Netzpolitischer Wochenrückblick – KW 28 – Generalbundesanwalt nimmt Ermittlungen auf

Quelle: Green MPs

Willkommen zu unserem 28. Wochenrückblick in diesem Jahr. Der Generalbundesanwalt hat endlich seine Ermittlungen aufgenommen. Nur leider nicht gegen die NSA und ihre Verbündeten, sondern gegen unsere Quellen. Da stimmt irgendwie die Richtung nicht!

Die Ermittlungen basieren auf zwei Strafanzeigen des Präsidenten des Verfassungsschutzes wegen Verrats von Geheimnissen in Folge unserer Berichterstattung über den Ausbau der Netz-Überwachungskompetenzen des Verfassungsschutzes. Wir sehen das als Einschüchterungsversuch an, der offensichtlich von der Bundesregierung gedeckt wird. Auch wenn die Bundesregierung es anders zu suggerieren versucht: Ermittlungen des Generalbundesanwaltes gegen Quellen von Journalisten sind kein üblicher Vorgang! Eine Zusammenfassung gibts auch in englisch: Criminal Charges From Domestic Secret Service: Federal Prosecutor Investigates our Publications, Leaks and Sources.

Diesen Wochenrückblick haben wir auch als Newsletter verschickt. Hier kann man sich eintragen.

Dafür sind Journalisten im Visier der Geheimdienste. Die Causa Vorbeck landete sogar in der New York Times mit Bezug auf unsere Live-Blogs. Wikileaks veröffentlicht Selektoren und Abhörprotokolle und damit kommt raus: Kanzleramt und Regierung wurden schon seit Jahrzehnten abgehört. Das Neue ist: Mittlerweile werden wir auch alle mit überwacht. Geht aber nicht nur uns so: Wikileaks veröffentlichte 29 Telefonnummern, die belegen, dass auch brasilianische Regierungs- und Finanzvertreter durch die NSA überwacht wurden. Fazit einer Diskussion bei der Netzwerk-Recherche-Tagung ist: Wir brauchen besser funktionierende Kontrollgremien und gesetzliche Rahmenbedingungen. Denn die Auslandsspionage des BND agiert im rechtsfreien Raum.

Viel Spaß und neue Erkenntnisse lieferte ein 400GB-Leak mit internen Daten des Überwachungs- und Spionagesoftware-Herstellers Hacking-Team. Bei Wikileaks kann man eine Million interne Mails komfortabel durchsuchen. Wir haben uns und unsere Berichterstattung auch in rund hundert Mails gefunden.

In Deutschland konnten wir leider wieder eine steigende Zahl von Funkzellenabfragen feststellen. Und wir zeigen, wie Ein­fluss­nah­me funktioniert: Wir bieten die befreiten Lobby-Mails des Innenministerium zum Datenschutz zum Durchklicken – mit interessanten Ergebnissen.

Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht über das BKA-Gesetz und die Staatstrojaner verhandelt. Mit Constanze Kurz und Ulf Buermeyer waren gleich zwei Redaktionsmitglieder von uns als Sachverständige geladen. Wir werden dazu heute noch einen Netzpolitik-Podcast mit detaillierten Informationen für Euch machen.

Im Europaparlament wurde der Reda-Report zur EU-Urheberrechtsreform angenommen: Darin findet sich keine Einschränkung der Panoramafreiheit und keine Mehrheit für ein Leistungsschutzrecht. Trotzdem plädiert der Report nur für ein Reförmchen. Da geht noch viel mehr, z. B. ein Recht auf Remix! Die Digitale Gesellschaft und weitere Organisationen rufen die EU-Kommission zum Stop der Störerhaftung auf.

Die Bundesregierung beantwortet Fragen zur De-Mail. Wir finden: Das tote Pferd wird weiter geritten, wie viel das kostet, soll geheim bleiben. Bei einer weiteren kleinen Anfrage kommt raus: Verwendung von EU-Fördermitteln für Breitbandausbau bleibt im Unklaren.

eGovernment made in USA! US-amerikanischer öffentlicher Dienst gehackt: Millionen persönlicher Daten wurden kopiert. Und der UN-Menschenrechtsrat ernennt einen Sonderberichterstatter für Datenschutz. Ein guter Kandidat wäre auch Caspar Bowden gewesen, der renommierte Datenschutzaktivist ist leider an Krebs verstorben. Ein Hinweis auf Sicherheitslücken im argentinischen Wahlsystem führt zu einer Hausdurchsuchung.

Wir haben ein neues Werbevideo geschenkt bekommen:

Wir wünschen ein schönes Wochenende und freuen uns auf die kommende Woche!

5 Ergänzungen

  1. @ Markus Beckedahl

    Zwei Fragen:

    1. „Bei Wikileaks kann man eine Million interne Mails komfortabel durchsuchen. Wir haben uns und unsere Berichterstattung auch in rund hundert Mails gefunden.“

    Verbloggt Ihr das noch mit Zitaten aus diesen E-Mails? Das wäre spannend, was HT über Euch zu sagen hatte.
    HT hat auch andere namhafte Personen aus der „Szene“ in internen E-Mails aufs Korn genommen: Jacob Appelbaum, Bruce Schneier, Chris Soghoain z.B.

    2. „Mit Constanze Kurz und Ulf Buermeyer waren gleich zwei Redaktionsmitglieder von uns als Sachverständige geladen.“
    Der CCC war schon oft beim BVerfG als Sachverständiger geladen. Wart Ihr von NP.org schon mal dort oder war das jetzt das erste Mal als Experte? Warum war Constanze Kurz nicht als CCC-Mitglied, sondern als NP.org-Mitglied geladen?

    1. Zum 1.: Fanden wir persönlich interessant, aber sonst nicht so spannend zum berichten.
      Zum 2: Wir sind das erste Mal als Redaktion eingeladen worden, einen Sachverständigen zu bestellen. Constanze war da aber schon unabhängig von eingeladen worden. Sie war ja auch bereits mehrfach wegen ihrer Expertise Sachverständige, bevor sie bei uns anfing.

      1. Zu 1: Es dürfte Euch schmeicheln, dass Ihr bei HT ein Thema wart. Irgendwas macht Ihr also richtig.

        Zu 2: Auch hier Gratulation an Euch. Welch Ehre Euch vom BVerfG zuteil wird. Welche Redaktion wurde denn schon als Sachverständige vom BVerfG eingeladen? Gab es das überhaupt schonmal?

      2. Eigentlich könnten auch Parteien/Fraktionen/Koalitionen auf die Idee kommen, eure Expertise vorher einzuholen. Das dürfte Bundesgerichte spürbar entlasten.

        PS: Was ist aus dem Leistungsschutzrecht geworden … :) war auch mal sehr eilig.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.