Im Juli 2013, einen Monat nach den ersten Snowden-Enthüllungen, haben unsere Freunde von Privacy International Klage gegen NSA und GCHQ eingereicht. Heute hat das britische Geheim-Gericht Investigatory Powers Tribunal eine Entscheidung dazu getroffen und veröffentlicht. Und die überrascht uns positiv.
Britische Geheimdienste haben illegal gehandelt, als sie auf die persönliche Kommunikation von Millionen Menschen zugegriffen haben, die die NSA gesammelt hat. Die Entscheidung ist das erste Mal, dass der Gerichtshof (das einzige britische Gericht, dass die Geheimdienste GCHQ, MI5 und MI6 beaufsichtigt) in seiner 15-jährigen Geschichte jemals gegen die Nachrichten- und Sicherheitsdienste geurteilt hat.
Demzufolge war der Zugriff auf Daten von PRISM und dem Glasfaser-Abschnorchelprogramm UPSTREAM bis Dezember 2014 unrechtmäßig, weil die Regeln für den Datenzugriff geheim waren. Während des Verfahrens hatte die britische Regierung diese Austausch-Regeln veröffentlicht, seitdem darf wieder legal geschnüffelt werden. Jetzt wollen die klagenden Organisationen erreichen, dass die vor Dezember 2014 illegal gesammelten Daten gelöscht werden. Zudem kündigen sie eine baldige Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, um auch die weiterhin stattfindende Massenüberwachung über den Atlantik hinweg zu überprüfen.
Eric King, Deputy Director von Privacy International, kommentiert:
Schon viel zu lange verhalten sich Geheimdienste wie GCHQ und NSA so, als würden sie über dem Gesetz stehen. Die heutige Entscheidung bestätigt der Öffentlichkeit, was viele Menschen die ganze Zeit gesagt haben – im letzten Jahrzehnt waren GCHQ und NSA in ein illegales Programm zum Austausch von Daten aus Massenüberwachungsmaßnahmen eingebunden, von dem Millionen von Menschen auf der ganzen Welt betroffen sind.
Wir dürfen Geheimdiensten nicht erlauben, dass diese ihre Programme zur Massenüberwachung weiterhin durch die geheime Interpretation von geheimen Gesetzen rechtfertigen können. Die Welt steht schwer in der Schuld von Edward Snowden für seine Aufdeckungen und die heutige Entscheidung ist als ein klares Eintreten für seine Handlungen zu werten.
Aber es muss noch viel mehr getan werden. Der einzige Grund, dass der Austausch zwischen NSA und GCHQ heute immer noch legal ist, ist eine Hau-Ruck-Aktion der Regierung in letzter Minute, vorher geheime „Vereinbarungen“ öffentlich zu machen. Das ist schlicht und einfach ungenügend, um dieses massives Schlupfloch in den Gesetzen zu schließen. Wir hoffen, dass der europäische Gerichtshof ein Urteil zu Gunsten der Privatsphäre und gegen unkontrollierte Staatsmacht fällen wird.
James Welch, Legal Director für Liberty, kommentiert:
Jetzt wissen wir, dass der GCHQ gegen das Gesetz verstoßen und unsere Rechte verletzt hat, indem er die Öffentlichkeit über seine geheimen Beziehungen mit der NSA im Unklaren gelassen hat. Das diese Aktivitäten nun als rechtmäßig eingestuft werden, ist nur der Offenlegung zu verdanken, zu der Liberty und die anderen Kläger unsere Geheimnis-besessene Regierung nun zwingen konnten.
Die Geheimdienste haben allerdings weiterhin die größtenteils unbeschränkte Befugnis, sich durch die private Kommunikation von Millionen Menschen zu wühlen – und der Gerichtshof glaubt, dass die beschränkten Sicherheitsmaßnahmen, die während den Gerichtsverfahren im letzten Jahr aufgedeckt wurden, eine angemessene Schutzmaßnahme für unsere Privatsphäre darstellen. Wir sehen das anders und werden unseren Kampf vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterführen.
Wir wünschen viel Erfolg!
Update: Der grüne Bundestags-Abgeordnete Konstantin von Notz erklärt:
Das Urteil muss nun auch zwingend Konsequenzen hinsichtlich noch laufender Programme nach sich ziehen. Wir hoffen auf den Erfolg der dagegen bereits anhängigen und weiterer angekündigter Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Aus unserer Sicht ist auch äußerst fraglich, ob die derzeit noch laufenden Massenüberwachungs-Programme mit grundlegenden rechtsstaatlichen Werten und geltenden Menschenrechten zu vereinbaren sind.
Für die bundesdeutschen Geheimdienste stellt sich nunmehr noch dringlicher die Frage, inwiefern die pauschale Entgegennahme von Daten von GCHQ und NSA ebenfalls illegal und verfassungswidrig ist. Die Bundesregierung muss hier umgehend Klarheit über das genaue Ausmaß der Kooperation und die Rechtsgrundlagen schaffen.
