Protokolle der Kabinettsitzungen sollten standardmäßig öffentlich werden und „nur in eng begrenzten Ausnahmefällen“ zurückgehalten werden. Das kritisiert die Informationsfreiheitsbeauftragte des Bundes in ihrem aktuellen Jahresbericht. Damit unterstützt sie unsere Informationsfreiheitsanfragen zum Thema Leistungsschutzrecht.
Vor zwei Wochen hat die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit den 4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit veröffentlicht. In der dazugehörigen Pressemitteilung verlautbart Andrea Voßhoff:
Das Informationsfreiheitsgesetz greift. Die Zahl der Menschen, die von ihrem Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen bei öffentlichen Stellen des Bundes Gebrauch machen, ist stark angestiegen. Wurden in den Jahren 2010 und 2011 4837 Anträge auf Informationszugang gestellt, hat sich diese Zahl im Berichtszeitraum mit nunmehr 10.813 Anträgen mehr als verdoppelt. Auch die Zahl der Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern, die Hilfe- und Rat bei mir suchen, hat in den letzten beiden Jahren deutlich zugenommen.
Daran dürften unsere Freunde von FragDenStaat.de einen nicht unwesentlichen Anteil ausmachen, denen unter dem Titel „Informationsfreiheitsportale erleichtern den Informationszugang“ gleich ein eigenes Unterkapitel gewidmet wurde. Die freuen sich auch gleich in einem eigenen Blog-Beitrag.
Kabinetts-Protokolle zum Leistungsschutzrecht
Auch wir freuen uns, denn einige unserer Anfragen wurden damit ebenfalls hochoffiziell thematisiert. Das betrifft einerseits die Kabinettsprotokolle im Bundeskanzleramt zum Thema Leistungsschutzrecht, die wir wiederholt angefragt, aber nie erhalten haben. Die Informationsfreiheit-Beauftragte sieht in einem eigenen Abschnitt „Diskussionsbedarf“:
Das Bundesverwaltungsgericht verlangt von der auskunftspflichtigen Behörde des Bundes eine sachliche Prüfung der (fortbestehenden) Erforderlichkeit der Einstufung (BVerwG – 7 C 21.08 – vom 29. Oktober 2009). Der pauschale Hinweis im Ablehnungsbescheid, eine Aufhebung der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit sei geprüft worden, scheint mir vor diesem Hintergrund etwas knapp.
Eine weitere Einstufung als „Geheim“ ist nur dann geboten, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann (§ 4 Absatz 2 Nummer 2 Sicherheitsüberprüfungsgesetz, § 3 Nummer 2 Verschlusssachenanweisung vom 31. März 2006 i. d. F. vom 26. April 2010). Niemand wird bestreiten, dass das Bundeskabinett zahlreiche sicherheitssensible, geheimhaltungsbedürftige Themen erörtert und der Informationszugang oftmals nicht gewährt werden kann. Hier schien mir allerdings die Nachfrage geboten, inwiefern im Falle des Informationszuganges nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein schwerer Schaden für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
Jost Müller-Neuhof übersetzt das im Tagesspiegel nochmal:
Geheim ist für die Regierung vielfach nur eine Floskel. Geheim ist, was geheim sein soll. So denkt man in den Spitzen der Exekutive. So läuft es aber nicht. Transparenz ist die Regel, Geheimschutz die Ausnahme. Die Begründung für den Geheimschutz der Kabinettsprotokolle „scheint mir vor diesem Hintergrund etwas knapp“, schreibt Frau Voßhoff höflich, aber bestimmt. Auch der regierungsseitig gern bemühte „Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung“ sollte doch nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ greifen, flötet Frau Voßhoff. Ja, da habe sie doch „Bedenken“ angesichts der bisher geübten Praxis.
Danke für die Unterstützung. Gegenüber netzpolitik.org sagte Stefan Wehrmeyer, Gründer und Projektleiter von FragDenStaat.de:
Gerade Kabinettsprotokolle sind von großem öffentlichen Interesse und die BfDI hat richtig erkannt, dass die Bundesregierung dahingehende IFG-Anfragen nicht mit bloßem Verweis auf den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung ablehnen kann.
Ackermanns Geburtstagsparty
Ein weiterer Fall betrifft die Gästeliste von Ackermanns Geburtstagsdiner im Kanzleramt, die wir vor zwei Jahren veröffentlicht haben. Dazu schreibt Voßhoff:
Nunmehr ist rechtskräftig entschieden: Die Gästeliste der Bundeskanzlerin ist offenzulegen
Das hatte auch das Bundeskanzleramt irgendwann eingesehen.
Im Gegensatz zu ihrem Wirken als oberste Datenschützerin, das die Digitale Gesellschaft nach 100 Tagen mit den Worten „Sie war stets bemüht“ beurteilte, ist der Informationsfreiheits-Bericht durchaus lesenswert. FragDenStaat.de weiß dazu:
Der Bericht wird zwar von der neuen Bundesbeauftragten Andrea Voßhoff veröffentlicht, ist aber noch zum Großteil in der Amtszeit von Peter Schaar entstanden.
Wir würden uns freuen, wenn sie dieses Niveau beibehält.
Das ist auf jeden Fall eine (positive) Überraschung. Sie scheit sich ihrem Job anzupassen.