem Gesetzentwurf weitergeht bleibt derzeit unklar. Zum einen bleibt abzuwarten, inwieweit ihn die Bundesregierung noch abändern wird, und zum anderen sind die weiteren Lesungen des Bundestages noch nicht angesetzt. Die Digitale Gesellschaft vermutet in einer Nachbetrachtung von Volker Tripp, neben netzpolitik.org-Autor Ulf Buermeyer einer der Sachverständigen, dass die Bundesregierung noch auf ein ausstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs warten könnte:

Ein Aspekt, der gegen Ende der Anhörung zur Sprache kam, könnte für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens von besonderer Bedeutung sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9. Dezember die Klage eines Hotspot-Betreibers verhandelt, der sich gegen die Abmahnung eines Musikunternehmens wegen illegalen Filesharings gewehrt hatte. In diesem Verfahren geht es im Kern um die Auslegung der E-Commerce-Richtlinie und die Voraussetzungen für die Störerhaftung. Mit einem Votum des Generalanwalts am EuGH, das vor der eigentlichen Entscheidung des Gerichtshofs ergehen muss, ist nicht vor März 2016 zu rechnen. Angesichts der zahlreichen europarechtlichen Probleme des Regierungsentwurfs könnte sich die Große Koalition nun auf die Strategie verlegen, das Gesetzgebungsverfahren zunächst auf Eis zu legen, um die Entscheidung des EuGH abzuwarten.

Je nachdem, wie das Urteil EuGH ausfallen wird, bleibt also noch Hoffnung. Die Chancen für eine bedingungslose Abschaffung der Störerhaftung sehen zur Zeit aber eher schlecht aus.

15 Ergänzungen

  1. Interessant was man zwischen den Zeilen so erfährt. Freie Wlan Hotspots gibt es von Betreiber_innen, Wlans werden aber wohl ausschließlich von männlichen Nutzern verwendet. Oder hat der Praktikant seinen poltical correctness Filter noch nicht richtig eingestellt?
    Inhaltlich ist das natürlich alles richtig, der ganze Gesetzentwurf zeigt hauptsächlich, dass unsere Volksvertreter absolut Null Ahnung von der Technik haben und auch in den Fachabteilungen der Ministerien niemand sitzt, der die Lobbyeinflüsterungen mal mit der Realität abgleicht.

  2. Hallo,

    in Zeiten wo Personen mit T-Shirts von Polizisten angehalten werden, weil der Markeninhaber seine Rechte gelten gemacht hat, ist es nur richtig alle was Offline verboten ist auch Online zu verfolgen. Da nach den Gerichten das Internet ein „Gefährlicher Gegenstand“ (Wie z.B auch ein Schusswaffe) ist, kommt zu mindesten in D auch die Meinungsfreiheit nicht zu Tragen (Sonst dürften auch alle Waffen tragen, nicht war) . Somit sollte ein Vollumfänglich Vollhaftung bis hin zum Backbone-Betreiber hier für Rechtsstaatliche Zustände sorgen. Auch sollte ein auch privatrechtliche Bestandsdatenabfrage für das Einhalten der Persönlichkeitsrechte sorgen.

    mfg

    Ralf

    1. Es heist ja „Die Feder ist Mächtiger als das Schwert!“, für alle Leser der neuen Generation:
      Mit einer Feder wurden früher Texte geschrieben, heute nutzt man für diesen Vorgang eine Tastatur!
      Da also geschriebene Texte gefährlich sein können, sollte eine Tastatur wie eine Waffe (Feder/Schwert) behandelt un somit verboten werden!

  3. Wo kommen denn die 180 nicht-öffentlichen Hotspots pro 10000 Einwohner her? In dem Politbrief ist von einer Million Hotspots in Deutschland die Rede, bei knapp 80 Millionen Einwohnern sind das ~125 pro 10000 Einwohner.

    Weiterhin sind das in Großbritannien auch 29 *öffentliche* WLANs.