Update: Privacy International verbloggt einen Nachtrag: The Snoopers‘ Loophole: why winning against GCHQ is bittersweet.
What was publicly disclosed, therefore, is little more than a Tribunal’s summary of secret policies disclosed in a secret hearing, which policies describe only the broadest of restrictions on the receipt of intelligence material by the UK, and remain buried in a 77-page long decision from the IPT, not enshrined in any accessible law or statute.
We think that falls far short of what is called for by the „in accordance with law“ requirement, and in the coming weeks will be appealing to the European Court of Human Rights to argue our case there, demanding an end to unlawful mass intelligence sharing, and ensuring privacy protections for all.
Auf der einen Seite toll, dass es gerade in UK zu diesem Urteil kommt. Auf der anderen Seite ein Armutszeugnis für Deutschland die einen Untersuchungsausschuss nach dem anderen starten und NICHTS passiert. Das sollte die Politiker in Deutschland mal wach rütteln. Gerade in UK hätte ich das nicht erwartet…das käme ja fast einem Urteil in den USA gleich, dass die NSA illegal gehandelt hat.
Da wird effektiv nichts passieren, das ist eher zur Ablenkung oder Schadensverringerung. Da wird jetzt beteuert werden dass sie sich bessern, aber in Wirklichkeit läuft alles so weiter wie bisher, Daten werden auch nicht gelöscht oder zumindest nicht überall.
Es läuft ja generell so ab, dass wenn die sagen „ja das war illegal, wir haben einen Fehler gemacht, wir werden das in Zukunft ändern“ dann klingt das zwar so als würden die sich bessern, aber in Wahrheit meinen die „aktuell ist es leider illegal, wir arbeiten jetzt daran dass es als legal deklariert wird, damit wir so weitermachen können wie bisher auch“.
Das ganze ist sowieso nur eine Farce. Die machen was sie technisch können, und das ist leider viel.
Deshalb ist es zwar gut und wichtig, wenn die amok-laufenden Geheimdienste in ihren Überwachungskapazitäten eingeschränkt werden, aber es kann niemals die einzige Lösung sein. Wir müssen uns auf technischer Basis besser schützen, z.B. durch wirksame Verschlüsselung (Ende-zu-Ende) überall. Wir brauchen allgemein viel weniger Angriffsfläche überall. Und die aktuelle Entwicklung mit Blackbox-Smartphones, hackbares Internet of Things, hackbare autonome Autos etc. ist besorgniserregend, weil die Sicherheitsaspekte eh schon viel zu oft vernachlässigt werden aus wirtschaftlichen Gründen. Je mehr wir uns durch unsichere Hard-/Software verwundbar machen, desto mehr Freiheiten haben auch automatisch die Geheimdienste und sonstige Hacker.
Kann mit dem Urteil mehr machen, als es einrahmen und an die Wand hängen?
Wünschenwert wäre ja, die Kriminellen für die gerichtlich festgestellte Kriminalität zur Rechenschaft zu ziehen. Aber das ist natürlich lächerlich – warum sollten die Briten ihre kriminellen Staatsdiener anders behandeln, als wir in Deutschland?
Tja, leider hat das für niemanden der Beteiligten irgendwelche Konsequenzen. Wäre auch in Deutschland nicht anders.
Wir brauchen dringend eine Behörde, die Mitglieder des Parlaments und der Regierung für den Beschluss und die Durchsetzung grundgesetzwidriger Gesetze verfolgt und bestraft.
Meinst du sowas wie in meinem Namen?
Ne dann lieber die parlamentarische und diplomatische Immunität aufheben (frag mich sowieso was ein Parlamentarier so wichitges macht als das er Immunität braucht – Angst vor dem Volk? Solltet ihr auch haben, ist ein Prinzip einer modernen Demokratie). Oder man versagt die Immunität in manchen Ämtern komplett. Staatsanwaltschaft z.B. sollte gar keine Immunität haben. Damit wir endlich die Überwacher zurücküberwachen können.
Die Briten sind sowieso nicht zu gebrauchen. DIe hatten nach Snowden handfeste Beweise, das GCHQ Videostreams mitschneidet (für den hauseigenen Amateurpornokeller) und niemand hat sich wirklich daran aufgeregt. Hey was solls, massiver EIngriff in meine Privatsphäre und darüber hinaus noch viel mehr. Aber was soll man machen. Am Flughafen muss man doch auch in die Nacktscanner. Oh warte. Das bringt überhaupt nichts, weil die Terroristen auf ganz andere Methoden gekommen sind. Oh schreck. Schnell mehr Überwachung!!!!!!111 God save the Queen and sh.t