  4. Mal ganz ehrlich. Was spricht dagegen dass man sich die Zugangsdaten per Email oder SMS zuschicken lässt und die Verbindung nach 24h abgebrochen wird, worauf hin man sich die Zugangsdaten wieder holen kann? Damit muss es dann aber auch gewesen sein mit der Störerhaftung.

    1. Was spricht denn dafür, sich die Zugangsdaten holen zu müssen? Das ist doch nichts anderes, als wenn ich neben einer verschlossenen Tür den Schlüssel hänge. Ich wohne in Bangkok und hier gibt es an vielen Stellen offene Hotspots. Wenn ich z.B. mit der U-Bahn fahre, kann ich mich ins Wifi einloggen, in vielen Linienbussen auch, sowie in fast allen Department Stores oder an anderen öffentlichen Plätzen. D.h. ich logge mich in zig Netze am Tag ein. Was wäre das für ein Aufwand, wenn ich jeden Tag 10 neue Passwörter per SMS abholen müsste?

      1. Abgesehen von der Frage, ob wir die volle Überwachung aller Kommunikationen haben wollen oder müssen oder eben nicht haben dürfen, bedeutet das SMS verschicken zusätzliche Kosten. Dies ist für eine Telekom unbedeutend. Für die Frage aber, ob Leute ohne finanzielle Interessen Netzzugänge teilen, wirken die Kosten für die SMS prohibitiv.
        Eine kleine Rechnung: Würden bei einem freien WLAN pro Tag 100 Leute surfen, so reicht dafür ein Anschluss mit monatlichen Kosten von 20 € leicht aus. 100 Leute mal 30 Tage sind 3000 SMS. Diese kosten schnell 300 € – und selbst mit Flatrate sind diese dann schon genauso teuer wie der Internet-Anschluss, den die Anschlussinhaber_in auch selbst nutzen kann.
        Zudem ist die Nutzung umständlich. Bei einem freien Netz, kann das Login automatisch erfolgen.

  5. Vorallem ist ein flächendeckendes wlan eine Waffe wegen Als junger Deutscher sollte man Deutschland verlassen man hat hier nix mehr zu gewinnen. Man könnte rein theoretisch damit die komplette Bevölkerung umbringen bzw ihnen Angst machen bzw. die Menschen zu etwas zwingen.

    1. Un krass nach die Syrien gehne für Freiheit krämpfen?
      Warum nicht machen Selber un erscheinen nach die Deutschland?

    1. Baue WLAN in Wüste, dann LTE weniger böse in Deutschland!
      Oder nehmen LTE un vekoofen nach die Saudiarabien un die Bauen LTE in Islamische Staat und vertralen böse Deutsche die krämpfen für Leben!

      1. Ja, ist ja schon gut!
        Ich soll nichts gegen hochqualifiziertes Personal schreiben!
        … aber wenn er schon sowas ablässt, sollte er/sie oder es (beim verzapfen gemeinschaftlichen Blödsinns) keinen miesen Internetübersetzer nehmen!

  6. Solange die Telekom fürstlich für ihr WLAN bezahlt wird, so wie auch die Hotsplots GmbH, solange sind ihnen echte Freie WLANs ein Dorn im Auge, sind also Konkurrenz und müssen somit Klein gehalten werden!
    Die Brieftasche ist hier ein gutes Mittel, nicht?
    … Velo Fisch hat da ein schönes Beispiel gebracht!
    Ich „gehe“ auch öfters in WLANs mit Registrierungszwang, für diesen Fall habe ich eine Prepaidkarte, die ich als Registrierungsmülltonne nutze, die Passwörter der von mir genutzten WLANs sind zumeist über mehrere Monate gültig!
    …. die Störerhaftung nutzt nur Unternehmen, die gleichzeitig Anbieter von entsprechenden Dienstleistungen sind, ein Endverbraucher bietet keine gewerbliche Dienstleistung an, es sei den, er vermietet z.B. VoIP Nummern und Zugänge unter, somit wäre er ein gewerblicher Anbieter von TK Leistungen und so ziemlich von der Störerhaftung befreit!
    Ist etwas kurz und juristisch nicht ganz einwandfrei, aber sollte dem Verständnis genüge tun!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.